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30
06
2019

Die helfenden laufenden Frauen vom FU Hochschulsport mit der späteren Siegerin Mohamad K. aus der JVAF (rote Startnummer) - Horst Milde

„Im Knast läufts rund“ von Udo Möller in Laufmagazin SPIRIDON

By GRR 0

Ein Gefängnis sieht man natürlich am liebsten von außen, von weitem oder noch besser gar nicht.

Freiwillig begibt man sich nicht dorthin, höchstens am „Tag der Offenen Tür“, den es in vielen Justizvollzugsanstalten tatsächlich gibt, auch wenn diese Bezeichnung hier nicht einer gewissen Komik entbehrt.

Es liegt in der Natur der Sache, dass man mit einer Justizvollzugsanstalt (JVA) meist nur Negatives verbindet und die Öffentlichkeit nur davon hört, wenn irgendwelche Missstände aufgedeckt werden oder Gefangenen die Flucht gelungen ist.

JVAs sind aber keine „Verwahranstalten“, sie haben einen Resozialisierungsauftrag. Sie bilden aus, leiten an, zeigen Wege. Dazu gehört in vielen Anstalten auch Sport. Wegen der begrenzten Platzmöglichkeiten steht Laufen nun nicht an erster Stelle und doch gibt es in zahlreichen JVAs Laufprojekte.

Bundesweit das Bekannteste davon ist sicher das in der JVA Darmstadt. Seit 13 Jahren endet es jährlich mit dem „Darmstädter Knastmarathon“, bei dem Insassen und Gäste gemeinsam auf ei-ner Runde von rund 1750 Meter laufen. 2:38 h sind hier immerhin schon einmal erzielt worden. Auch andere Gefängnisse laden immer mal wieder zu offenen Laufveranstaltungen ein, Göttingen-Rosdorf oder Oldenburg zum Beispiel.

Allen gemeinsam ist aber: Meist sind diese Veranstaltungen nicht langlebig. Der organisatorische Aufwand ist hoch, es gibt immer wieder Sicherheitsbedenken, nicht selten auch Kritik.

Und doch sind solche Läufe für Vollzugsanstalten die sich nicht so häufig bietende Möglichkeit, ihre Arbeit einmal zu präsentieren und positive Nachrichten zu liefern.

Auch die JVA Berlin-Plötzensee, zuletzt 2018 nach mehreren Gefangenen-Ausbrüchen in den Schlag-zeilen, nutzt diese Gelegenheit. Seit 2012 gibt es dort Laufangebote für Insassen und im April fand bereits zum 5 Mal der „Berliner 10-km Lauf für Gefangene“ statt und damit beweist man schon eine gewisse Ausdauer.

Maßgeblich unterstützt wird die Veranstaltung vom Verein German Road Races (GRR) und von Horst Milde, dem „Vater“ des Berlin-Marathons. Ausgerechnet an diesem Tag legten die Berliner Taxifahrer mit einer Demonstration den Verkehr in der Hauptstadt lahm, Transporte mit angemeldeten Teilnehmern anderer JVAs hatten daher ihre liebe Not nach Plötzensee zu gelangen. Manchmal ist es doch nicht so einfach, ins Gefängnis zu kommen.

Die Läufer auf dem Weg zur Jugendstrafanstalt in Plötzensee – Foto: Horst Milde

Zugelassen waren auch einige externe Teilnehmer sowie Journalisten. Gemeinsam absolvierte man auf einer – amtlich vermessen – 1.000 Meter Runde 10 km. Viel Beton, Mauern, Stacheldraht, ein Sportplatz, nüchterne Gebäude. Für „Gäste“ ist hier eher die Atmosphäre aufregend und ungewöhnlich. Vermissen muss man aber nichts. Es gibt Verpflegung, eine „hauseigene“ Live-Band und Moderation. Die Streckenposten, Justizwachtmeister, sahen anders aus als sonst und der Ausblick war eingeschränkt – die Stimmung jedoch bestens.

Und auch die Ergebnisliste gab dann weniger preis als üblich. Es siegte Pascal G. in 40:06 min vor Jamal E. in 40:25 min, beide aus der Jugendstrafanstalt.

Aus dem gegenüberliegenden Frauengefängnis kam Mohamad K., in 49:34 min Siegerin bei den Frauen.

Externe Läufer waren vorher gebeten worden sich höflich zurückzuhalten. Was sie auch taten, viele bildeten Laufgruppen und zogen den einen oder anderen nicht ganz so fitten internen Starter buchstäblich über die Runden.

60 Finisher wurden verzeichnet, natürlich gab es auch eine Siegerehrung, Urkunden und Pokale.

„Sport ist ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Resozialisierung. Das Laufen bietet nicht nur eine Gelegenheit, das eigene Verhalten zu reflektieren, sondern auch die Chance, durch eigene Leistung Anerkennung und Erfolge zu erfahren“, so Berlins Justizsenator Dr. Dirk Behrendt zu dieser Veranstaltung.

Einige Teilnehmer stimmten anschließend „So sehen Sieger aus“ an – was man in einer JVA vermutlich auch nicht so häufig hört und unterstrichen damit die Worte des Senators durchaus.

 Udo Möller in Laufmagazin SPIRIDON – 6/Juni 2019

Laufmagazin SPIRIDON

 

author: GRR