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2018

Horst Milde - Photo: Gesine Milde

Berlin-Marathon Begründer Horst Milde wird Achtzig

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Der „Erfinder des Berlin-Marathon“ ist als GRR-Vorsitzender im permanenten Unruhe-Zustand mit vielen Ideen und Aktivitäten

Der „Erfinder des Berlin-Marathon“ Horst Milde ist als Vorsitzender German Road Races (GRR) e.V. – der Vereinigung der deutschen Laufveranstalter – im permanenten Unruhe-Zustand mit vielen Ideen und Aktivitäten

Es war eine eindrucksvolle Zeremonie am Abschlusstag der Europameisterschaften Berlin 2018 auf dem Breitscheidplatz, als Horst Milde als „Erfinder“ des Berlin-Marathons die Medaillen für die Erstplatzierten des Männer-Wettbewerbs im Marathonlauf überreichen durfte. Eine große Ehre und zugleich Anerkennung für das Lebenswerk für den Macher Horst Milde.

Am 24. Oktober 2018 wird er nun achtzig. Der Vater des Berlin-Marathon steht für die Entwicklung der Laufbewegung in Berlin und Deutschland mit einer großartigen Veranstaltungskultur wie er zuerst als Student der Freien Universität Berlin (1964) den Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg aus der Taufe hob, den Berlin-Marathon (1974), den Frauenlauf im Tiergarten mit 18.000 Teilnehmerinnen (1984 – zusammen mit  Katherine Switzer), dem Berliner Halbmarathon (26.000 Teilnehmern), der Teamstaffel mit 27.000 Teilnehmern – alle Läufe sind die größten Läufe in Deutschland).

Katherine Switzer, Direktorin bei AVON,  und Horst Milde 1984 beim Training im Berliner Tiergarten – Foto: Heinrich von der Becke Archiv im Sportmuseum Berlin 

Auch der 10 km Nachtlauf auf dem Kurfürstendamm gehört dazu, der Silvester- und Neujahrslauf bis zuletzt zum Berliner Gefängnislauf für Gefangene in der JVA Plötzensee und, und, und… Gespräche mit dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft German Road Races (GRR) e.V. gestaltet sich aber zusehends zu einer Replik auf mehr als ein halbes Jahrhundert Entwicklung des Laufsports in Deutschland.  

Der Berliner Gefängnislauf in der JVA Plötzensee 2017 – Foto: Horst Milde

Sieben Deutsche Meisterschaften initiierte er in Berlin, so u.a. Deutsche Cross-Country-Meisterschaften, Deutsche Marathon-Meisterschaften, Deutsche 10.000m Männer/3000m Frauen -Meisterschaften, Deutsche Jugend- und Schülerstaffeln Meisterschaften und zwischen 1976 – 1984 mehrere Deutsche Hochschul-Cross-Meisterschaften innerhalb des SCC-Cross.

Als einen besonderen Wesenszug bezeichnen enge Weggefährten seine Fähigkeit, Weitsicht und Visionen zu haben und dadurch viele Entwicklungen gefördert und vorangetrieben zu haben, dabei stets über den Tellerrand der eigenen Veranstaltungen hinaus geschaut zu haben und bei anderen Läufen gelernt zu haben.

Hinzu kam die Fähigkeit zuerst die Familie, dann Freunde und Bekannte, Läufer aus dem Verein so lange „zu bequatschen“ bis sie bei den geplanten Veranstaltungen sich als Helfer und Mitarbeiter ehrenamtlich zur Verfügung stellten und er dadurch ein schlagkräftiges und versiertes Teams für die Organisation aufbaute. Hinzu kam seine wichtige Durchsetzungsfähigkeit, um überzeugend bei Bürgermeistern, Verwaltungen, Polizei, Genehmigungsbehörden und Forstverwaltungen – und vor 1990 bei den damaligen Alliierten in Berlin – „anzuklopfen“ und jeweils als Partner im Interesse des Sports anerkannt zu werden  – und nicht als Gegner.

