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26
07
2020

So war es im Vorjahr in Davos: Start zum K68 mit der siebenmaligen Swissalpine-Siegerin Jasmin Nunige (Startnummer 2) und direkt daneben die Rennsteig-Ultramarathon-Streckenrekordhalterin Daniela Oemus (17), die beide vorzeitig aus dem Rennen ausscheiden mussten und nun erneut am Start sind - Foto: Wilfried Raatz/ wus-media

Laufspektakel in der Landschaft Davos unter Corona-Bedingungen – Abstands- und Hygienekonzept des versierten Lauforganisators in der Landschaft Davos greift – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Nach spannenden Rennverläufen gewinnen Riccardo Montani und Marcela Vasinova über die neue Königsdistanz K67 mit  67 km und 2606 Höhenmetern – OL-Ass Matthias Kyburz und die Schweizer Marathonmeisterin Natascha Baer siegen auf der Marathonstrecke

Die Erleichterung war Andrea Tuffli, dem OK-Präsident des Swissalpine, deutlich anzumerken. Schließlich bedeutete die 35. Auflage des traditionsreichen hochalpinen Laufspektakels die Nagelprobe für größere Laufveranstaltungen zu Zeiten der Corona-Pandemie.

Selbst der Swiss Athletics-Präsident Christoph Seiler war gekommen, um sich ein Bild einer Großveranstaltung zu machen, bei der an den beiden Veranstaltungstagen nahezu zweitausend Läuferinnen und Läufer an den Start gegangen waren.

„Das Konzept, das wir innerhalb von zwei Monaten komplett neu erarbeitet hatten und mit der Kantonsverwaltung und der Gemeinde Davos abgestimmt haben, hat sich bewährt! Natürlich ist der Start- und Zielbereich der wichtigste Sektor, hier konnten wir mit Blockstarts mit 300 Läufern und einem Minimum an Helfern der Organisation die festgelegte Maximalzahl deutlich unterschreiben“, resümierte der 78jährige überaus versierte Laufveranstalter und Pionier der Schweizer Berglauf- und Trailszene.

„Natürlich wird das Topereignis im kommenden Jahr an einem Tag das Ziel sein. Eines jedenfalls können wir schon jetzt festhalten: Das Blockstart-System mit einem verantwortungsvollen Schutzkonzept hat gut funktioniert, nicht zuletzt auch durch die Disziplin der Teilnehmer. Ich könnte mir dieses System auch im kommenden Jahr vorstellen, dann hoffentlich ohne Maske!“

„Davos setzt ein wichtiges Zeichen im durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigten Laufkalender. Es ist beeindruckend, was Andrea Tuffli und sein Team innerhalb von nur kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben. Diese einmalige Story kann Davos in die Welt tragen!“ lobt der Präsident der Schweizer Leichtathletik, Christoph Seiler, den Mut und die Beharrlichkeit der Organisation.

Und die Läufer auf den vier zur Austragung anstehenden Läufen, die von der Ultradistanz von 67 Kilometern über die Marathonstrecke bis hin zum Halbmarathon und zur 10 km-Distanz reichten, dankten dieses Engagement mit durchweg starken Leistungen und spannungsgeladenen Rennabläufen. Den Swissalpine-Machern kam natürlich zupass, dass diese Traditionsveranstaltung der erste Großanlass überhaupt war und viele ambitionierte Läufer gerne diese erste Leistungsoffensive gerne annahmen. „Wir haben das stärkste Feld aller Zeiten“, verkündet Andrea Tuffli mit berechtigtem Stolz, „Wir hatten noch nie so viele Topathleten am Start, hier hat uns die allgemeine Situation geholfen!“

Vier atemberaubende Pässe, der hochalpine Panoramatrail und acht malerische Täler sind die Eckdaten der neuen Königsdiszipin K68 mit 2606 m Höhendifferenz mit Start und Ziel im Sportzentrum Davos. Am schnellsten bewältigte überraschend der 27jährige Italiener Riccardo Montani den Parcours. Für die anspruchsvolle Strecke benötigte der aus der Provinz Verbania stammende Trailspezialist 6:12:28 Stunden und sorgte durch einen fulminanten Schlußangriff gegen den lange Zeit führenden Raphael Sprenger (6:12:44) für einen der knappsten Zieleinläufe über diese Ultradistanz. „Ich hörte, wie das Publikum auf den letzten Kilometern den Führenden anfeuerte und sah ihn auch direkt vor mir, was mir nochmals einen Energieschub verlieh“, sagte Montani. Sprenger verlor bis ins Ziel im Sportzentrum, das in „normalen Swissalpine-Zeiten“ dicht gesäumt von Zuschauern war und heuer aufgrund der Schutzbestimmungen keine Zuschauer zuließ, in einem sechsstündigen Kampf noch 16,4 Sekunden.

