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04
11
2020

Yuval Rubovitch Mit Sportgeist gegen die Entrechtung Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig - Hentrich & Hentrich

„Mit Sportgeist gegen die Entrechtung“ – Bar Kochba Leipzig

By GRR 0

Der Sportverein Bar Kochba Leipzig wäre jetzt 100 Jahre alt. Er war in den 1930er Jahren einer der größten jüdischen Sportvereine in Deutschland.

Bar Kochba Leipzig war zionistisch geprägt, strahlte aber eine integrative Kraft aus und hatte ganz selbstverständlich auch viele nicht-jüdische Mitglieder in seinen Reihen. Mit dem Aufkommen und der Übernahme der Macht der Nationalsozialisten in Deutschland bot er seinen jüdischen Mitgliedern zeitweilig eine weiterhin geschützte Atmosphäre.

Das Sportartenspektrum von Bar Kochba Leipzig konnte sich sehen lassen – ein typischer Mehrspartenverein mit Fußball, Handball, Schwimmen, Boxen, Leichtathletik und Tennis.

Jetzt ist über den Sportverein Bar Kochba Leipzig eine 162-setigie Chronik erschienen, die vordergründig das vielfältige sportliche Leben und das gemeinschaftliche Miteinander in schönen und in schwierigen Zeiten nachzeichnet und dadurch zugleich eine mahnende Gedenkschrift (gemäß Titel) über „Sportgeist gegen die Entrechtung“ am Beispiel dieses Vereins darstellt.

Autor der Schrift ist der 25-jährige Historiker und Politologe Yuval Rubovitch, der unter Mitarbeit von Dr. Gerlinde Rohr, der langjährigen Leiterin des Sportmuseums im Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, zahlreiche Quellen auswerten und auf eine Diplomarbeit zur Geschichte des Vereins Bar Kochba aus dem Jahre 2010 zurückgreifen konnte.

Ein weiterer Anstoß zur Konzeption des Buches und inhaltlichen Aufbereitung der bewegten Zeit von Bar Kochba Leipzig bestand drin, dass das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig im Jahre 2018 eine Sonderausstellung unter dem Titel „In Bewegung – Meilensteine der Leipziger Sportgeschichte“ präsentiert hatte und in diesem Zusammenhang eine Station über „Jüdische Sportvereine“ am ehemaligen Sportplatz von Bar Kochba eingeweiht werden konnte. Mit der jetzt vorliegenden Publikation schließt sich damit sozusagen der Kreis – mehr noch: Das frühere jüdische Sportleben in Leipzig erscheint nun dauerhaft in neuem Licht.

Schon in seinem Grußwort betont Thomas Feist als Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für das jüdische Leben, dass die Veröffentlichung eine Anregung darstellen möge, am Beispiel des Sportklubs Bar Kochba Leipzig das Schicksal seiner Protagonisten nachzuvollziehen und ihr Wirken mit der Gegenwart jüdischen Lebens zu spiegeln. An einer anderen Stelle heißt es wörtlich weiter: „Dabei wird aufgezeigt, dass der Bereich des Sports als über alle weltanschaulichen und politischen Grenzen hinweg einender Lebensraum nicht nur allgemein, sondern speziell auch für die jüdischen Gemeinden eine höchst wichtige Funktion erfüllte.

Der Sportklub Bar Kochba eröffnete durch seine in der Vereinssatzung verankerte politische Neutralitätsklausel ein offenes Betätigungsfeld für Sportbegeisterte. In dieser Funktion wurde er nach dem Verbot jüdischer Sportaktivitäten zu einem der letzten Refugien öffentlichen Lebens der Leipziger Juden“.

Wie ist das Buch inhaltlich aufgebaut? Nach dem Grußwort folgen zwei große Kapitel mit insgesamt 21 Abschnitten, die in aller Regel nicht mehr als acht Seiten umfassen und jeweils durch ein kurzes Vorwort des Autors eingeleitet werden. Zunächst geht es ganz bescheiden um: „Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig“. In diesem Teil werden sogar noch weitere jüdische Sportvereine in Leipzig vorgestellt, am Ende geht es um die „Auswanderungsvorbereitung“ und die „Betriebseinstellung und Auflösung“ von Bar Kochba in den Jahren 1937 bis 1939. Der zweite Teil über „Bar Kochba und das internationale interkulturelle Fußballbegegnungsfest“ spielt dann sogar in der Gegenwart und schildert auch, wie der Autor selbst inspiriert wurde, sich mit dem Thema verstärkt und wissenschaftlich zu befassen (z.B. „Mein Weg zum Fußballbegegnungsfest“) und wie daraus als „Produkt“ diese Denkschrift entstanden ist.

Ein kleines Fazit zum Schluss: Die vorliegende Schrift schließt eine Lücke in der Leipziger Sportgeschichte. Sie könnte aber darüber hinaus eine wertvolle Anregung sein, sich andernorts in Deutschland in ähnlicher Weise auf die Suche nach Spuren jüdischen Sport(er)lebens zu begeben …

Yuvalk Rubovitch (unter Mitarbeit von Gerlinde Rohr): Mit Sportgeist gegen die Entrechtung. Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig. Leipzig 2020: Hentrich & Hentrich. 162 S.; 14,90 €

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

 

author: GRR