So führte er als Erster in Europa

  • die Chip-Zeitmessung beim Berlin-Marathon ein,
  • die „Blaue Linie“ feierte in Berlin 1990 beim Marathon ihre Premiere auf dem Festland,
  • Rollstuhlfahrer konnten 1981 zum ersten Mal an einem Marathon teilnehmen und
  • die Inline-Skater feierten 1997 ihren Einstand beim Berlin-Marathon, der damit zur ersten Veranstaltung wurde, die das Inlineskaten als Bestandteil eines großen City-Marathons in Deutschland anbot.

Trotz der eigenen sportlichen Ambitionen (800 m-Bestzeit 1:49,8 Minuten, 2 x deutscher Staffelmeister über 3 x 1000 m mit dem SCC Berlin) und dem Job in der Familien-Backstube, die seit 1903 in Tempelhof bestand, als gelernter Konditormeister und Dipl. Kfm. zeigte sich Horst Milde als exzellenter ehrenamtlicher Organisator von (Lauf)-Veranstaltungen.

Mit dem Sportreferat der Freien Universität Berlin (FU Berlin) begründete er unter dem Motto „Alle Berliner können mitmachen“ zunächst den Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg. Es war eine Premiere überhaupt in Deutschland bei einer Laufveranstaltung, denn es wurden Vereinslose eingeladen mitzumachen.

2. Berliner Cross-Country-Lauf der FU Berlin auf dem Teufelsberg 1965 – (v.lks.) Sportreferent Hartmut „Ete“ Lehmann und Bodo Tümmler (Sieger von 1964) im Dress der FU und Peter Kubicki (SCC), Sieger des Laufes von 1965 auf dem Panzerübungsgelände der britischen Alliierten – Foto: Heinrich von der Becke Archiv im Sportmuseum Berlin 

Dank seiner Werbeaktionen tummelten sich im Jahr 1964 bereits 700 (!) Studenten, Vereinsläufer und Hobbyläufer auf dem Teufelsberg. Zehn Jahre nach der Cross-Premiere organisierte Horst Milde 1974, inzwischen erster Volkslaufwart des Berliner Leichtathletik-Verbandes, mit wenigen Helfern den ersten Berlin-Marathon – mit 286 Teilnehmern – 244 im Ziel. Der Grundstein des Berlin-Marathon war gelegt, auch wenn die Strecke im Oktober 1974 noch fernab jeglicher Öffentlichkeit im Waldgelände am Mommsenstadion und an der Avus lang führte.

„Uns fehlte natürlich die Erfahrung, aber unsere Helfer waren euphorisch. Es gab zwei Wasserstellen mit Salztabletten und im Ziel heiße Brühe!“ erinnert sich Horst Milde und denkt an die heute gängigen lukullischen Genüsse auf der Strecke oder im Ziel. Und ergänzte im gleichem Atemzug: „Und es stand in der Ausschreibung: Ohne Training kein Marathon!“ Früher wie heute wichtiges Credo für den einstigen Mittelstreckler und späteren Organisator.

Der Aufstieg des Berlin-Marathon gelang 1981 mit dem Umzug in die Innenstadt mit dem Start am Reichstag – Ziel auf dem Kurfürstendamm und letztlich 2004 an das Brandenburger Tor. Und der Lauf ist früh zu einem Giganten der internationalen Szene geworden. „An diese Entwicklung habe ich nie im Traum gedacht. Wir haben alles im Gegensatz zu heute ehrenamtlich gemacht und immer mit großen Augen zu Fred Lebow nach New York City geschaut!“ Jetzt ist der Berlin-Marathon mit seinen inzwischen 11 Weltrekorden „Marktführer“ der internationalen Marathon-Eliteveranstaltungen.

Die „Großen“ zu Besuch in Berlin: Chris Brasher (London Marathon) und Fred Lebow (r.) (New York City Marathon) und Horst Milde (m)

Unvergesslich und sportpolitisch ein Weltereignis eigener Art: Der Gesamt-Berliner Neujahrslauf am 1.1.1990 mit über 20.000 Teilnehmern aus aller Welt zum ersten Mal seit 28 Jahren von Berlin (West) durch das Brandenburger Tor nach Berlin (Ost) und zurück. Davor gab es schon drei Tage nach dem Mauerfall am 12. November 1989 den ersten Berlin (West) – Berlin (Ost) Wiedersehenslauf mit Teilnehmern aus Berlin (Ost) und der DDR beim traditionellen Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg.