Die größte Aufmerksamkeit galt jedoch dem Dritten Stephan Wenk, der sich als Spitzenreiter nach demAufstieg zum Scalettapass am Panormatrail verlaufen und erst durch einen langen Umweg zurück auf die Strecke gefunden hatte. Zusammen mit dem US-Läufer T-Roy Brown hatte er nach 18 km anstelle einer Trailpassage eine stark bergabführende Strecke gewählt. „Wie mir später die Rennleitung berichtete, war der für diesen Streckenpunkt vorgesehene Posten noch nicht an seinem Platz. Eigentlich kenne ich die Strecke, deshalb ist es für mich unverständlich, dass ich hier einen Weg gewählt habe. Vermutlich waren wir für den Streckenposten zu schnell an dieser Stelle…“, kommentierte der eigentliche Rennfavorit sarkastisch seine Fehlentscheidung. Während sein amerikanischer Begleiter das Rennen frustriert abbrach, kämpfte sich Wenk wieder auf die Strecke zurück und griff erneut in den Kampf um den Tagessieg ein, denn schon am 2560 m hohen Fanezzfurgga-Pass hatte er die Spitze wieder im Blick. „Mich hat dieser Fehler allerdings zwanzig Minuten gekostet, am Ende fehlte mir dann einfach die Kraft. Aber so ist Sport!“

Dennoch gab es zumindest ein finanziell gutes Resultat für Wenk. Die Rennleitung konnte freilich die Rangfolge nicht korrigieren, sondern honorierte seine herausragende Laufleistung mit der gleichen Prämie wie Montani mit 2000 Franken.

Nach dem frühen Ausscheiden der siebenfachen Swissalpine-Siegerin Jasmin Nunige („Vor allem bei den Bergabpassagen hatte ich starke Hüftschmerzen, die ein Weiterlaufen einfach sinnlos erscheinen ließen“) dominierte die seit vier Jahren in Salzburg lebende Tschechin Marcela Vasinova. Die 31jährige hatte sich erst am Dienstag für den Start entschieden, „weil ich wegen der unsicheren Corona-Situation nicht unnötig Startgeld ausgeben wollte“ Die Skyrunning-Spezialistin, die 2019 den Europameistertitel in der Kombination Sky und Vertical erringen konnte, hatte freilich niemand auf der Rechnung. Nach 6:59:12 Stunden war ihre längster Wettkampfdistanz beendet. „Bei den Skyrennen bin ich eher im Klettern geübt, hier steht eindeutig das Laufen im Vordergrund. Es war ein Experiment – und es ist gelungen“, so die Tschechin. Der zweitplatzierten Kathrin Götz knüpfte die bei einem US-Unternehmen im Marketing tätigen Skyspezialistin gut 20 Minuten ab. Als Dritte erreichte die Vorjahressiegerin Luzia Bühler das Ziel.

Am zweiten Tag demonstrierte der frühere OL-Junioren-Weltmeister Matthias Kyburz auf der 42,7 km langen Marathondistanz K43 mit 1424 Höhenmetern seine Spitzenstellung im Ausdauerbereich. „Den Streckenrekord hat Matthias regelrecht pulverisiert“, gratulierte Andrea Tuffli staunend dem 30jährigen Orientierungsläufer. Mit 3:00:16 Stunden schrammte er zudem an der begehrten Drei-Stunden-Marke denkbar knapp vorbei. „Das war mega cool“, freute sich Matthias Kyburz, der sich mit einem Blitzstart direkt nach dem Startschuss an die Spitze gesetzt und von diesem Zeitpunkt keinen Läufer mehr gesehen hatte. „Ich bin zwar vom OL kürzere Distanzen gewohnt, aber durch die fehlenden OL-Wettkämpfe versuche ich es mit Läufen. Deshalb kann ich mir auch noch Starts beim Matterhorn Ultraks und auch bei der Berglauf-WM vorstellen!“ Der Franzose Kévin Vermeulen folgte als Tageszweiter mit 15 Minuten Rückstand.

Bei den Frauen setzte sich nach wechselnder Führung die Schweizer Marathonmeisterin Natascha Baer in 3:48:44 Stunden gegen die starke OL-Läuferin Sarina Jenzer (3:52:59) durch.

Die von der Marathonlegende Richard Umberg trainierte 25jährige Marathonläuferin war bereits vor fünf Jahren als Schnupperkurs im K43-Wettbewerb dabei und kann sich sogar im kommenden Jahr die Ultradistanz über 67 km vorstellen. „Ich glaube, das könnte mir gefallen!“

Wilfried Raatz für „Runners World“ 

 

author: GRR