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06
05
2019

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Foto: privat

Laufschuhauswahl und aktuelle Trends Teil 1 – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Laufschuhe sind die wichtigste Ausrüstung für Läufer. Auch der Laufexperte Arthur Lydiard stellte fest, dass die meisten Verletzungen bei Läufern ihre Ursache in den Laufschuhen haben (Lydiard 2000).

Seien Sie deshalb entsprechend wählerisch bei der Auswahl Ihrer Laufschuhe.

Schon bei normalem Lauftempo wirkt die Kraft des 2- bis 3-fachen Körpergewichts auf den Schuh und sein Material. Spätestens, wenn das Schaftmaterial eingerissen und das Profil der Sohle abgelaufen ist und der stehende Schuh sich zur Seite neigt, ist ein Neukauf angezeigt.

Merksatz
Die durchschnittliche Haltbarkeit von Laufschuhen liegt bei einer Laufleistung von 500–1.000 km.

Bei einem schweren Läufer mit X- oder O-Beinen ist ein Schuhwechsel meist viel früher nötig als bei einem leichten Stilisten. Jeder Läufer, der regelmäßig läuft, sollte wenigstens 2 Paar Laufschuhe besitzen und sie im Wechsel tragen (Mayer et al. 2004; Malisoux et al. 2015). Da Laufschuhe aus etwa 50 Einzelteilen in einem aufwendigen Verfahren hergestellt werden, ist der Preis für gute Laufschuhe auch entsprechend hoch.

Merksatz
Es gibt keinen generell besten, nur einen individuell für den jeweiligen Läufer besten Laufschuh.
Zwar werden jährlich in Laufsportmagazinen Testsieger gekürt, jedoch können diese Ergebnisse nur eine Hilfestellung bieten und stellen kein Muss für die Schuhauswahl dar. Besser ist eine individuelle und kompetente Beratung in einem Lauf-Shop.

TIPP
Vereinbaren Sie vor dem Laufschuhkauf einen Termin, damit Zeit für eine ausführliche Beratung ist. Bringen Sie dann die alten Laufschuhe und vorhandene orthopädische Einlagen sowie Laufsocken mit.

Im Versandhandel sollten Sie nur Schuhe kaufen, die Sie kennen, denn die Größen fallen je nach Hersteller und Modell unterschiedlich aus. Können Sie das bisher getragene Modell, mit dem Sie zufrieden waren, zum reduzierten Preis kaufen, weil es ausläuft oder nur ein Farbwechsel eintritt, dann sollten Sie dieses Angebot nutzen.

TIPP
Laufschuhe kaufen Sie am besten nachmittags, da die Füße im Laufe des Tages anschwellen.

Die Analyse sollte die folgenden Punkte beinhalten (Aderhold und Weigelt 2018):

  • Anatomie der Füße,
  • Vorverletzungen,
  • Geschlecht,
  • Gewicht,
  • Trainingsumfang,
  • Leistungsstand,
  • Laufuntergrund und Jahreszeit bzw.
  • Verwendungszweck (Training oder Wettkampf).

Das Abriebmuster der alten Laufschuhe liefert Hinweise zur individuellen Biomechanik und dem Laufstil:
●    Bei einem Fersenläufer ohne auffällige Fehlstellungen zeigt sich ein Abrieb an der Außenkante des Fersenbereichs und im Vorfußbereich mit Schwerpunkt auf der Innenseite.
●    Bei X-Bein-Stellung oder Überpronation zeigen sich ein komprimierter Schuhinnenrand und ein Abrieb des hinteren Schuhinnenrands.
●    Bei einer O-Bein-Stellung oder einer Supinationsfehlstellung ist der äußere Schuhrand komprimiert und abgerieben.
●    Bei einem Spreizfuß mit Abflachung des Quergewölbes zeigen sich ein verstärkter Abrieb und Kompression in der Mitte des Vorfußes.

Anschließend werden Körperhaltung und Fußachsenstellung sowie das Lauf- und Abrollverhalten meist auf einem Laufband, z. T. auch mit Videoaufzeichnung, analysiert. Auf dieser Basis erfolgt die Auswahl möglicher Modelle für die Anprobe mit Testlauf. Dabei wird darauf geachtet, ob der ausgesuchte Schuh in der Bewegung und Belastung den Anforderungen entspricht.

Merksatz
Ein Laufschuh soll dämpfen, stützen und führen. Das wichtigste Kriterium aber ist die Passform.

In Bezug auf Dämpfung und Stabilität sollte der Schuh immer nach individuellen Bedürfnissen ausgesucht werden. Als entscheidendes Kriterium dient das persönliche Laufgefühl im Schuh.

Laufen! – Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold und Stefan Weigelt – Foto: Elsevier Verlag

Details zum Schuh

Der Leisten ist der Form des menschlichen Fußes nachempfunden. Er beschreibt von der Ferse zur großen Zehe eine Kurve. Der gerade Leisten hat nur eine geringe Biegung und ist am stabilsten. Er ist geeignet, schwere Fehlstellungen bei einem hohen Körpergewicht auszugleichen. Der halbgebogene Leisten ist für Läufer geeignet, die ein wenig mehr Stabilität benötigen. Der gebogene Leisten ist der natürlichen Fußform nachempfunden. Er bietet ein hohes Maß an Flexibilität und ist für gesunde Füße mit guter Lauftechnik geeignet.

