Günter Herburger - Foto: Privat
Lange Texte als Schriftsteller und lange Strecken als Läufer … Zum Tod von Günter Herburger, der mit 86 Jahren verstorben ist
Günter Herburger ist am 3. Mai 2018 im Alter von 86 Jahren nach einem Unfall in seiner Wahlheimatstadt Berlin gestorben.
Der am 6. April 1932 in Isny im württembergischen Allgäu geborene Schriftsteller und Läufer war auf zwei Spielfeldern gleichsam zu Hause: drinnen in langen Texten und draußen auf langen Strecken – mehr noch: Es gibt nicht viele deutschsprachige Schriftsteller der Gegenwart, deren Werk direkt mit sportlicher Aktivität in Verbindung gebracht werdenkann: Günter Herburger gilt als „Marathonläufer unter den Schriftstellern“ (Neue Züricher Zeitung).
Und Günter Herburger gilt als Erfinder und damit als „Vater“ der literarischen Laufbewegung. Der Marathonmann Herburger schrieb über seinen eigenen lange Jahre aktiv betriebenen, aber erst im Alter von 50 Jahren entdeckten Sport: den Langstreckenlauf mit Distanzen auch über den Marathon hinaus.
Dabei brachte Herburger es auf eine respektable Bestzeit (damals noch ohne real-time-chip) von 3:04:42 Std. über die Distanz von 42,195 km bei einem Marathon in Berlin in den 1980 Jahren.
Seine Lauferfahrungen hat er seitdem in mehreren Büchern verarbeitet. In Läuferkreisen weit verbreitet und von der Literaturkritik als ein „faszinierender Lebens-Lauf“ gewürdigt und stets hoch gelobt wurde seine Triologie mit den Bänden „Lauf und Wahn“ (Frankfurt 1988), „Traum und Bahn“ (München 1994) sowie „Schlaf und Strecke“ (München 2004).
Günter Herburger, der Sohn eines Tierarztes, war ein athletischer Dichter und ein dichtender Athlet zugleich.
Er lebte und liebte die strukturelle Ähnlichkeit von Laufen und Schreiben mit langen Strecken auf der Straße und am Schreibtisch: „Ich habe festgestellt, dass ein Marathon etwa dieselbe Dramaturgie wie ein Roman beinhaltet: Aufbau, Krisen, Verwerfungen, ekstatisches Glück, dann auch Öde, Stumpfsinn“.
Das literarische Lebenswerk von Günter Herburger umfasst über 50 Bücher, Hörspiele und Filmdrehbücher, darunter auch die bei Kindern seinerzeit sehr beliebten „Birnebücher“. Für sein Schaffen erhielt Herburger, der in München und Paris Sanskrit, Philosophie und Theaterwissenschaften (ohne Abschluss) studiert hatte, mehrere Auszeichnungen, darunter 1991 den Peter-Huchel-Preis und zusammen mit Günter Wallraff 1979 den Gerrit-Engelke-Preis. Er war Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, gehörte einst zu der Gruppe 47 und war als Erzähler der Gruppe der sog. „Neuen Realisten“ zugehörig.
Im Jahre 1998 hielt Günter Herburger, damals noch in München lebend, eine Einladung des Renndirektors Horst Milde, die Laudatio zum 25. Jubiläum des Berlin-Marathons im Roten Rathaus von Berlin zu halten.
Herburger verblüffte die rund 300 geladenen Gäste, darunter auch Manfred von Richthofen als Präsident des Deutschen Sportbundes, zuerst durch eine inspirierende Rede, sodann dadurch, dass er den abschließenden Beifall des Publikums auf einer vorher unter dem Rednerpult deponierten Kamera festhielt, bevor er sofort danach im Foyer erst mal zusammen mit seinem Sohn eine rauchen ging – mehr noch:
Als Honorar erhielt Herburger u.a. einen Freistart vom Veranstalter für den 25. Berlin-Marathon, bei dem der Brasilianer Ronaldo da Costa am 20. September 1998 den ersten Weltrekord bei einem Marathon in Berlin lief (2:06:05).
Herburger war da schon wieder auf dem Rückweg nach München. Er ließ sich zwar noch mit einem Taxi vom Athletenhotel zum Start bringen. Doch dann, so lesen wir in „Schlaf und Strecke“ auf Seite 207, geschah dies: „Plötzlich im Tiergarten auf der Straße des 17. Juni, wo 25.000 Läufer und Läuferinnen, auch 1.600 Skater sowie 200 Hochgeschwindigkeitsrollwagenartisten sich drängten, überfiel mich wie früher vernichtende Panik mit Herzrasen und Erstickungsangst, so dass ich mich zu den Gepäckwagen durchwühlte, meine nummerierte Tasche zurückforderte, mich umzog und zum Flughafen fuhr, wo ich mich auf sämtliche Wartelisten des Vormittags setzen ließ“.
Günter Herburger war als Autor mehrfach zu Gast beim Berliner Literatur-Marathon – zum 30. im September dieses Jahres in der Kunstfabrik „Schlot“ sollte er sogar als Ehrengast eingeladen werden. Sein Platz bleibt frei. Mit seinen wunderbaren Texten laufen wir weiter …
Prof. Detlef Kuhlmann