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16
07
2018

Abstinenz von Leichtathletikassen in heimischen Gefilden bedarf genauerer Betrachtung - Foto: LG Telis Regensburg

Ja, wo laufen sie denn, wo laufen sie denn … LG Telis Finanz Regensburg.

By GRR 0

 Abstinenz von Leichtathletikassen in heimischen Gefilden bedarf genauerer Betrachtung.

Regensburg, 15. Juli 2018 (orv) – „Ja, wo laufen sie denn, wo laufen sie denn …“ Jener Sketch von Komiker Wilhelm Bendow und Schauspieler Franz-Otto Krüger aus dem Jahre 1946 wurde erst so richtig bekannt, als Humorist Loriot die Szene auf der Rennbahn in seinem Zeichentrickfilm verwendete.

In unserer realen Leichtathletikwelt ist dies durchaus übertragbar auf die Laufasse der LG Telis Finanz Regensburg. London, Barcelona, Bellinzona, das weitgehend unbekannte polnische Goleniow liest man dann eher in der Zeitung als München, Amberg, Fürth oder Ingolstadt.

Das erzeugt Kritik, eher hinter vorgehaltener Hand als offen vorgetragen, und nicht selten hört man über drei Ecken, dass diese „Stars doch ein wenig arrogant seien“

Die Leistungen jener etwa zehn bis zwölf Athletinnen und Athleten bewegen sich nicht selten im Bereich der diesjährigen Europameisterschaftsnormen für Berlin. Vergleichsweise zu anderen Disziplinen sprechen wir dann von einem 100m Lauf in 10,25 beziehungsweise 11,35 Sekunden, einem Hochsprung von 2,26 beziehungsweise 1,90 Metern oder einem Speerwurf von 81,50 beziehungsweise 60 Metern jeweils für Männer beziehungsweise Frauen.

Während man in den schnellkräftigen Disziplinen durchaus öfter antreten kann, in den technischen Disziplinen nicht unbedingt den direkten Kontakt zum Gegner braucht, sind jene gescholtenen Sportler der „Blauen“, in den meisten Fällen als Langstreckler/Innen oder Marathonläufer/Innen unterwegs, verdammt, in nur wenigen Wettkämpfen ihr Bestes möglichst über der jeweiligen Norm für die jeweiligen internationalen Meisterschaften des jeweiligen Jahres zu bringen, was mangels entsprechend qualifizierter Wettkämpfe selbst in Deutschland sehr schwierig ist.

Keiner mag’s ihnen verdenken, wenn sie die wenigen anderen Wettkämpfe bei hauseigenen Veranstaltungen meist nur zu „Trainingszwecken“ benutzen, sogar sich herausnehmen, bei der eigenen Gala und Laufnacht meist nur als Tempomacher für die anderen aufzutreten.

Es mag auch daran liegen, auf weniger Wettkämpfe zu setzen, weil London, Barcelona oder Berlin nicht gerade um die Ecke liegen, mit erheblichen Reisestrapazen verbunden sind und am Wettkampfort außer Stadion und Teamhotel keine weiteren Attraktionen für persönliches Sightseeing möglich ist.

Letztendlich nehmen sie aber alles in Kauf, weil sie den Kick von großen Wettkämpfen für ihre ganz persönliche Höchstleistung brauchen und zu Hause einfach nur eines wollen: möglichst gezielt und umfangreich für ihre weiteren Ziele arbeiten. Wer sie dann auf der Trainingsbahn am Oberen Wöhrd zu Regensburg hautnah erlebt, wird keinerlei Arroganz im Auftreten erkennen.

Kein Adler strahlt vom Shirt, immer im Verbund mit den „Kleinen“, wie ihr Coach den Nachwuchs nennt, trainierend, rennen und arbeiten sie Woche für Woche ihr Pensum ab, das an manchen Wochen bis zu 14 Einheiten enthält, Physiotherapie und Arztbesuche noch nicht einmal eingerechnet. Die Jungen lernen von den Alten in Teilstücken, die richtigen Geschwindigkeiten zu laufen, die Alten umkreisen so die Bahn nicht ganz so einsam.

Zehnmal tausend Meter können verdammt anstrengend sein, wenn man dazwischen nur jeweils eine Minute Pause hat. Da ist man dann um jede Begleitung froh und zum Dank werden die Kleinen danach anerkennend abgeklatscht.

