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21
01
2021

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Leistenbeschwerden und Laufsport – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Die Leiste ist einer der schwächsten Partien unseres Körpers. Schmerzen im Leistenbereich können vielerlei Ursachen haben (Hess 2004; Fraitzl et al. 2010; Best et al. 2010; Dimanski 2016).

In den meisten Fällen ist der chronische Leistenschmerz eine Folge einer Überlastung der Sehnenansätze, wobei die Beschwerden meist am Ansatz der Adduktoren (zur Körperachse hinführende Muskeln, vornehmlich Musculus gracilis) angegeben werden. Häufig findet sich auch ein Überlastungssyndrom des Musculus rectus abdominis und seines Ansatzes am Schambein.

Die Schmerzen können diffus zum Hüftgelenk, in die Bauchdecke, zur Anal- oder Hodenregion und in die Leistenweichteile ausstrahlen. Die Beschwerden sind meist belastungsabhängig und verschlimmern sich proportional zur Belastungsdauer und -stärke. Sie können noch Stunden nach dem Training anhalten.

Die Schmerzen können aber auch blitzartig in Ruhe, beim Husten oder Anspannen der Bauchdecke auftreten. Ruhe- und Nachtschmerzen deuten eher darauf hin, dass es sich nicht um muskuläre oder gelenkbedingte Ursachen handelt. Im Leistenbereich setzen kräftige Muskeln an. Hier befindet sich ein sensibles Nervengeflecht und Schwachstellen in Form von Faszienlücken für den Durchtritt von Gefäßen, Nerven und Samenstrang. Auch an Fernwirkungen von Wirbelsäule und Fuß muss gedacht werden.

Als Ursachen kommen

  • zu starke Trainingsbelastungen,
  • ungeeigneter Untergrund und Sportschuhe,
  • nicht ausgeheilte Verletzungen,
  • Bewegungseinschränkungen benachbarter Gelenke,
  • Stressfrakturen,
  • Schambeinentzündung
  • Muskeldysbalancen,
  • schwache Bauch- und Rückenmuskulatur,
  • Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule,
  • Veränderungen des Hüftgelenks und der Beckenstatik,
  • Störungen im Bereich des Iliosakralgelenkes,
  • neurogene und urologische Probleme,
  • die sogenannte „weiche Leiste“ und der Leistenbruch

in Betracht.

Gerade bei chronischen Verläufen kommt durch die meist vielschichtigen Beschwerden eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen in Betracht, deren genaue Abgrenzung oft nur schwer möglich ist. Dies liegt vor allem an der engen Nachbarschaft komplexer anatomischer Strukturen in der Leistenregion. Die klinische Untersuchung hat in der Diagnosefindung gegenüber den gerätetechnischen Ergebnissen den absoluten Vorrang (Dimanski 2016).

Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold – Mit Beiträgen von Stefan Weigelt – ELSEVIER Verlag

Therapie

Für den Laien ist eine Selbstdiagnose kaum möglich. Eine genaue Befunderhebung, Diagnosestellung und Behandlungsplanung kann nur ein Arzt zusammen mit einem Sportphysiotherapeuten erstellen. Die Therapie der Leistenschmerzen richtet sich nach den gefundenen Ursachen.

Bei der konservativen Behandlung stehen die Beseitigung von Muskeldysbalancen des Beckengürtels und eine Rumpfstabilisierung im Vordergrund. Die lokale und allgemeine Wärmetherapie hat sich bei der Überlastung der Muskel-Sehnen-Einheit der Adduktoren bewährt.

Bei der „weichen Leiste“ und dem Leistenbruch kommt man meist nicht um eine Operation herum, allerdings sollte der konservativen Therapie zunächst ausreichend Platz eingeräumt werden (Best et al. 2010). Orthopädische Hilfsmittel, z.B. Schuheinlagen, können Fehlstellungen und Fehlbelastungen ausgleichen und positive Fernwirkungen beim Leistenschmerz hervorrufen.

Die Chirotherapie hat sich bei Iliosakralgelenk- und Wirbelblockierungen bewährt. Ergänzend können lokale Injektionsbehandlungen und entzündungshemmende Medikamente verordnet werden.

Die Schambeinentzündung (Osteitis pubis) kann bei einem chronisch schmerzhaften Verlauf zu einer längerfristigen Sportpause führen (Hopp et al. 2008). Mit Untersuchung und bildgebender Diagnostik (MRT) kann die Diagnose häufig gestellt werden. In den meisten Fällen reicht eine konservative Therapie mit Antiphlogistika, Ultraschallbehandlung, Physio- und Elektrotherapie sowie Infiltrationen (Lokalanästhetikum/Kortikosteroid) aus. Die oft langwierige Therapie erfordert vom Sportler viel Geduld.

Komplementär wirken z. B. Homöopathie und Akupunktur. Nicht zuletzt muss der Trainingsplan dem Beschwerdebild angepasst werden. Gerade bei chronischen Beschwerden hilft eine Pause bis zur Beschwerdefreiheit oft Wunder.

Weitere Hinweise und das Literaturverzeichnis finden Sie in:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

 

author: GRR