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01
10
2020

Symbolbild - Horst Milde

Julien Alaphilippe und Madame Rousse: Das neue Traumpaar der Grand Nation – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Vom liberalen Weltblatt L‘Monde bis hin zum konservativen L‘Figaro – Frankreichs Vorzeige-Presse bejubelte am Montag keinen politischen Coup, auch kein raffiniertes Handelsabkkommen, sondern einen 27jährigen Rad-Profi namens Julien Alaphlippe.

„Loulou“, wie die Franzosen ihren neuen Publikumsliebling getauft haben, hatte nach 23jähriger Pause im italienischen Imola endlich wieder die Weltmeisterschaft auf der Straße gewonnen – nach einem 17 Kilometer langen Solo „von epischer Schönheit“ (L‘Monde). 
Man bedenke: Jemand aus dem Lande der Tour de France, dem Lande des Radsport schlechthin, hatte sich zum „König der Welt gekrönt“ (L‘Equipe). Das war schon mehr als nur eine Schlagzeile wert. Noch dazu jemand, der mit Marion Rousse das aktuelle Traumpaar der Franzosen darstellt. Über das irgendwo irgend etwas zu lesen steht. Natürlich hatte der schmächtige junge Mann aus dem Loire-Tal in den letzt drei Jahren die Franzosen schon begeistert, wie kaum jemand vor ihm: Als Träger des Gelben Trikots der Tour, als Triumphator des italienischen Super-Klassikers Mailand-San Remo, vor allem aber als zweimaliger Gewinner des belgischen Fleche Wallonne, wo es die letzten drei Kilometer so steil bergan geht, dass die Begleit-Autos verrecken. 
Dieser 27jährige ist schon ein Ausnahme-Könner, „und natürlich kann er auch eine dreiwöchige Landes-Rundfahrt gewinnen, wenn wir das wollten“,  rückt sein belgischer Teamchef Tom Steels die radsportliche Wirklichkeit zurück. Was sogleich Marion Rousse, die Frau an Alaphilippis Seite („Wir sind seit dem 16. April offiziell ein Paar“, sagt sie), auf den Plan ruft. Denn Madame versteht viel vom Radsport, vielleicht sogar mehr, als ihr nun mit dem regenbogenfarbenen WM-Trikot geschmückter Partner. 
Marion Rousse saß nämlich schon mit sechs Jahren (!) im Rennsattel; 2012 holte sie sich die französische Meisterschaft, dann musste sie sich entscheiden: Radsport betreiben oder darüber berichten. Über Eurosport kam sie dann zum Pariser Vorzeige-Sender „France 2“, wo sie – während der Tour – im erlauchten „Velo-Club“ – inmitten männlicher Experten – als hervorragend informierte Journalistin das Interesse auf sich zieht. 
Als ausgerechnet die linke Tageszeitung L‘Humanité, einst das Kampfblatt der französischen Kommunisten, in einer unappetlichen Karikatur Madame Rousse und Monsieur Alaphilippe beim  „Interview“ unter der Bettdecke zeichnete, hagelte es Beschwerden über Beschwerden. Chefredaktion und Verlagsleitung entschuldigten sich öffentlich. Denn an dem Paar Rousse-Alaphilippe darf sich derzeit in Frankreich niemand vergreifen.
Schon vergleichen altgediente Fahrensmänner Alaphlippe mit den großen französischen Weltmeistern Bernard Hinault (1980) und Louison Bobet (1954). Wobei sich Hinault, der Bretone aus dem Nest Yffiniac, wie er meint, vor allem als fachkundiger Rinderzüchter hervor getan habe. Seine fünf Tour-Erfolge führt Bernard hingegen nicht oft ins Spiel.
Und sein längst verstorbener bretonischer Landsmann Louison Bobet? In der Tourismus-Zentrale seines Ortes Quiberon wurden wir Zeuge folgenden Gesprächs: Warum es in Quiberon überall einen Bobet-Platz, eine Bobt-Straße, ja, sogar ein Bobet-Ufer gäbe, begehrte die Dame aus Paris zu wissen?
Weil Louison Bobet ein großer Widerstandskämpfer gegen die Faschisten gewesen sei. Was durchaus stimmt: Im Rahmen seines Rennrades versteckt, schummelte er geheime Papiere der Resistance durchs Land. Hätten ihn die Deutschen erwischt, hätten sie ihn einen Kopf kürzer gemacht. Dass er dreimal die Tour de France in Folge gewonnen hat, verschwieg die Dame. War ja auch nicht so von Belang.
Nun also trägt wieder ein Franzose das WM-Trikot, „Loulou“, der Musikersohn aus dem Loire-Tal. Also dort lebend, wo uns Nicht-Franzosen Frankreich am französischsten zu sein scheint.

Voila!

 
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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