Allein der kleine, beschriebene Ablauf des großen Jahresablaufes lässt ahnen, dass Training auf diesem Niveau auch „Betreuer fressend“ ist. „Wenn du solche Leute trainieren willst, brauchst du neben Kompetenz und großer Einfühlsamkeit vor allem den Faktor Zeit. Du musst einfach da sein, wenn sie dich brauchen und zu Hause wird dann bis zu weiteren fünf bis sechs Stunden das Organisatorische für die Athleten bearbeitet“, sagt dazu Telis-Teamchef Kurt Ring, der die meisten der hier in Regensburg laufenden Schützlinge selbst mit bis zu fünf weiteren „Ehrenamtlichen“ rund um die Uhr, Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr betreut. „Dazu kommen noch einige Externe, wie 800m-Meister Beni Huber, der über viele Telefonate auch immer noch dazulernt. „Das ist nicht ideal, aber in Palling sitzt nun mal keiner, der Mittelstrecke auf diesem hohen Niveau beherrscht und unser Beni kann eben nur aus verschiedenen Gründen in Palling wohnen, trainieren und arbeiten.“

Wenn dann der eigene Nachwuchs auch schon in Karlsruhe oder Tübingen startet und eben nicht in Amberg, Ingolstadt oder Deggendorf, hat das einen ganz plausiblen Grund. Sie werden mit den „Großen“ so weit wie möglich mitgenommen, weil sie dort auch betreut werden können. „Jemanden zu finden, der unsere Tops übernimmt ist wohl leichter als einen Assistenztrainer anzulernen, der dann mit den Kleinen nach Amberg, Ingolstadt oder Deggendorf fährt.

Dass sich die LG Telis Finanz Regensburg nur noch mit wenigen Tops abgibt, ist auch eine jener Dolchstoßmethoden, die man gerne verwendet, um ein erfolgreiches Team madig zu machen. Für die fremden Betrachter mag zum Beispiel Miriam Dattke, inzwischen Junioren-Europameisterin über 5.000m und immer noch mit Möglichkeiten für einen Start bei der EM in Berlin behaftet, „eine gekaufte Athletin“ sein, die in Regensburg nicht groß gezogen wurde.

Dazu sagt ihr Coach: „Für uns war Miriam, als sie kam, eine kleine scheue Athletin, die auf Grund einer langwährenden Verletzung bereits aufhören wollte und für die wir der letzte Hoffnungsfunke zum Weitermachen waren. Finanziell wurde ihr nichts angeboten, außer, dass sie bei Studienbeginn an der Regensburger Uni im Athletenhaus wohnen konnte und die Benutzung des bereitstehenden Athleten-Kleinbusses viele Wege kürzer gemacht hat, also Zeit eingespart wurde.“

Wenn die ganz persönliche Infrastruktur passt, reifen sie über viele harte Jahre zur internationalen Güte, wie die Pflieger, Orths, Harrers, Kollers, Rengs, Kicks, Bochs oder Hubers. Einige davon sind sogar in Regensburg aufgewachsen und Coco Harrer ist siebzehn Jahre lang bis zur Olympiareife vom Trainergespann Kurt Ring und Doris Scheck in allen Lebenslagen betreut worden bis hin zum erfolgreichen Übergang ins Privatleben nach dem Leistungssport.

„Talente wachsen eben nicht auf den allernächsten Bäumen, schon gar nicht in Regensburg. Selbst dann, wenn so ein Talent körperlich Zeichen gibt, dass er das kann, muss er es auch wollen, mit allen Entbehrungen und Einschränkungen, die der Hochleistungssport neben Ruhm und Ehre mit sich bringt“, sagt dazu Telis-Teamchef Kurt Ring.

Telis-Teamchef Kurt Ring.- Foto: Horst Milde

Sichtbar ist das nicht immer. „Es hat einmal einer über mich gesagt: Der steht nur an der Bahn rum, hält sich an seiner Stoppuhr fest und tut sonst nichts“, berichtet der inzwischen im Rentneralter befindliche Coach weiter, „ das mag auf den ersten oberflächlichen Blick schon richtig sein, wenn man aber genauer dahinter schaut, stecken sechzig bis siebzig Stunden-Wochen mit Leidenschaft, aber auch großer Leidensfähigkeit dahinter.

Und – es steht jedem frei, es einfach nach- beziehungsweise besser zu machen.“

Quelle: orv – LG Telis Finanz Regensburg.

 

author: GRR