Landschaft und ein einsamer Läufer beim Thüringen ULTRA - Foto: Rolf Fleischmann
Der Thüringen Ultra 2019 über 100 km und ca. 2150 Höhenmeter – Rolf Fleischmann berichtet
Am 1. Juli Wochenende findet jedes Jahr der Thüringen Ultra statt. Gelaufen wird ein Rundkurs über 100 km und ca. 2150 Höhenmeter.
Start und Ziel ist in Fröttstedt, ein kleiner Ort zwischen Gotha und Eisenach am Rand des Thüringer Waldes.
Zwar hat Fröttstedt nur gut 400 Einwohner, aber trotzdem ist der Ort fast so alt wie Berlin. Und in Ultraläuferkreisen auch mindestens so bekannt wie Berlin. Gefühlt ist der halbe Ort auf den Beinen um den Lauf zu organisieren. Es gibt neben den Einzelläufern noch Staffelwertungen über 4×25 km oder 2×50 km.
Am Freitag Nachmittag beginnt das bunte Treiben. Viele nutzen die angebotene Campingmöglichkeit. Ganz kompakt liegt alles zusammen. Camping auf einer Streuobstwiese, Verpflegung, Startnummern und Sanitär direkt daneben, genauso wie Start und Ziel.
Ich habe mir einen Platz unter einen Kirschbaum gesucht und im Auto geschlafen. Ab 15 Uhr gab es die Startnummern. Ebenso Kuchen, Kaffee und Getränke für kleines Geld. Am Abend dann Nudelparty, der Nudelbon ist inklusive, es gab sogar 3 verschiedene Soßen. Das ganze in familiärer Atmosphäre, die Ultralaufgemeinde kennt sich. Nach dem Abendessen habe ich noch meine Sachen für den Lauf bereit gelegt. Um 21 Uhr versucht zu schlafen, da der Start bereits um 4 Uhr erfolgt.
Lichtgefunzel und Autotürengeklapper haben mich um 3 Uhr geweckt. Es gibt Frühstück , Kaffee und belegte Brötchen zu kaufen. Der Identchip wird ausgegeben und die Zeit bis zum Start vergeht so schnell, dass ich das Briefing verpasse. Am Start noch eine Überraschung, mein Bruder ist da. Er startet um 5 Uhr als 1. Läufer einer 4er Staffel.
Der Start – Foto: Rolf Fleischmann
Um 4 Uhr setzt die Dämmerung ein.
Und dann geht es los. Die ersten Meter sind von brennenden Fackeln flankiert, sehr beeindruckend. Schnell haben wir Fröttstedt verlassen. Die meisten laufen ohne Stirnlampe, bei den anfänglichen Teerwegen auch kein Problem. Vereinzelt spenden auch die Lampen der Fahrradbegleiter etwas Licht. Noch ist alles ganz entspannt, flaches Gelände und sehr angenehme 14 Grad.
Und wie orientiert man sich an den Gabelungen? An roten Flackerleuchten die gut zu sehen sind und sicher den richtigen Weg zeigen. Und im noch dunklen Wald wurden sogar vereinzelt Lampen an die Bäume gehangen. Wenn es dann hell ist, ist die Strecke sehr gut mit einem gelben U + Pfeil markiert. Vor einer Abbiegung U mit Richtungspfeil, dann ein Bestätigungs U . Wer halbwegs wach ist, kann sich nicht verlaufen. Dennoch habe ich mir zur Sicherheit den GPS Track auf das Handy geladen.
So langsam ging es dann in die Berge. Die Steigungen wurden steiler und länger. Bis zum ersten Wechselpunkt hinter der Ruhlaer Skihütte kamen so ca. 700 Höhenmeter zusammen. Der Rennsteig wurde das erste Mal gequert. Kurz zuvor wurden wir von den ersten Staffelläufern überholt. Bei km 27 war der 4. Verpflegungspunkt und gleichzeitig 1. Wechselpunkt der 4 er Staffel und Lagerpunkt für Dropbacks. Die Einzelläufer konnten an allen 3 Wechselpunkten Dropbacks hinterlegen, die Frühs ausgefahren wurden und Abends dann wieder zurück in das Ziel gebracht worden. Ich habe mich gut gefühlt und gefreut, dass die erste Etappe gut gelaufen ist. Die Kunst bei solchen Läufen besteht darin, das richtige Tempo zu finden. Ich orientiere mich weitestgehend an der Atmung.
Foto: Rolf Fleischmann ((lks.)
An der Stelle ein kleiner Ausflug zum Thema Ernährung. Das ist ein ganz wichtiges Thema und kann schnell ein Rennen ruinieren. Ich habe versucht, an jedem Verpflegungspunkt 3 Becher zu trinken. Da ich viel schwitze habe ich noch zusätzlich Salzsticks genommen, bei anfangenden Wadenproblemen noch zusätzlich Salz. Je nachdem habe ich dann nur Wasser oder Tee oder ISO getrunken. Das Salz muss so verdünnt sein, dass es auch vom Körper aufgenommen werden kann. Ab km 27 habe ich dann an jedem 2. Verpflegungspunkt ein Gel genommen, sonst zu Banane oder Energieriegel gegriffen.
Die Verpflegung war weitestgehend an allen Punkten einheitlich. Es gab Wasser, Tee, ISO, Cola, Obst, Stullen,Salz, Riegel und später dann auch Bier mit und ohne Alkohol. War ganz toll und mit viel Herz gemacht. Danke an die vielen Helfer habe ich wohl an jedem Verpflegungspunkt gesagt.
Nach dem km 27 ging es leicht unterhalb vom Kamm in Richtung Brotterode und dann zum kleinen Inselsberg. Wir haben Brotterode fast umrundet. Da die Orte in der Regel im Tal liegen, heißt Rundwanderweg oder Panoramaweg Berge, Berge, Berge.
Auf der Strecke mit Verpflegungspunkt – Foto: Rolf Fleischmann
Aber wo es hoch geht, geht es auch wieder runter. Und im Fall vom Thüringen Ultra fast bis auf die Ausgangshöhe. Nur auf der anderen Seite vom Kamm. Im Moment jedenfalls konnte man es gut rollen lassen, die Wege waren auch relativ gut zu laufen. Die letzten Kilometer der Abwärtsstrecke gehen auf einen Radweg der wiederum eine stillgelegte Bahnstrecke als Untergrund hat. Inklusive der alten Bahnbrücken und einem Tunnel. Unten angekommen in Floh Seligenthal gab es den nächsten Staffelwechselpunkt, 54 km geschafft.
Die nächsten 7,5 km waren die anspruchsvollsten. Es ging bis auf über 700 m Höhe zur nächsten Rennsteigquerung. Das meiste der Strecke bin ich gegangen. Auf dem Rennsteig geht es bis zur Ebertswiese und von da durch den Splittergrund runter nach Tambach-Dietharz. Nach dem gehen mussten die Beine erst das Laufen wieder lernen … so langsam spürte man die Kilometer in den Knochen.
Das Tal hat sich lang hingezogen, zwischen den Verpflegungspunkten waren es dieses Mal 9 km, sonst eher 5…6 km. Frisch gestärkt und voller Elan wurden wir hinter der nächsten Kurve von einem heftigen Anstieg eingebremst. Da hatte ich dann auch ein kleines Tief. War schwer wieder anzulaufen. Mental hatte man die steilen langen Berge schon abgehackt, aber so war es nicht. Für mich war der Abschnitt zwischen Tambach-Dietharz und Finsterbergen der schwierigste, erst der Anstieg und beim Abstieg nach Finsterbergen war sehr schwierig zu laufender Untergrund , eher für Bergstiefel als für Laufschuhe geeignet.
Foto: Rolf Fleischmann
Finsterbergen bedeutete auch letzter Wechselpunkt der Staffeln, 76 km geschafft. Und wie das so ist, die Orte liegen meistens im Tal, siehe oben, und der nächste Ort liegt – wer hätte das gedacht – hinterm Berg. In dem Fall der Gottlob, nicht so hoch wie seine Vorgänger. Im nächsten Tal wartete dann Friedrichroda. Die Orte wurden meistens nicht durchlaufen, sondern eher am Rand gestreift. Nach dem Verpflegungspunkt Friedrichroda ging es weiter nach Tabarz. Es war inzwischen doch deutlich über 20 Grad, die Sonne war nach den steilen Bergen unser nächster Herausforderer.
Tabarz, oder besser Bad Tabarz ist ein bekannter Erholungsort. Auf den nun gut zu laufenden Wegen waren Spaziergänger und Radfahrer unterwegs. Tabarz hat ein kleine Skisprungschanze. Schanze heißt Berg. Der Läufer hat die Schanze natürlich von oben gesehen … Nun wurden auch kleine Hügel zu ernsten Gegnern. Immer öfter ging es im Wanderschritt voran. Nach einen kleinen Ausflug – auf einen Berg – haben wir nochmals Tabarz durchlaufen. Die Bewohner haben vor vielen Häusern Mini Erfrischungspunkte aufgebaut, viele Wasserbehälter zum erfrischen aber auch Getränke. Das war auffällig und nur so in diesem Ort. Danke.
Nun waren wir im Vorland zum Thüringer Wald unterwegs. An den Verpflegungspunkten wurde Bier und Stühle angeboten, da muss man echt kämpfen um nicht hängen zu bleiben. Und dann der km 95, der legendäre Verpflegungspunkt überhaupt. Schon 2 Kilometer vorher ist die Musik zu hören. Mitten auf einem Feldweg steht der DJ versucht die Startnummer zu erkennen um dann in persönlicher Ansprache und persönlichen Titel zu motivieren, dazu eine Gruppe Cheerleader und das übliche Verpflegungsprogramm.
Noch 5 Kilometer, Sonne und menschenleeres Gewerbegebiet mit endlos langer Straße ... mental war ich schon so weit und wollte wie andere in das Ziel gehen. Aber der Zuspruch eines Läufers hat mich dann doch aufgerappelt. Da habe ich gespürt, dass Ultra doch Kopfsache ist. Es geht zwar nicht so gut, aber wenn man will geht noch was.
Das Ziel.
Begrüßt werden die Läufer schon am Orteingangsschild: Thüringen Ultra Laufort. Und das ist nicht nur ein Schild, der Ort lebt den Ultra und macht ihn zu dieser tollen Veranstaltung. Jeder Schritt durch den Ort bringt näher an das Ziel: meinen ersten 100er werde ich gleich finishen. Und dann biegt man auf die Wiese ein und wird herzlich empfangen.
Ein Zeitprotokoll hat man schnell in der Hand wie die Medaille um den Hals. Zu lesen sind in meinem Fall 12:10:19, Platz 59 von 211 Männern und in der AK hat es für 7. von 45 gereicht. Aber viel wichtiger ich habe es geschafft, nicht jeder hat bei diesem schweren Lauf das Ziel gesehen.
Zur Belohnung erhält jeder ein Finishershirt mit Stern, für jede Teilnahme einen. Das Sternesammeln ist als Zusatzdisziplin etabliert.
Ergebnisliste – Foto: Rolf Fleischmann
Leider musste ich kurz nach dem Zieleinlauf wieder los, weil ich noch bei einer Hochzeitsfeier in Erfurt erwartet wurde. Das Feiern nach dem Ultra konnte ich ja schon beim Rennsteiglauf üben. Aber auch in Fröttstedt gab es noch eine Läufer Party . Aber man kann nur auf einer Hochzeit tanzen. Stichwort Hochzeit: ein Brautpaar soll auch unterwegs gewesen sein und sich nach dem Lauf getraut haben.
Resümee: tolles Event, erstaunlich was sich mit 45 Euro Startgebühr auf die Beine stellen läßt. Das geht nur Dank dem Einsatz der vielen Helfer.
Vielleicht geht ja auch Mal eine Staffel vom LT Bernd Hübner … muss ja nicht gleich 100 sein.
Rolf Fleischmann