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12
05
2019

Alina Reh lieferte bei der EM 2018 eine lupenreine 32:17,17 ab - Foto: Horst Milde

LEICHTATHLETIK IN PLIEZHAUSEN: Krumme Strecken, krumme Gedanken – Die vermaledeiten Hochrechnungen – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Es hat sich 1984 zugetragen, damals saß Thomas Jeggele mit einigen Lauffreunden beieinander und verbreitete krumme Gedanken über ein Lauf-Fest mit krummen Strecken: 150 Meter für Sprinter, 2000 Meter für Langstrecklerinnen, 600 Meter für 800-Meter-Haudegen.

Unsinn, wem sollte so was schon gefallen, warf jemand ein. Heute wurden Jeggeles Gedanken zum 35. Male im schwäbischen Pliezhausen in die Tat umgesetzt – von 600 (!) Athleten aus 20 Nationen. In einem Ort mit nicht einmal zehntausend Einwohnern. Einem Läufer-Mekka für ganz und gar Lauf-Verrückte.

Krumme Strecken, krumme Gedanken? So etwas fördert zwangsläufig ganz persönliche Einschätzungen. Auch Hochrechnungen, die  sogar dem eigenen Heimtrainer verborgen bleiben. Denn diese Resultate finden keinen offiziellen Eingang in jene festgetackerten Bestenlisten, die ausschließlich auf olympischen Wettbewerben fußen. „Vermaledeite Hochrechnunen“ nennt  Jürgen Austin-Kerl deshalb auch die Gedanken nach den Rennen auf  krummen Strecken.

Austin-Kerl trainiert das Ausnahmetalent Alina Reh. Die 21jährige Langstrecklerin mißt sich am Sonntag in Pliezhausen innerhalb eines 3000-Meter-Laufs gemeinsam mit Männern. Nun darf sie, ganz und gar nur für sich, hochrechnen, in welchem Bezug dieses Resultat zur WM-Norm von 15:22 Minuten über 5000 Meter gesetzt werden kann. Oder auch nicht.

Doch wie auch immer dieser Gedankenflug enden wird: Alina, die Unermüdliche, sollte sich über die 5000-Meter-Norm ohnehin keinen Kopf machen. Die schafft sie eh mit links. Eher über die 10-Kilometer-Norm von 31:50 Minuten. Denn es gibt nicht allzu viele internationale Konkurrentinnen, die diese Zeit überhaupt erreichen können.

Alina Reh schaffte die 10 Kilometer bislang einmal unter 32 Minuten (31:23 Minuten), allerdings auf der Straße. Am 8. Juni wird sie bei den Deutschen Meisterschaften über 10 000 Meter in Essen ihren ersten Generalangriff in diesem Jahr auf dieser Strecke starten. Das wird zählen, wie auch immer.

Pliezhausen, krumme Strecken, krumme Gedanken: Elena Burkhard, in Tübingen Untermieterin bei Isabell und Dieter Baumann, schwankt ja noch immer zwischen 5000 Meter und 3000-Meter-Hindernis. Welcher Strecke soll sie, im Hinblick auf Olympia 2020, den Vorzug geben? In Pliezhausen sprang sie am Sonntag über Hindernisse und Wassergraben, aber nicht wie üblich, siebeneinhalb Runden lang, sondern nur über „krumme“ 2000 Meter.

Eine Distanz, die in den späten 1990er Jahren von der IAAF gerade noch den Frauen zugestanden wurde. Nur keinen Schritt weiter, sie könnten ja danach umfallen . . . Die 3000 Meter lange Distanz wurde erst 2005 WM-tauglich. Mit Ach und Krach. Übrigens, die angehende Chemikerin Elena Burkhard, immerhin 2018 schon EM-Sechste, hatte sich erst im Jahr zuvor an den Hindernissen versucht – in Pliezhausen, und dort über eher kommode 2000 Meter (6:20,81 Minuten). Wirklich ein Talent.

Doch zurück zu den krummen Strecken und krummen Gedanken: Timo Benitz, ein treuer Gast in Pliezhausen, musste diesmal passen. Verletzt. Aber vier Jahre zuvor hatte der 1500-Meter-Spezialist die krumme Strecke von 1000 Metern in 2:16,90 Minuten durchrast.

So schnell waren Jahrzehnte zuvor nur die Wühlbecks, Kempers, Valentins, Mays oder Wessinghages. Hochrechnungen werden also gern entgegen genommen. Als Ausgangspunkt gilt dabei Benitz‘ 1500-Meter-Bestmarke von 3:34,87 Minuten.

Aber auch jene von Thomas Wessinghage aus dem Jahre 1980: 3:31,58 Minuten. Damals gelaufen in einem ganz und gar verrückten Rennen  auf dem Koblenzer Oberwerth.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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