Hat sich für die EM in München eigentlich einiges vorgenommen: Weitspringerin Malaika Mihambo - 2019 World Outdoor Championships Doha, Qatar Sept27-Oct 06, 2019 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com
„Ich muss raus aus Oftersheim“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo über den Wert des Titelgewinns für ihren inneren Weg, den Traum von Amerika und den Auftrag der eigenen Vorbildfunktion.
Ist es schwer, ein Star zu sein?
Die Frage hatte ich heute noch nicht. Sie ist lustig.
Sie lachen und bestreiten es nicht. Sind Sie bekannt genug, um ein Star zu sein?
Das ist nur ein Nebeneffekt. Vor allem geht es um Leistung im Sport. Danach kommen Aufmerksamkeit und Ruhm. Für mich geht es auch um den inneren Weg. Man setzt sich Ziele, wächst an den Herausforderungen und lernt auf vielen Ebenen. Das ist die Hauptsache am Sport.
Sind Ruhm und Bekanntheit angenehm, oder versuchen ständig andere Leute, einen Teil von Ihnen wegzunehmen?
Manchmal erlebe ich zu viele Ansprüche. Aber meistens ist es schön. Die Menschen lächeln freundlich und anerkennend, und manche sagen auch: Glückwunsch! Das beflügelt.
Was war die Botschaft des spektakulären goldenen Kleides, das Sie bei der Ehrung zur Sportlerin des Jahres getragen haben?
Es stand für das, was ich in meiner Karriere bisher erreicht habe, mit dem Höhepunkt der Weltmeisterschaft 2019 in Doha. Dieses Kleid habe ich mir erarbeitet.
Welcher Modemacher hat Sie ausgestattet?
Keiner. Ich habe mir das Kleid online ausgesucht, bestellt, und es passte und gefiel mir. Bei einigen Fernsehauftritten durfte ich mir kürzlich ein paar Outfits aussuchen. Mode ist ein Weg, sich und seine Gefühle auszudrücken. Wie Musik.
Sie haben sich verändert. Können Sie beschreiben, was man nicht sieht?
Ich habe sehr viel Bewusstsein gewonnen. Nicht im herkömmlichen Sinne, sondern buchstäblich: sich seiner selbst bewusst sein. Daraus erwächst eine Sicherheit, die viel Kraft gibt, gerade in diesem turbulenten Jahr. Das hat mir geholfen, mit der Situation umzugehen, und es hat mich gefordert, mich weiter in die Richtung zu entwickeln. Ich beobachte, welche Gedanken und Verhaltensmuster mich weiterbringen und welche nicht. Die einen greife ich auf, die anderen versuche ich, hinter mir zu lassen.
Ist der gravierendste Schritt die Trennung von Ralf Weber, mit dem Sie zusammengearbeitet haben, seit Sie elf Jahre alt waren?
Ich habe schon lange gemerkt, dass ich neue Impulse brauche, dass ich aus Oftersheim raus muss und meinen Sport in einem anderen Kontext machen will. Das war ein Reifeprozess. Mein Trainer hat gleichzeitig gemerkt, dass andere Dinge von ihm größere Aufmerksamkeit verlangen. Er hat aus privaten Gründen aufgehört und seine Trainertätigkeit komplett niedergelegt. So gab es keinen Weg zurück . . .
. . . als Ihr Weg zunächst doch nicht zu Carl Lewis nach Houston geführt hat.
Ich blicke mit viel Dankbarkeit zurück auf die Zeit, die wir zusammen hatten. Ich bin sehr behutsam an den Leistungssport geführt worden, wurde in der Jugend nicht verheizt und habe viel gelernt.
Wird der Weg nach Houston ein Weg in die Anonymität sein?
In einer so großen Stadt ist das Leben sicher anders als im beschaulichen Oftersheim. Aber da es für mich um Sport geht und die mentale Leistung dahinter, ist das etwas, mit dem ich sehr gut leben kann.
Wird Carl Lewis Ihren Auftritten einen Glamour-Faktor geben?
Das wird sich zeigen, wie glamourös die Arbeit in Houston ist. Wir haben über den Sport hinaus viele Gemeinsamkeiten. Das ist sehr inspirierend. Aber vor allem war er, genauso wie Leroy Burrell, ein herausragender Athlet und viel erfolgreicher, als ich es bin.
Carl Lewis ist neunmal Olympiasieger geworden.
Von ihm kann ich als Athletin viel lernen. Aus dem Austausch mit ehemaligen Athleten kann man sehr viel mitnehmen. Ich werde meinen eigenen Weg gehen, aber ich kann von anderen viel mitnehmen. Das weiß ich zu schätzen. Ziel ist es, so lange wie möglich körperlich fit zu sein und den Leistungssport genießen zu können. Wir setzen auf Schnelligkeit und setzen die Sprungbelastung schonend und ökonomisch ein.
Olympia ist verschoben, Reisen eingeschränkt. Sind Sie ungeduldig?
Nein. Die Situation in den USA ist dramatisch. Sobald es möglich ist, rüberzugehen, freue ich mich drauf, dies zu tun. Gerade erlebe ich, dass ich in Deutschland gut aufgehoben bin.
Bei Bundestrainer Uli Kunst in Saarbrücken.
Das gibt mir die Gewissheit, dass ich jederzeit zurückkommen kann, wenn es mir doch nicht zusagen sollte in Amerika. Außerdem ist es von Anfang an geplant gewesen, dass ich auch mehrere Monate im Jahr hier in Deutschland trainiere.
Was erwarten Sie sich vom Land?
Vieles. Ich will mich sprachlich weiterentwickeln. Der Anteil der spanischsprachigen Bevölkerung liegt bei 42 Prozent; deren Sprache will ich auch lernen. Ich will mich persönlich weiterentwickeln. Ich bin jemand, den es schon immer in die Welt gezogen hat. Für mich wird ein Traum wahr, dort leben zu können.
Sie haben als Weltmeisterin und als Siegerin der Diamond League Geldprämien bekommen. Bei den Olympischen Spielen, in die Sie 2021 als Favoritin gehen werden, sind für die Erste eine Goldmedaille und ewiger Ruhm vorgesehen. Reicht das?
Beim Sport sollte es generell in erster Linie um das Miteinander, um das Vereinende gehen als um Geld. Das ist der Urgedanke des Olympismus, die treibende Kraft. Leider haben sich viele Sportarten und auch die Olympischen Spiele mittlerweile weit davon entfernt. Sport und Olympia sind auch ein Lehrauftrag. Es geht um Werte, nicht um Kommerz. Die Frage mit einem plumpen Ja oder Nein zu beantworten ist dem nicht angemessen.
Wie lautet Ihre Antwort, wenn ja und nein zu plump sind?
Es gibt Wichtigeres als die Frage nach dem Geld.
Brauchen Athleten die Bühne Olympia auch, um ihre Haltung zu gesellschaftlichen Fragen auszudrücken?
Prinzipiell haben wir Athleten in der Gesellschaft eine Vorbildfunktion. Dazu gehört, eine Meinung zu haben und diese klar zu äußern.
Welche ist Ihre?
Man soll bei sich selbst bleiben, auf sich selbst hören. Und achtsam mit sich und den Mitmenschen umgehen.
Das Gespräch führte Michael Reinsch – erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Sonntag, dem 9. August 2020
Michael Reinsch Korrespondent für Sport in Berlin.
RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer
„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!
Hier geht es zur Petition:
https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe