Tempel in Japan - Foto: Horst Milde
Läufer auf das Olympia–Klima in Tokyo 2020 optimal vorbereiten – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy
Wer in Tokyo 2020 erfolgreich sein will muss mehr tun um schnell zu laufen.
© Lothar Pöhlitz* – Juli 2019 – Im Mittel-, Langstrecken- und Marathonlauf können das Klima, außergewöhnliche, ungewohnte Außentemperaturen, die Sonneneinstrahlung, Ozon, der Wind und die Luftfeuchtigkeit bei Wettkampfhöhepunkten wie EM, WM oder OS einen großen, vor allem negativen Einfluss auf die Laufleistungen haben.
Nun finden die Spiele der XXXII. Olympiade vom 24. Juli bis zum 9. August 2020 – in Tokyo statt und man weiß natürlich heute noch nicht welche Bedingungen am Wettkampftag herrschen werden, auch wenn die Starts auf der Straße morgens früh stattfinden: Bei evtl. auch hoher Luftfeuchtigkeit um die 30° C.
Das Thermometer steigt dort auch schon mal bis auf über 37 Grad; zudem ist es feucht, sehr feucht. Es wurden Luftfeuchtigkeiten um 70 % vorausgesagt. Der japanische Sommer war schon immer heiß. Doch in den vergangenen Jahren hat sich das Klima noch verschärft. Die Hitze setzt zudem immer früher ein, manchmal schon Anfang Juli.
Auch darauf muss man vorbereitet sein.
Das bedeutet für alle Bahndisziplinen, besonders aber für die 10000m- und den Marathon sich auf die Rennen in Tokyo 2020, wenn auch die Marathon-Startzeiten für 6 Uhr morgens neu festgelegt wurden, sich auf ein solches Sommerklima längerfristig, als auch kurzfristig konzentriert, unter Einbeziehung von leistungssporterfahrenen Fachärzten –vorzubereiten.
Fotos: Pöhlitz / Ayadi
Die „Abwehrkräfte“, das Laufen bei Hitze, kann man trainieren.
Der Organismus kann sich in fünf bis zehn Tagen an Hitze akklimatisieren. Bei diesem Anpassungsvorgang wird die Körperkerntemperatur gesenkt, die Durchblutung der Haut gesteigert und die Schweißdrüsen aktiviert bzw. so „programmiert“, dass sie weniger Mineralien nach außen abgeben. Der Schweiß wird dünnflüssiger. Der Akklimatisierte schwitzt gewollt früher und effizienter. Die Verdunstung des Schweißes führt so zu einer wirksamen Abkühlung. So kann der Leistungsverlust von Ausdauersportlern, bei den in Tokyo zu erwartendem Klima, reduziert werden.
Praxiserfahrung ist, dass sowohl eine längerfristige, als auch eine kurzfristige intensive Anpassung in 5-10 Tagen hilfreich sind. Allerdings ist ein wirksames Training bei Hitze auch typabhängig (hellere und dunkle Typen). Es ist individuell und genetisch vorgegeben, also erblich, wie der Organismus auf Außentemperaturen reagiert. Die „Abwehrkräfte“, das Laufen bei Hitze, kann man trainieren.
„Bei einer Körperkerntemperatur um 40 °C – thermischen Stresses – stieß man auf sogenannte Hitzeschockproteine (HSP). Die Fähigkeit zur Bildung von HSP scheint individuell und ist die Voraussetzung, Hitze zu vertragen. Personen, die reichlich oder frühzeitig HSP bilden können, sind wahrscheinlich die „Hitzeverträglicheren“ “ (Georg Neumann 1999)
- Längerfristig baut man ein Dauerlauftraining, sowohl in den Streckenlängen, als auch in den Geschwindigkeiten unter wärmeren Bedingungen (ab 20 Grad C ansteigend) und Sonneneinstrahlung auf. Ziel ist sich an Laufen unter Wärme zu gewöhnen, die Körpertemperatur und Herzfrequenzen zu senken, die Schweißproduktion zu aktivieren und damit auch das Gehirn zu programmieren.
Trainiere also möglichst früh im Jahr ab und zu auch in der Sonne und lehre deinen Organismus mit den immer höheren Temperaturen ohne Extreme umzugehen. Diese Fähigkeit muss aber jährlich immer wieder aufgefrischt werden, man kann sie aus dem Vorjahr nicht „mitnehmen“.
Dabei wird zu oft, vor allem im Höhentraining, die Gefahr von Lichtschäden, aus denen sich später nicht so selten Krebs entwickeln kann, unterschätzt. Während, vor und nach dem Training, der Wettkämpfe oder auch beim „beliebten“ Sonnenbaden (Oberkörperfrei) also ausreichend schützen. Aber auch einmal darüber nachdenken, dass später einmal „Lichtschäden“ auf „Jede(n)“ zukommen können. Besonders im Gesicht sind sie sehr unangenehm.
