Lothar Pöhlitz - Foto: privat
Lothar Pöhlitz wird 85 Jahre alt – Nur einmal siegen, ist nicht genug – Von KLAUS BLUME
Eigentlich hätten wir uns 25 Jahre eher treffen sollen. Als Lothar Pöhlitz freilich 1959 unsere Läufer-Gruppe als Trainer des SC Chemie Halle übernahm, war ich schon über alle Berge geflüchtet – in den Westen.
Damals als Nachfolger des seinerseits schon Legenden umwobenen Rolf Donath, den die Partei zuvor zum ersten Doping-Chef der DDR auserkoren hatte. Und weil die Dinge nun mal so lagen, traf ich Pöhlitz erst 1984; nicht in Halle – sondern vor der Ständigen Vertretung der DDR, auf der Godesberger Allee in Bonn.
Trainer, ehemalige Athleten, Wissenschaftler und Ärzte, allesamt aus der DDR geflohen, hatten sich damals eingefunden, um dort – am Jahrestag der DDR – die Weltöffentlichkeit über die willkürliche Trennnung von ihren Familien zu informieren und um deren Freilassung zu bitten. Denn in all‘ ihren Fällen waren Frauen und Kinder als Faustpfand zurück gehalten worden. Jahrelang.
Darunter auch Waltraud Pöhlitz, die Europameisterschafts-Zweite von 1962 über 800 Meter (2:o5,1 Minuten). Viermal war Lothar Pöhlitz‘ Ehefrau DDR-Meisterin auf dieser Strecke geworden, doch das zählte nach der Flucht ihres Mannes in den Westen nichts mehr. Im Gegenteil. Für sie waren „die 27 Stunden im Stasi-Gefängnis in Halle die härtesten meines Lebens, ich wurde ununterbrochen verhört,“ erzählte sie vor 26 Jahren dem Deutschlandfunk in Köln
Kurz vor Weihnachen 1984 kam es übrigens zur Familienzusammenführung; fünfeinhalb Jahre lang hatte das Ehepaar Waltraud und Lothar Pöhlitz so gut wie keine Verbindung zueinander gehabt.
Jetzt feiern die frühere Athletin und ihr ehemaliger Coach im rheinisch-bergischen Kürten gemeinsam dessen 85. Geburtstag – und somit den Ehrentag eines Mannes, der sowohl in der DDR wie in der Bundesrepublik jeweils der führende Trainer in Sachen Mittel- und Langstreckenlauf gewesen ist.
Aber auch, wenn Pöhlitz längst kein öffentliches Amt mehr bekleidet, ist er keinen Tag müßig. Davon zeugen seine Bücher, Fachvorträge und vor allem Fachaufsätze. Zumal sich Pöhlitz ständig einmischt.
So schrieb er, zum Beispiel, erst dieser Tage auf der Website von GRR: „Die Innenminister, die Kultusministerkonferenz, die Ministerpräsidenten, die Sportmininister und auf breiter Front die Medien sorgten sich im Vorfeld um den Bundesliga-Fußball und nicht auch um den Wettkampfsport der Individual-Sportarten und den Schul- und Kindersport als immanenten Bestandteil der Bildung, als wesentliche Voraussetzung für Deutschlands zukünftige Gesundheit.“
Während Pöhlitz‘ Ehefrau Waltraud zu den besten Läuferinnen Deutschlands zählte, war Lothar Pöhlitz selbst – wie viele seiner renommierten Trainer-Kollegen in aller Welt – nie ein erfolgreicher Athlet.
Aber einer, der sich schon mit 16 Jahren mangels Trainer in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt nach Trainingsempfehlungen in alten Lehrbüchern selber ausbildete. Mit 19 Jahren bestand er die Aufnahmeprüfung an der DKFK Leipzig, mit 22 Jahren war er Diplom-Sportlehrer, zwei Jahre später schon Coach im Hochleistungssport. Ein steiler Weg, der ihn direkt zum SC Chemie Halle und zum Verbandstrainer für Nachwuchsläufer in der DDR führte. Als die DDR ihn jedoch ins Funktionärswesen abdrängen wollte, hatte sie ihm damit den (Aus)-Weg in den Westen aufgezeigt.
„Erst wenn es leicht aussieht, ist es perfekt“, lautet einer seiner lebenslangen Sinnsprüche. Und: „Der Trainer ist Unterstützer und Förderer des Sportlers, nicht umgekehrt.“
So hält er es auch heute noch in seinen Vorträgen, Büchern und spannenden Aufsätzen. Die immer von kritischer Sorgfalt geprägt sind, ob sie sich mit Mo Farah, Konstanze Klosterhalfen, Gesa Krause oder einem kaum bekannten Nachwuchs-Talent beschäftigen.
Schließlich heißt eines der Pöhlitz-Maxime ja auch: „Nur einmal zu siegen, ist nicht genug.“
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
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klausblume@t-online.de
Auch German Road Races (GRR) e.V. gratuliert dem „rüstigen Rentner“, der unermüdlich daran arbeitet den Nachwuchs zu besseren Leistungen zu motivieren und den Verantwortlichen (sprich DLV – und den Regierenden, in welchem Amt auch immer), die Meinung geigt. Er gehört glücklicherweise zu denen, der den Mund aufmacht und das Kind beim Namen nennt, was in der Leichtathletik so schief läuft, bzw. was besser zu machen ist!
Mach weiter so – und wir wünschen weitere Unruhejahre.
Horst Milde und der GRR Vorstand