Der Wiedervereinigungslauf 1990

Bis die Politik ins Spiel kam. Und drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung am 1. Oktober 1990 liefen 25.000 Marathonläufer aus aller Welt durch West- und Ostberlin. Als Sieger wurden dabei überschwänglich der Australier Steve Moneghetti mit erstmals unter 2:10 Stunden (gleichzeitig Weltjahresbestzeit) und die aus dem Ostteil des bislang geteilten Berlins stammenden Uta Pippig gefeiert. Bewegende Momente – auch für den weltweit in Sachen Marathon (zum Verteilen von Informationen) reisenden Horst Milde.

Horst Milde war Race-Director der bahnbrechenden Läufe in Berlin, Abteilungsleiter Leichtathletik beim SCC Berlin, BLV-Volkslaufwart, Initiator der Gründung von German Road Races (GRR) e.V, der Interessengemeinschaft der deutschen Läufe, „Co-Founder“ (1982) und Board-Mitglied der AIMS (Association of International Marathon an Distances Races), Mitglied des Bundes-Fach-Ausschuss Laufen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, seit 2007 Vorsitzender des AIMS-Symposiums in Athen und an der Gründung der  World Marathon Majors (WMM) beteiligt … fürwahr ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen!

Treffen der World Marathon Majors in Boston am 23.5.2005: (v.lks.) Guy Morse (Boston), Carey Pinkowski (Chicago), Mary Wittenberg (New York City), Nick Bitel (London) und Horst Milde. – Foto: Victah Sailer

Unter der Regie von Chef-Organisator Horst Milde wurden 340 Veranstaltungen mit mehr als 1,3 Millionen Läufern/-innen durchgeführt. „Wir haben es in der Tat geschafft, mit diesen Lauf-Ideen die Bevölkerung aufzurütteln, damit diese vor allem an ihre eigene Gesundheit denken. Es ist uns gelungen, Jugendliche und Behinderte, Wettbewerbe für Rollstuhlfahrer und Handbiker und Walkingwettbewerbe zu integrieren …“.

Nicht umsonst heißt es über Horst Milde, daß er „die Berliner zu Läufern gemacht hat oder aber zumindest zu Zuschauern beim Berlin-Marathon“, mehr Lob kann man nicht erhalten.

IDEEN

Er sprüht stets vor Ideen, schuf Elemente für ein Rahmenprogramm, die längst Standard moderner Laufevents sind: Überkonfessionelle Gottesdienste, Marathonmesse, Frühstückslauf, Kinder-Malwettbewerbe, Mini-Marathon der Schulen, Bambiniläufe für Kinder, Jubilee-Club (Teilnehmer müssen den Berlin-Marathon 10x gefinisht haben), Massage und Duschen am Ziel, Notfallrettungssysteme mit Defibrillatoren an der Strecke, Ärzte-Symposien, Läufer-Foren in der FU Berlin, Vermessungs-Seminare, historische Laufsport-Ausstellungen des Sportmuseums Berlin, Literatur-Marathon sind nur einige Beispiele.

Besondere organisatorische Ereignisse waren die Durchführung des 3. AIMS-Weltkongresses in Berlin 1983, diverse AIMS-Board-Sitzungen und des 1. Regionalen AIMS Ost- und West-Europameeting der Laufveranstalter am 27./28.9.1993 in Berlin.

Erwähnenswert beim Berlin-Marathon sind auch die Medaillen die er beim Berlin-Marathon einführte, die Olympiasiegern und Olympiasiegerinnen gewidmet sind. Ihr Porträt erscheint auf der Medaille und der Urkunde. Zwei dieser der Olympiasieger gaben die Startschüsse beim Berlin-Marathon ab, wie der Champion von 1936 in Berlin Sohn Che Chung (KOR) und Emil Zatopek (CZE).