- Das Ziel muss sein früher zu schwitzen, um dadurch früher eine wirksame Abkühlung zu erreichen. Das ist der wirksamste Mechanismus für die Abkühlung bzw. Wärmeabgabe. Schwitzen kann bis zu 80 % der Körper-wärme drücken.
- Ein passiver Hitzeaufenthalt erhöht zwar spontan Schweißabsonderung und Hautdurchblutung, verändert aber die zentralen Mechanismen der Steuerung der Körperabkühlung, der Wärmebildung, des Wärmetransports und der Wärmeabgabe nicht.
- Um sich wirksam zu akklimatisieren, muss man seine Körperkerntemperatur auf 39°C bringen. Das geschieht durch Muskel-Arbeitsbelastungen bei Außentemperaturen um oder über 30°C. Der Hitzestress muss drei bis vier Tage dauern, damit die Schweißdrüsen empfindlicher werden und pro Zeiteinheit mehr Schweiß abgeben. Als Mindestbelastung wird dabei ein tägliches Training von 60 bis 120 Minuten bei Hitze empfohlen.
- Erfahrungsgemäß ist die Anpassung der beteiligten Systeme (Zunahme der Schweißabsonderung, Abnahme von Kerntemperatur, Herzfrequenz und Sauerstoffverbrauch) bei Leistungssportlern nach fünf Tagen moderaten Trainings im Wesentlichen eingeleitet und nach sieben bis zehn Tagen erreicht.
- Die Vorbereitung auf solche Schwerpunktphasen der Hitzeakklimatisation kann langfristig vorbereitet, durch hin und wieder längere mittlere Dauerläufe jenseits der 20 Grad C oder auch durch Sauna- oder Klimakammeraufenthalte, unterstützt werden.
- Während eines solchen Trainings oder Wettkampfes muss regelmäßig und reichlich Flüssigkeit aufgenommen werden, um das Ansteigen der Körperkerntemperatur zu verzögern und „Überhitzungen“ zu verhindern. Lösungen mit leistungsfördernden Zusätzen, wie z.B. Glukose sind zu bevorzugen, aber auch zu testen. Da bei Hitze die Schweißbildung höher ist als die Wasseraufnahme, sollte – vor allem vor Langstrecken – bereits 15 Minuten vor Beginn der Belastung mit der Flüssigkeitsaufnahme begonnen und während der Belastung aller 15 Minuten aus mitgeführten kleinen Flaschen getrunken werden. Beim Marathon und Gehen sollte zusätzlich 0,3 bis 1 Gramm pro Liter Kochsalz der Flüssigkeit zugesetzt werden, aber nicht ohne es individuell im Vorfeld getestet zu haben.
- Um sich für die Hitze-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in Tokyo zu akklimatisieren, sollte man mindestens zehn Tage vorher anreisen.
- Vor dem Wettkampf sollte man sich so lange wie möglich in einem kühlen Raum oder Schatten aufhalten, da mit der Dauer der Erwärmung des Körpers auch die Kerntemperatur steigt. Während der Belastung sind, wenn möglich, Kopf, Oberkörper und Arme mit reichlich Wasser zu begießen, helle Kleidung zu tragen und im Marathon eine Kopfbedeckung zu tragen, die eine Wärmeabstrahlung vom Kopf ermöglicht. Also eine leichte, weiße Mütze mit Löchern zur Ableitung der Wärme und als Zugang zur kühlenden Luft. Auch die Nutzung von nassen oder auch „gefrorenen Schwämmen“ zum abreiben im Training und in den Langzeitausdauerdisziplinen kann helfen.
- Eigene Erfahrungen lassen für den Marathonlauf den Schluss zu das bei Außentemperaturen ab 25-27 Grad C, natürlich von der sportlichen Form / Niveau abhängig, mit bis 6-8 Minuten Leistungsverlust zu rechnen ist.
