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10
2020

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Kannibalisierung unter Laufveranstaltungen – Dr. Hans-Georg Kremer

By GRR 0

Führt die Verlegung von Laufveranstaltungen vom Frühjahr auf den Herbst zur „Kannibalisierung“ von Läufen?

Bei der Vorbereitung und Durchführung von Laufveranstaltungen stehen aktuell alle Organisatoren vor der Frage, wie sie weiter planen sollen. Mehrheitlich lässt sich die Tendenz erkennen, dass die meisten Veranstalter ihren Lauf um ein Jahr verschieben und etwa zeitgleich 2021 anbieten wollen. Bei einigen wird aber auch die Frage diskutiert, ob man nicht einfach in den Herbst geht, in der Hoffnung, dass dann wieder organisierte Läufe möglich sind.

Als am 24. März 2020 Horst Milde und der Vorstand vom Verein German Road Races in einem Kommentar dazu auf ihrer Homepage auf die Probleme der Laufveranstalter durch die „Corona-Krise“ aufmerksam machten, tauchte in der Öffentlichkeit der Begriff der Kannibalisierung auf. Horst Milde, bekannt als langjähriger Chef vom Berlin-Marathon schrieb: „German Road Races verurteilt das Verschieben der Veranstaltungen in den Herbst. Denn dort gibt es traditionell schon ein großes Laufsportangebot. Diese Herbstveranstaltungen werden damit jetzt ebenso geschädigt und verlieren Teilnehmer, das ist unkollegial und unsolidarisch. Letztlich bedeutet dies einen „Kannibalisierungseffekt“ unter den Kollegen der Laufsportveranstalter und sollte unbedingt vermieden werden!“

Auf den Ursprung des Begriffs der Kannibalisierung soll hier nicht eingegangen werden aber in den Wirtschaftswissenschaften ist er gebräuchlich und wird u. a. so erklärt:Kannibalisierung ist ein Effekt, der eintritt, wenn ein Unternehmen sein eigenes Angebot beispielsweise durch Niedrigpreise mit sich selbst in Konkurrenz setzt. Dies kann beispielsweise durch die gleichzeitige Lancierung einer Billig- und einer Premiumlinie geschehen, wenn keine bzw. geringe Qualitäts- oder Ausstattungsunterschiede vorgenommen werden.“

Auch im Laufsport gab es vor Jahren schon einmal so eine Diskussion, als Veranstalter, besonders im Marathonbereich, wegen sinkender Starterzahlen Halbmarathons oder andere kürzere Strecken mit ins Angebot nahmen. Im Internet findet man ein Beispiel zum Köln-Marathon, der durch die Einführung einer Halbmarathon-Strecke die Teilnehmerzahlen beim „Kerngeschäft“, dem Marathon, negativ beeinflusst haben soll. Von ähnlichen Tendenzen wurde vor Jahren auch bei anderen Veranstaltungen gesprochen.

Auf jeden Fall hatte der Köln-Marathon schon im März dieses Jahres starke Bedenken, dass bei Verschiebungen von anderen großen Läufen vom Frühjahr in den Herbst, der Kannibalisierungseffekt sowohl traditionell im Herbst stattfindender Laufveranstaltungen als auch der Läufe, die ihren Termin vom Frühjahr in den Herbst verschieben, sich negativ auswirken könnte.

Genau vor der Frage, ob man den traditionsreichen Lauf auf den Herbst verschieben solle, stand auch der GutsMuths-Rennsteiglauf im März, als die Pandemie noch in der Anfangsphase steckte.

Am 20 April 2020  veröffentlichten dann die Organisatoren in einer Pressemitteilung, dass der 48. GutsMuths-Rennsteiglauf am 16. Mai abgesagt und auf den 8. Mai 2021 verschoben wird. In der entsprechenden Presseinformation kann man u. a. lesen: „Wir haben die Entwicklung der Verbreitung des Corona-Virus und der Maßnahmen von Politik und Behörden in den vergangenen Tagen intensiv verfolgt und besprochen. Da die Ausbreitung der Pandemie in rasantem Tempo erfolgt und nicht abzusehen ist, wann eine Entspannung der Situation eintreten wird, haben wir die Entscheidung zur Absage des 48. GutsMuths-Rennsteiglaufs schweren Herzens getroffen“, so Jürgen Lange, Präsident des GMRL-Vereins.

„Für die Absage mitentscheidend war, dass die Absicherung des Laufes mit medizinischem Personal nicht garantiert werden kann, da es in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern unabkömmlich ist. Die Infektionsgefahr für alle Beteiligten (Teilnehmer, Helfer, Dienstleister, Partner und partizipierende Unternehmen) wird mutmaßlich auch noch im Mai hoch sein. Diesem Risiko sollten wir aus Gründen der Fürsorge niemanden ohne Not aussetzen“, so der Präsident weiter…Eine Verschiebung des 48. Rennsteiglaufs um einige Monate wurde verworfen. Der Terminkalender für die großen Läufe ist im Herbst ohnedies eng gestrickt und beruht auch auf Absprachen der Veranstalter untereinander. Der GutsMuths-Rennsteiglauf will solidarisch agieren, den anderen Läufen keine Teilnehmer wegnehmen. Dies ist auch im Sinne der Läufer, die sich dann nicht zwischen mehreren Angeboten an einem

Wochenende entscheiden müssen.“

Auf das Problem, was mit den über 15.000 Anmeldungen passieren wird, die in der Geschäftsstelle der Rennsteiglauf Sportmanagement & Touristik GmbH in Schmiedefeld schon vorlagen, passieren solle, reagierte die Veranstalter wie folgt: Allen Freunden des Kultlaufes auf dem Rennsteig, die sich bereits in die Teilnehmerlisten für 2020 eingetragen und die Startgebühren entrichtet haben wird folgende Verfahrensweise unterbreitet: Alle erhalten 50 Prozent ihrer Startgebühr zurück. Dies erfolgt per Rücküberweisung durch die Rennsteiglauf Sportmanagement & Touristik GmbH bis Ende April  2020                                                                                               Dr.  Hans-Georg Kremer – Foto: Horst Milde .

