Sebastian Coe - Photo: Victah Sailer@Photo Run
Leichtathletik-WM 2019 in Doha – Sir Sebastian und die Erinnerungen an die Kolonialzeit – Von KLAUS BLUME
„Entschuldigung, Sir! Ich bin im Fahrstuhl aufgehalten worden“, eröffnete Sebastian Coe das Gespräch. Um es so zu beenden: „Trotz Ihrer Argumente, Sir! Ich glaube nicht, dass ich jemals viel schneller laufen kann.“
Mein Gott, welche Bescheidenheit. Bei diesem Talent!
Aus dem Jungen kann noch was werden, ging mir damals durch den Kopf. Aus dem Jungen ist sogar viel geworden – sehr viel. „Lord Sebastian“, so sein aktueller englischer Titel, ist seit 2015 Präsident der IAAF, des Leichtathletik-Weltverbandes. Und damit einer der führenden Sportpolitiker der Welt.
Aber er sagt, alles was der Leichtathletik während ihrer Weltmeisterschaften in Doha widerfahren sei, habe ihm sein Vorgänger eingebrockt: der als Sportpolitiker getarnte senegalesische Kriminelle Lamine Diack.
Und Sir Sebastian? Er war nur dessen Stellvertreter, hat alles abgenickt, paraphiert und unterschrieben. Yes, Sir! Und als Chef der IAAF-Evaluierungskommission Doha im heißen Wüstensand von Quatar als WM-Ort fachmännisch favorisiert, sprich: durchgeboxt.
Marathon bei 42 Grad im Schatten! Bahn-Wettkämpfe im leeren Stadion.
Als der Hochspringer Mutaz Essa Barshim endlich Gold für Quatar gewann, konnte ihm die IAAF nicht mal die güldene Medaille umhängen, weil sich das endlich einmal gut gefüllte Stadion nach dem letzten Sprung in rasender Eile geleert hatte.
Woher auch sollten die Wüstensöhne denn auch wissen, dass einem Wettkampf immer eine feierliche Zeremonie folgt? Im Lande der Falknerei und Kamel-Reiterei kennt man dergleichen nicht. Da stülpt den Nachfahren dieser uralten Kultur ein gewisser Sir Sebastian, ein arroganter Lackaffe aus dem schnöseligen London, einen Teil dessen über, was er dafür hält. Ohne sich im Geringsten darum zu kümmern, was die Gastgeber seit Generationen geliebt und gelebt haben.
So etwas erinnert an die britische Kolonialzeit. Hipp, hipp, hurrah! Und musste schief gehen. Gründlich.
Dabei gab es hervorragende Wettkämpfe. Erstklassige Ergebnisse. Also beste Werbung für die Leichtathletik. Falls vor Ort jemand hingesehen hätte.
Sir Sebastian Coe – Foto: Victah Sailer
Mein Gott, Sir Sebastian! Sie waren doch mal einer von denen, die für die Leichtathletik gebrannt haben. Mit hehrem Herzen und heißer Leidenschaft.
Wirklich alles vergesssen – alles geopfert?