Merksatz
Der Leisten von Wettkampfschuhen ist deutlich stärker gebogen, um ein schnelles Abrollen zu unterstützen.

Der Schuh sollte bequem sein und ein angenehmes Tragegefühl vermitteln. An der Ferse muss er fest sitzen und darf nicht rutschen, der Schaft sollte seitlich am Fuß nur leicht anliegen. Der obere Abschluss der Fersenkappe darf nicht auf die Achillessehne drücken. Durch Fersenschale und Schaft wird der Fuß im Bewegungsablauf geführt.

Merksatz
Wird der Mittelfußbereich nicht ausreichend fixiert, kann der Fuß rutschen. Das führt besonders bergab zu Problemen – durch Reibung bilden sich Blasen.

Der Schuh muss im Rück- und Mittelfußbereich gut sitzen, denn dort wird er am Fuß gehalten. Trotzdem darf er nicht drücken. Der Schaft ist meist aus einem atmungsaktiven Mesh-Material gearbeitet. Der Knöchelkragen wird mit Schaumstoff unterfüttert, um ein Herausrutschen zu verhindern. Ein zu raues Futtermaterial kann durch Scheuern zu Blasen führen.

TIPP
Vorn sollte zwischen dem längsten Zeh und dem Schuhende eine Daumenbreite Platz sein.

In der Zehenbox sollten sich die Zehen bewegen können, eine zu weit geschnittene Zehenbox lässt den Fuß „schwimmen“. Allerdings muss der Fuß sich beim Abdruck auch zur Seite ausdehnen können, da er in der Abdruckphase etwas auseinander spreizt.

Als Zwischensohle wird die Schicht zwischen Schuheinlage und Außensohle bezeichnet. Je dünner die Zwischensohle, desto flexibler und weniger stabil ist sie. Die Zwischensohle besteht meist aus EVA (Ethylenvinylacetat) oder PU (Polyurethan). EVA ist weicher und leichter, PU dafür haltbarer. In die Zwischensohle sind die verschiedenen Dämpfungselemente (z. B. Gel- oder Air-Dämpfung) integriert. Im Mittelfußbereich sind die Stabilitätssysteme eingebaut, die das Fußgewölbe stützen und der Überpronation entgegenwirken. Die meisten Laufschuhe haben eine auswechselbare Einlegesohle. Nur in den leichteren Laufschuhen ist die Einlegesohle mit der Zwischensohle verklebt. Die Außensohle besteht meist aus Gummi oder Karbongummi, welcher haltbarer, schwerer und unflexibler ist. Eine breitere Außensohle bietet eine stabilere Fußführung. Flexkerben in der Sohle unterstützen das Abrollverhalten.

Merksatz
Geländegängige Schuhmodelle haben meist ein gröberes Sohlenprofil.

Die Zunge sollte dick genug sein, um den Spann vor dem Druck der Schnürbänder zu schützen. Sie darf allerdings nicht so lang sein, dass sie bis an das Bein reicht. Auch die Schnürsenkel dürfen nicht zu lang sein. Die Schnürung sollte über dem gesamten Bereich fest sitzen, aber nicht einschnüren oder zur Faltenbildung des Obermaterials führen. Manche Schuhe bieten auch ein Schnellschnürsystem, was besonders im Triathlon beliebt ist. Reflektoren am Schuh tragen zur Sicherheit bei.

TIPP
Im Zweifelsfall sollten Sie sich für den härteren Schuh entscheiden. Ein weicher Schuh fühlt sich zwar im Laden sehr komfortabel an, vermittelt aber weniger Gefühl für den Laufuntergrund.

Eine zu weiche Sohle führt auf Dauer ebenso zu Problemen wie zu hartes Material. Sie macht es vermehrt nötig, dass im Mittelfußbereich aus der Dämpfung herausgedrückt werden muss.

TIPP
Im Laufe der Jahre kann die Schuhgröße durch die Abflachung der Fußgewölbe um 1 bis 1,5 Größen zunehmen.

Bei Frauen sprechen eine Reihe von Aspekten für den Kauf spezieller Damenlaufschuhe.

Der Damenfuß ist üblicherweise im Fersen- und Mittelfußbereich schmaler als der Männerfuß. Im Vorfuß ist der Platzbedarf eher größer. Da durch das Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen der Vorfuß mehr belastet wird, neigen Frauen eher zum Spreizfuß. Im Mittelfußbereich sind Damenschuhe hoch und schmal geschnitten und der Knöchelkragen sitzt tiefer. Frauen haben häufiger eine Tendenz zur X-Bein-Stellung und damit zur Überpronation.

TIPP
Damenschuhe sind meist leichter, weicher gedämpft und flexibler als Herrenmodelle.

Können auffällige Fehlstellungen (z. B. Veränderungen des Längs- und Quergewölbes beim Senk- und Spreizfuß) nicht ausgeglichen werden, sollte eine Empfehlung für einen Orthopäden oder orthopädischen Schuhtechniker erfolgen, um eine individuelle Schuheinlage herstellen zu lassen.

Vom Orthopäden werden dann notwendige Bewegungsschulungen durch Physiotherapeuten veranlasst.

Literaturverzeichnis siehe Teil 2 (folgt)

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

author: GRR