„Unseren ehrenamtlich helfenden Vereinen gehen mit der Absage des Laufes nicht unerhebliche finanzielle Mittel für ihre Vereinsarbeit für ein ganzes Jahr verloren, daher freuen wir uns, wenn aus den rückerstatteten Beträgen zu ihren Gunsten gespendet wird.“

Dieses Vorgehen wurde von der Mehrheit der Rennsteigläufer begrüßt, und eine Flutwelle von Spenden ging unmittelbar nach Bekanntwerden der Festlegungen ein. Viele, besonders Traditionsläuferinnen und Traditionsläufer, zu denen man sich ab 25 erfolgreichen Teilnahmen zählen kann, überwiesen deutlich höhere Spendenbeiträge als das anteilige Startgeld, welches sie zurückerhielten. Auch einige, die garnicht gemeldet hatten, waren darunter. Unterstützt wurde die Spendenaktion auch durch die drei noch lebenden Gründungläufer, Jens Wötzel, Wolf-Dieter Wolfram und Hans-Georg Kremer mit folgendem Aufruf:

„Der 48. GutsMuths Rennsteiglauf findet nun am 8. Mai 2021 statt, und wir sind dabei. Der GutsMuths Rennsteiglaufverein und die Rennsteiglauf Sportmanagement & Touristik GmbH  haben diese Entscheidung ausführlich begründet. Die Bitte der Organisatoren des GutsMuths Rennsteiglaufes, die zum Teil zurückgezahlte Startgebühr an den Verein zu spenden, wollen wir drei Gründungsläufer hiermit ausdrücklich unterstützen…Ohne die ehrenamtlichen Helfer der Vereine, die Jahr für Jahr an der Organisation des Laufes beteiligt sind, würde es den Rennsteiglauf nicht geben. Die gespendeten Gelder werden vom GutsMuths Rennsteiglaufverein an diese Vereine gegeben, um den Vereinsmitgliedern ein Teil dessen zurückzugeben was sie für den diesjährigen Lauf eingesetzt hatten.“

  1. Seit seiner Gründung im Jahre 1973 sehen sich die Rennsteiglauforganisatoren in einer Vorreiterrolle mit Vorbildcharakter für die gesamte Laufbewegung bis 1989 politisch bedingt im Osten Deutschlands. Das betraf sowohl die bis dahin völlig unbekannten organisatorischen Anforderungen an Sportgemeinschaften und Helfer, als auch die für die Teilnehmer wichtigen Trainingshinweise und gesundheitlichen Aspekte. Spätestens seit dem 3. Rennsteiglauf 1975, als die Anmeldezahlen die 1000 überstieg, wurde der GutsMuths-Rennsteiglauf ein Motor für die „Ultralaufbewegung“ in der DDR. Viele neue Veranstaltungen wurden von Rennsteigläufern gegründet, beginnend bei dem im Herbst als kleinen Bruder bezeichneten, zum Teil von den gleichen Initiatoren ins Leben gerufenen Jenaer Kernberglauf über den Kyffhäuser-Berglauf, die Harzquerung, den Zittauer-Gebirgslauf, bis hin zum Schweriner-Fünfseenlauf, um nur einige zu nennen.

Immer stimmten die Veranstalter sich untereinander und mit dem Rennsteiglauf terminlich ab, um sich keine Konkurrenz zu machen, heute würde man sagen um einen „Kannibalisierungseffekt“ zu vermeiden.

Heute geht es langfristig darum, die Laufveranstaltungen langfristig zu erhalten, da sie u. a. wichtig für die Motivation zum regelmäßigen ganzjährigem Training für viele Läuferinnen und Läufer sind.

Die wirtschaftlichen Verluste für viele Laufveranstalter sind immens. Zu einem geplanten Laufereignis gehören ein Jahr und mehr an Vorbereitung mit Kosten für Personal, Material und mehr. Die Suche nach Hilfen sollte daher koordiniert werden, denn kein Veranstalter und kein Organisator darf Pleite gehen!

Wir als potentielle Teilnehmer/-innen sollten dies aktiv unterstützen. Spenden und die „Treue“ zu unseren Läufen sind eine Möglichkeit der Hilfe.

Dr. Hans-Georg Kremer in: Ultramarathon, Bautzen 2020, Heft 2, S. 35-37

Dr. Hans-Georg Kremer
Ziegenhainer Str. 77
07749 Jena
Tel.: 03641-363094
WSV ProSeniores e.V.
Vorsitzender

Stiftungen Spitzberglauf/Rennsteiglauf
Bankverbindung Flessabank Jena DE90 7933 0111 0002 3303 65
und Seniorensport
Bankverbindung Flessabank Jena DE63 7933 0111 0002 3303 66
Treuhänderisch verwaltet durch die
Stiftung „Annedore – Lebenshilfe im Alter“ in Jena

RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer

„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!

Hier geht es zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe

Instagram: #SaveTheEvents – Rettet unsere Läufe

 

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https://germanroadraces.de/?p=154004

 

 

author: GRR