Bei a l l e n 5 km Punkten die Flasche nicht verpassen – Foto: Lothar Pöhlitz
Sportmedizinische Erfahrungen zum Akklimatisationstraining
- Am besten individuell vorher testen
- Während der Belastung frühzeitig trinken, reichliche Flüssigkeitsaufnahme vor der Trainingsbelastung
- Bei Belastungen über 60 Minuten Dauer zusätzlich zu den Elektrolyten 5- bis 8 %ige Kohlenhydratlösungen testen
- Nach Belastungsende sofort Elektrolyt- und Kohlenhydrataufnahme
- Ausdauerbelastungen mit geringer Intensität (weniger als 70 %) ausführen; aerobes Grundlagentraining bevorzugen; deutliche Intensivitätsverminderung bei Langzeitbelastungen; intensive Belastungsformen verkürzen
- Kontrolle der Herz-Kreislauf-Belastung über Herzfrequenzmessung
- Temperaturangepasste Bekleidung wählen (Netzhemden, Mützen) (Prof. Dr. Georg Neumann 1999)
Mit Eiswürfel-Beuteln einreiben
So richtig scheint sich vor Ort in Tokyo niemand an der Hitze zu stören. Viele Tausend wedeln mit ihren Fächern, tragen Baseball-Mützen oder Strohhüte und feuchte Handtücher im Nacken. Und ständig kommen Getränkeverkäuferinnen vorbei. Vorsicht, es fließt auch viel Bier. Auch Beutel mit Eiswürfeln werden verkauft, mit denen man sich einreibt. Oder man lutscht sie.
Achtung Straßen werden gekühlt, eine neue Erfahrung
Die Stadt Tokyo hat ein spezielles Spray entwickeln lassen. Mit Nano-Partikeln, die Hitze und UV-Strahlen reflektieren und so die Temperatur verringern sollen. Bis zu hundert Kilometer Straße und einige Stadien sollen damit gekühlt werden. Man setzt auch auf neue Straßenbeläge. Sie sollen ebenfalls kühlend wirken. Es ist ja nicht so, dass man sich keine Gedanken macht.
Erst bei Temperaturen über 30°C beginnt der Anpassungsvorgang des Organismus, den man Akklimatisation nennt. Der Aufenthalt in warmen Klimazonen, noch dazu in klimatisierten Räumen, löst noch keine Hitzeakklimatisation aus. In Ruhe oder bei nur mäßiger Bewegung, auch über längere Zeit, kann sich der Organismus nicht wirklich an die Wärme z. B. in den Tropen anpassen, weil der Anstieg der Körperkerntemperatur als der entscheidende Reiz zur Akklimatisation fehlt.
Der passive Hitzeaufenthalt erhöht zwar spontan Schweißabsonderung und Hautdurchblutung, verändert aber noch nicht die zentralen Mechanismen der Steuerung der Körperabkühlung, der Wärmebildung, des Wärmetransports und der Wärmeabgabe. Erst eine sportliche Ausdauerbelastung oder die Belastung bei Hitze senken die Kerntemperaturschwelle und geben den Impuls dafür, dass sich die Hautgefäße erweitern und die Schweißbildung beginnen kann. Man nennt diesen Moment den sogenannten „Set-Point“ für die Temperaturregelung. Dieser wird bei der Akklimatisation herabgesetzt.
Der Hitzestress muss drei bis vier Tage dauern, damit die Schweißdrüsen empfindlicher werden und pro Zeiteinheit mehr Schweiß abgeben. Dieser Schweiß wird in den sich vergrößernden Schweißdrüsen immer mineralstoffärmer, der Kochsalzgehalt geht auf ein Drittel zurück. Die gewünschte Folge davon ist, dass mehr Schweiß bei geringerer Kerntemperatur abgegeben werden kann und die Hautoberfläche besser gekühlt wird.
Ausdauertrainierte kommen mit Hitze eindeutig besser zurecht als Untrainierte, da Ausdauerbelastungen physiologisch gesehen bereits eine milde Hitzeakklimatisation sind.
F A Z I T
„Der Organismus kann sich in 5 bis 10 Tagen an Hitze akklimatisieren, wenn die Köperkerntemperatur beim Training auf 40 Grad C ansteigt. Die durch Hitzetraining ausgelöste Akklimatisation zeichnet sich durch erniedrigte Körperkerntemperatur, geringeren Kochsalzgehalt im Schweiß, abnehmende Herzfrequenz sowie Zunahme des Plasmavolumens und der Schweißbildungsrate aus.
Das vorbereitende Ausdauertraining bei Sonne ist bereits ein mildes Hitzetraining. Hypohydratation fördert die Hitzespeicherung und vermindert die Ausdauerleistungsfähigkeit. Die Flüssigkeits- und Kohlenhydrataufnahme während der Belastung erhöhen die Leistungsfähigkeit und mindern den psychophysischen Anstrengungsgrad. Die Dehydratation erschwert die Wämeabgabe und behindert die Leistungsfähigkeit bei Hitze“ (Georg Neumann 1999“)
Lothar Pöhlitz
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*Lothar Pöhlitz – seit 1957 Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971- 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf / Gehen beim DVfL / DLV-Bundes-trainer 1980 – 1998 i. R. / Teamleiter Marathon / Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule / seit 2006 Leichtathletik Coaching-Academy
Siehe auch unsere GRR-Beiträge von Brett Larner direkt aus Japan:
https://germanroadraces.de/?p=105014
https://germanroadraces.de/?p=105450
https://germanroadraces.de/?p=105823
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