Blog
10
08
2018

Thomas Röhler - Foto: Victah Sailer

EM BERLIN 2018: Speerwerfer elektrisieren Berlin – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Gold für Thomas Röhler, Silber für Andreas Hofmann: Die Speere der deutschen Werfer fliegen im Himmel über Berlin am weitesten.

Der Sieger beendet den Abend klatschnass.

Der Himmel zog zu über dem Berliner Olympiastadion – Sturmwarnung. Mit einem schwarzen Wolkengebirge im Rücken liefen die Speerwerfer aus dem Marathontor in die strahlend hell erleuchtete Arena und schleuderten – nein, nicht Blitze. Doch ihre Energie, ihre Kraft und ihre Technik brachten Thomas Röhler und Andreas Hofmann bei der Europameisterschaft am Donnerstagabend die Plätze eins und zwei und elektrisierten das Publikum.

39.000 Zuschauer waren gekommen, und jeden Wurf der deutschen Speerwerfer, der Besten der Welt in diesem Jahr, unterstützte ein vieltausendstimmiger Schrei. Den Speer von Olympiasieger Thomas Röhler aus Jena trug es im dritten Versuch fast einen halben Meter an die neunzig Meter heran, auf 89,47 Meter. Damit war er Europameister. Dass er den Abend klatschnass beendete, war nicht Folge des nun einsetzenden Regens. Begeistert von seinem Erfolg sprang Röhler in den Wassergraben des Hindernis-Parcours.

Nur Vetter blieb etwas zurück

Der Speer des deutschen Meisters Andreas Hofmann aus Mannheim flog 87,60 Meter weit – Platz zwei. Er weinte vor Glück. „Thomas hat seine ganze Routine ausgespielt“, sagte Bundestrainer Boris Obergföll. „Ich freu’ mich für beide.“ Röhler hatte vier gültige Würfe: 88,02, 89,47, 87,58 und 87,90 Meter. Hofmann ließ drei Würfe werten: 85,61, 87,60 und 85,48 Meter weit.

Nur Johannes Vetter konnte nicht zeigen, was in seinen mächtigen Oberarmen steckt. Offenbar gehandicapt von einer Verletzungspause von sechs Wochen, als er seinen Oberschenkel schonen musste, warf der Weltmeister von London 2017 den 800 Gramm leichten Speer nicht weiter als 83,27 Meter – das reichte nur für Platz fünf. „Wenn’s nicht läuft, dann läuft es halt nicht“, kommentierte Obergföll, der ihn in Offenburg am Rhein trainiert. „86, 87 Meter zu werfen, ist eigentlich nicht das Problem für ihn.“ Das hatte Vetter in der Qualifikation am Mittwoch bewiesen, als er mühelos 87 Meter übertraf. Seine Bestleistung liegt gar jenseits von 94 Meter. Dritter wurde der Este Magnus Kirt mit 85,96 Meter.

Thomas Röhler, 26 Jahre alter Bachelor in Sport und Wirtschaft, ist der Anführer des deutschen Trios. 1,91 Meter groß und 82 Kilo schwer, damit ist er im Vergleich mit seinen beiden Konkurrenten und Mannschaftskameraden ein Leichtgewicht. Doch sein Wort und vor allem seine Leistung haben Gewicht. In Fotos und Videos inszeniert er die Truppe, die Wochen und Monate gemeinsam beim Training verbringt, und wenn er seine Ruhe haben will, zieht er sich zum Fliegenfischen zurück. Seine Bestweite beträgt 93,90 Meter.

Andreas Hofmann, der 26 Jahre alte Mannheimer, hat im vergangen Jahr erstmals neunzig Meter übertroffen und Röhler und Vetter bei der deutschen Meisterschaft von Nürnberg besiegt. Seine Bestleistung, in diesem Jahr geworfen: 92,06 Meter. Er ist mit 108 Kilo bei 1,95 Meter Länge der größte im Team. Er wirft mit einem verstärkten Ellbogen. 2012, als er wieder einmal verletzt war und operiert werden musste, diesmal am Arm, setzten ihm die Ärzte ein Stück Sehne aus dem Oberschenkel in den Arm. Er ist Student der Sportwissenschaft.

Mit den 26 Jahren alten Röhler und Hofmann und dem ein Jahr jüngeren Vetter verfügt die deutsche Nationalmannschaft über beste Chancen bei den nächsten großen Wettbewerben: der WM 2019 in Doha am Persischen Golf und den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.

Schon beim Einwerfen eine Viertelstunde vor ihrem Wettkampf zeigten die Deutschen, dass sie es ernst meinten an diesem Abend. Sie warfen, von der ersten Runde an, ihre Speere über die 80-Meter-Marke – als einzige.Speerwurf-Europameister

Schon in der Qualifikation hatten die Deutschen dominiert. Vetter war mit 87,39 Meter deutlich die Nummer eins, bestritt aber, dass er sich mit einer besonderen Leistung habe Respekt verschaffen wollen. „Wenn ich eine Duftmarke hätte setzen wollen, hätte ich richtig weit geworfen“, behauptete er. Röhler brauchte drei Versuche, um sich zu qualifizieren – mit 85,47 Meter gelang ihm die zweitbeste Weite. Hofmann hatte mit einem einzigen Wurf den Einzug in den Endkampf klargemacht, mit 82,36 Meter, der sechstbesten Weite.

„Schlussendlich war das Ziel, 82 Meter zu werfen und Körner zu sparen für morgen“, sagte er und wollte nichts von einem Wettbewerb vor dem Wettbewerb wissen.

„Jeder gibt sein Bestes.

Wer auf eins, zwei, drei steht, werden wir sehen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 10.08.2018

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR