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02
04
2019

Lauf-Technikoffensive durch mehr Gelenkbeweglichkeit - jetzt - Foto: A. Rigal

Lauf-Technikoffensive durch mehr Gelenkbeweglichkeit – jetzt! – Lothar Pöhlitz

By GRR 0

© Lothar Pöhlitz* – „Beweglichkeit ist die Fähigkeit und Eigenschaft eines Sportlers, Bewegungen mit großer Schwingungsweite selbst oder unter dem unterstützenden Einfluss äußerer Kräfte in einem oder mehreren Gelenken ausführen zu können“ [WEINECK, J.2000, 316]

Der Erlernung und Stabilisierung der Mittelfuß- und Vorfuß-Lauftechnik muß schon im frühen Jugendalter die notwendige Aufmerksamkeit zukommen, wenn das in Zukunft immer schnellere Laufen bei möglichst geringem Kraftaufwand Ziel sein soll.

Dafür sind natürlich zuerst die Kraft- und Beweglichkeitsvoraussetzungen zu schaffen und der Umgang mit Schrittlängen und Schrittfrequenzen den jungen Läufern schon früh zu lehren. Das Frühjahr und der Sommer sind dafür die günstigsten Zeiträume.

Für Läufer geht es vor allem um die mögliche Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit um im Doppelschritt am besten „leicht und natürlich unbewusst“ große vortriebswirksame, schnelle aber auch kurze variable Schritte durch kleine und große Bewegungsweiten, große Bewegungsamplituden zu ermöglichen. Damit wird eines Tages der individuell beste Vortrieb möglich. Mehr Beweglichkeit bedeutet für Läufer „leichter und ökonomischer zu laufen“, in dem die Bewegungsweiten der beteiligten Gelenke vergrößert werden. Daran sind sowohl die Agonisten als auch die Antagonisten beteiligt.

Man kann es nicht oft genug wiederholen:

 „Dehnen – kräftigen – spreizen – stabilisieren – lockern“

sind in Verbindung mit den Übungen des Lauf-ABC und leichten, betonten Sprüngen wichtige Hilfen zum Aufbau einer „Leichtlauftechnik“ und zur Verbesserung der Laufökonomie. Beweglichkeit und Koordination sind, wie auch optimale Kraftfähigkeiten, leider zu oft negierte Grundvoraussetzungen für schnelles Laufen auf den Mittel- und Langstrecken. Man braucht nur einmal die Gelenkbeweglichkeit und Gymnastikqualität von Laufgruppen zu beobachten.

Foto: A.  Rigal

Wenn möglich sollte schon im Schülertraining der Ausbildung der Flexibilität mehr Aufmerksamkeit zukommen, weil mit der Pubertät bereits von Einschränkungen z.B. im Hüftgelenk (Seitspreizfähigkeit) und im Schulterbereich in der Fachliteratur berichtet wird.

Deshalb sollte schon vor Beginn des Jugend-Aufbautrainings aber auch später die Beweglichkeit und ihre gezielte Umsetzung in eine bessere Lauftechnik durch Technikläufe ganzjährig mehrmals wöchentlich (z.B. auch nach Dauerläufen oder Kraftarbeit) Bestandteil des Trainings sein.

              

Eine verbesserte Gelenkbeweglichkeit (im Sinne einer optimalen Nutzung für den Vortrieb + Schwingungsweite in den Gelenken / Hüftbeweglichkeit) wird erzielt, wenn die Dehnfähigkeit der Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien mit der erforderlichen Kraft und einer möglichst guten Koordinationsfähigkeit bei größtmöglicher Lockerheit (Weichheit der Bewegungen) durch üben immer besser ausgeprägt wird.

 

Nach dem hinteren Abdruck soll eine Entspannungsphase der Muskulatur die Möglichkeit zur Erholung geben bis sie vorn wieder aktiv arbeiten muß, optimal Anfersen können ist dafür eine wichtige Vorübung.

Eine gute, ökonomische Lauftechnik ist auch eine Voraussetzung zur ökonomischen Umsetzung der Energie in Geschwindigkeit. Dafür können statische und dynamische Gymnastik- und Dehnungsprogramme jeweils bis an die Grenzen des jeweiligen Bewegungsbereiches eingesetzt werden. Dabei sollten nach dem aufwärmen zunächst statische, durch Partner unterstützte Dehnungen und dann dynamisches Dehnen in dieser Reihenfolge eingesetzt werden.

Die 4 Phasen des Laufschrittes

  • Hintere Stütz- und Abdruckphase (entscheidend für den Vortrieb)
  • Hintere Schwung- und Entspannungsphase / Anfersen (entscheidend für die Entspannung / Erholung der Muskulatur, Vorbereitung des Kniehubs)
  • Vordere Schwungphase / Kniehub (Sicherung der Schrittlänge; Vorbereitung des aktiven Fußaufsatzes)
  • Vordere Stützphase (Amortisation des Landedruckes; Aufbau von Vorspannung, aktive Arbeit nach hinten)

Bereits im Alter von 12-14 Jahren nimmt die in der frühen Kindheit zu beobach-tende natürliche Flexibilität ab.  Dem ist mit möglichst großer Konsequenz und „Trainer-Akribie“ entgegenzuarbeiten. Im Erwachsenenalter sind dann ohne Üben ständig zunehmende Defizite nicht zu übersehen. Haben Sie demgegenüber schon einmal die „weichen Bewegungen“ der Afrikaner beobachtet? Obwohl sie schon viel Gefühl und Beweglichkeit ins Training mitbringen, ist eine vielseitige, umfangreiche Gymnastik regelmäßig ncht nur Bestandteil ihres Jugendtrainings. Die Ausbildung ihrer Fußgelenkskraft erfolgt auf „Aschenbahnen“ aber auch durch ihre Dauerläufe und Fahrtspiele im unebenen Gelände und bergan und bergab.

Fotos:  Ayadi

Alle Läufer müssen muskuläre Dysbalancen vermeiden

„Die im Leistungstraining z.T. hohen Belastungen ohne ausreichende Dehn- und Lockerungsübungen widerspiegeln sich in der Trainingspraxis – vor allem mit zunehmenden Alter – in muskulären Dysbalancen („Muskelverkürzungen“).

Sie lassen eine optimale Bewegungsfähigkeit (Schrittlänge / Schrittfrequenz) – hohe Anstrengung bei großer Entspannungsfähigkeit (Erholung während der Belastung) nicht zu und schränken die Leistungen oft beträchtlich ein. Es hilft nicht wenn der Trainer „Knie hoch“ dem Läufer/In als Bewegungsanweisung zuruft, wenn der Sportler nicht über die notwendigen Voraussetzungen (Kraft / Beweglichkeit) verfügt, um die Knie überhaupt entsprechend hochheben zu können. Also müssen zuerst einmal mit den verschiedensten Trainingsformen die Voraussetzungen für die unbewusste Handlung Knieheben geschaffen werden“ (Lothar Pöhlitz – LCA 7/2007)

Bewegungsamplituden zu vergrößern verbessert die Gelenkbeweglichkeit

Gymnastik dient der Schwachstellenbeseitigung und beinhaltet aktiv-dynamisches und statisches Dehnen, Übungen zur Entwicklung der Gelenkbeweglichkeit und Spreizfähigkeit (Pendel- und Lockerungsübungen) und kraftstabilisierende Übungen kombiniert zur Vergrößerung der Flexibilität, zum Absenken der Muskelspannung und auch zur Förderung der Regenerationsfähigkeit. Die Anzahl der abwechselnd auszuwählenden Übungen vor bzw. auch nach dem Hauptteil der TE sollte auf jeweils 6-7 begrenzt, dafür besser 3-4 x wiederholt werden. Ihre Bedeutung nimmt mit dem Anspruch an die nachfolgende Trainingseinheit zu (Intensitäts-/ Qualitätseinheiten), so dass im Leistungstraining solchen Übungsprogrammen mindestens 3 – 4 x pro Woche (z.B. nach dem Aufwärmen + Lockerungsübungen, innerhalb der Konditions-gymnastik, im cool-down) eine große Bedeutung zukommt. Zu wünschen wäre, dass die Konzentration auf die Qualität der Übungsausführung hoch ist und auch „Verbesserungen“ zum Ziel hat.

Die Auswahl der Übungen erfolgt unter unterschiedlichen Aspekten, dabei ist eine Beratung mit Physiotherapeuten, Krankengymnasten bzw. auch Ärzten zu den individuellen Schwachstellen und Notwendigkeiten, immer hilfreich. Wer sein Beweglichkeitsprogramm zusammenstellt sollte sichern das die folgenden Gelenk-winkel Übungsziel sind:

Fußgelenke, Kniegelenke, Hüftgelenke, Schultergelenke

Also: bessere Leicht-Lauftechnik durch mehr Beweglichkeit

Das Ziel besteht in einer systematischen, allmählichen Vergrößerung der Bewegungsamplituden, der Beweglichkeit aller Gelenke

Besonders soll dabei auf die Muskeln im Bereich der Hüfte, des Beckens und der Füße hingewiesen werden, die in ihrer Wirkung für den Vortrieb – Streckbewegungen / Hüftgelenksbeweglichkeit, Kniehub, Abdruck, optimale Beckenposition – von Läufern oft unterschätzt werden. Natürlich sind die Übungen austauschbar. Beginne immer vorsichtig und steigere systematisch.

Mach Dir 2-3 Programme mit je 6 Übungen. Beziehe immer alle anatomisch beeinflussbaren Gelenke ein, variiere die Programme innerhalb der Woche und versuche die individuellen Bewegungsgrenzen hinauszu-schieben. Nimm Dir auch Zeit nach anstrengenden Gymnastikprogrammen für einige Entspannungs- bzw. Lockerungsübungen.

Übungsposition korrekt einnehmen – Spannung sanft aufbauen und von 90 zu 100 % hin steigern – Spannung 6-12 sec. halten – entspannen – Seite wechseln (bei normaler Atmung, nicht pressen, nicht „wippen“) – 3-4 x wiederholen – nächste Übung.

Übungen zur Verbesserung der Spreizfähigkeit können gut durch leichte Gewichtsmanschetten an den „Hebelenden“ (Arme, Beine) in ihrer Wirkung verstärkt werden.

Die Trainer geben für den Einzelnen das Ziel der Bewegungsweite vor, was aktuell zu erarbeiten ist – vor dem Hauptteil der TE oder in der Konditionsgymnastik oder in TE im Zusammenhang mit Dauerläufen. Tests über die Fortschritte in den Bewegungsamplituden animieren die Sportler zu größerer Anstrengungsbereitschaft.

Lothar Pöhlitz


*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971-1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf/Gehen im DVfL / 1980 – 1998 DLV- Bundestrainer i. R. / Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjährig Dozent an der Trainerakademie Köln und DLV-Trainerschule / seit 2006 Leichtathletik Coaching-Academy

 

 

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