Milde wirkte als Ideengeber für den modernen Marathon bei Weltmeisterschaften bei der WM 2009 in Berlin oder Olympischen Spielen, in dem er publikumsnah der IAAF einen Mehr-Runden-Kurs in den Innenstädten vorschlug – und der  letztlich auch bei der IAAF WM 2009 in Berlin und später bei den Olympischen Spiele in London realisiert wurde.

Und er ist zudem der größte Sammler des im Berliner Olympiapark ansässigen Sportmuseums Berlin, dem AIMS-Marathon Museum of Running – Marathoneum. Großartige Exponate und Sammlungen aus dem Laufsport und der Leichtathletik sind durch diese Initiative, die weltweit ihresgleichen sucht, zusammengekommen und die einen Erinnerungsschatz für spätere Generationen darstellt.

German Road Races (GRR) e.V.

German Road Races (GRR) e.V. führte Horst Milde von der Gründung an, entweder als Zweiter Sprecher, bzw. als Vorsitzender seit über einem Jahrzehnt. GRR entwickelte sich in dieser Zeit zur „Stimme des Laufsports“ in Deutschland, die sich auch sportpolitisch zu Wort meldet und sich öffentlich kritisch einmischt. Erfolgreich, wenn es um die Verhinderung der Laufmaut“ des DLV ging, die am Widerstand von GRR scheiterte und deutsche Veranstalter vor höheren Kosten schützte. Erfolgreich auch wenn sich GRR für die gerechtere Qualifikationszeiten und der Nominierung der deutschen Marathonläufer und -läuferinnen für Olympische Spiele und Europameisterschaften einsetzte.

Ein Alleinstellungsmerkmal von German Road Races sind die jährlichen Auszeichnungen:

  • GRR Nachwuchs-Förderpreises,
  • der Läufer/-in Preis des Jahres,
  • der Trainerpreis
  • der Award für das Lebenswerk und
  • die Auszeichnung für bahnbrechende Veranstaltungen.

GRR-website

Durch die Zweisprachigkeit hat sich GRR-website als ein wichtiger Partner für den Austausch von Informationen mit dem Lauf-interessierten Ausland entwickelt – und gilt damit als Botschafter deutscher Läufe im Ausland.

GRR entwickelte erfolgreiche Kooperationen mit den Nachbarländern Schweiz (Swiss Runners) und Polen (Polskie Stowarzyszenie Biegów), um damit den Austausch der Läufer zu den Nachbarländern untereinander zu intensivieren.

Für seine hohen Verdienste um die Laufbewegung, wurde er  u. a. mit dem „Merit of Honour“ vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF), mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet.

Aktuell setzt sich Horst Milde, als Berliner, intensiv über das Sprachrohr der GRR-website – für den Erhalt des „Denkmals“ des Berliner Olympiastadions ein. Es darf nicht zum Fussballstadion eines Bundesligisten umgebaut werden und damit der Leichtathletik verloren gehen.

Trotz eines Fulltime-Jobs mit intensiver Recherche für die zweisprachige GRR-Website und die Arbeiten als GRR-Vorsitzender, und auch der Betreuung der fünf Enkel seiner drei Kinder Karsten, Mark (er ist inzwischen der erfolgreiche Race Director des Berlin-Marathon) und Gesine  bleibt auch noch Zeit zur Entspannung bei Theater und Konzerten des reichen Berliner Musiklebens mit seiner Frau Sabine – die ihm beruflich in der Familien Bäckerei-Konditorei (seit 1903) den Rücken freihielt, damit er seinem zeitaufwendigen „Hobby“ überhaupt nachgehen konnte. Sabine Milde hat im übrigen auch mehrere Marathonläufe erfolgreich beendete.

Unnütz zu sagen, daß der Jubilar sich läuferisch fit hält durch regelmäßige morgentliche Läufe durch Tempelhofer Parks, Straßen und Gartenanlagen und Radfahren auf der Tempelhofer Freiheit, schließlich muss man auch im Alter läuferisches Vorbild sein.  

Wilfried Raatz
Vorstand
German Road Races (GRR) e.V.

Video: Zeitzeuge „Horst MILDE – Berlin“ – Produktion: Helmut Winter

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author: GRR