Dr. Hans-Georg Kremer mit der Urkunde des Horst-Milde-Award - Foto: Juergen Engler
Horst-Milde-Award 2018 an Dr. Hans-Georg Kremer verliehen – Die Laudatio von Prof. Detlef Kuhlmann
Anlässlich des Berlin-Marathons 2018 wurde in einer Feierstunde im Internationalen Club Berlin der diesjährige Horst-Milde-Award an den langjährigen Renndirektor des Rennsteiglaufes in Thüringen, Dr. Hans-Georg Kremer (Jena), verliehen.
Der 72-jährige Sportwissenschaftler und Historiker hat sich wie kein anderer für den Rennsteiglauf als einem der bekanntesten und größten Landschaftsläufe der Welt verdient gemacht und diesen als Erfinder über Jahrzehnte geprägt.
Mit der Ehrung von Dr. Hans-Georg Kremer wird auch seine Lebensleistung für die Laufbewegung in der ehemaligen DDR gewürdigt. ln der Laudatio heißt es dazu an einer Stelle: „Dr. Hans-Georg Kremer hat mit seinem unermüdlichen Engagement, mit seinem Organisationstalent, mit seinem Fachwissen und nicht zuletzt mit seinem Mut für das Machbare im Möglichkeitsraum den Laufsport in der DDR nachhaltig mitgestaltet.“
Dr. Hans Georg Kremer, der im Hauptberuf früher u.a. als Leiter des Hochschulsports an der Universität Jena tätig war, begann sein Engagement in der ostdeutschen Laufbewegung im Jahre 1962 als ehrenamtlicher Übungsleiter einer Orientierungslaufgruppe, bis heute ist er der Laufbewegung mit zahlreichen Aktivitäten verbunden, darunter fällt auch sein sporthistorisches und sportjournalistisches Werk zur Laufbewegung mit mittlerweile weit über 1.500 Veröffentlichungen in unterschiedlichen Textformaten einschließlich mehrere Monografien und Sammelwerke.
Dr. Heinz-Georg Kremer mit seiner Frau – Foto: Horst Milde
Der Horst-Milde-Award wird vom Forum für Sportgeschichte, dem Förderverein des Sportmuseums Berlin, als Ehrenpreis verliehen. Er wurde im Jahre 2013 anlässlich des 75. Geburtstages von Horst Milde, dem langjährigen Renndirektor des Berlin-Marathons, ins Leben gerufen. Neben dem Namensgeber, Horst Milde gehören u.a. der Präsident des Forums für Sportgeschichte, der Historiker Gerd Steins, und der Berliner Sportjournalist Michael Reinsch (Frankfurter Allgqmeine Zeitung) der Jury an.
Bisherige Preisträger waren Werner Sonntag (Ostfildern, 2014) und Manfred Steffny (Düsseldorf, 2016).
Horst-Milde-Award – (im Bild v.l.n.r.): Michael Reinsch, Gerd Steins, Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, Horst Milde, Dr. Hans-Georg Kremer – Foto: Jürgen Engler
Zu den geladenen Gästen bei der Feierstunde gehörte auch Prof. Dr. Gudrun Doll Tepper, Vizepräsidentin für Bildung und Olympische Erziehung im Deutschen Olympischen Sportbund. Sie zeigte sich sehr angetan von dieser Auszeichnung: „Mit der Vergabe des Horst-Milde Award an Dr. Kremer wird uns beispielhaft sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, dass auch große Ereignisse wie der Rennsteiglauf einmal ganz klein angefangen haben und immer verbunden sind mit dem einzigartigen Engagement von Menschen, die sich dafür mit großer Leidenschaft, aber auch mit kontinuierlichem Durchhaltevermögen einsetzen“.
Laudatio Dr. Hans-Georg Kremer – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
„Wir verleihen heute den Horst-Milde-Award zum dritten Male. Der Ehrenpreis hat sich bundesweit etabliert. Man könnte meinen, die Verleihung sei nun Routine und Ritual in einem: Es gab wie immer eine formvollendete schriftliche Einladung; wir tagen wie immer hier in dieser sehr stilvollen Location; das geschmackvolle Menü ist wie immer vierteilig.
Es sind fast immer die gleichen Gäste hier versammelt. Für mich ist dies heute die dritte Laudatio auf einen Preisträger, aber dennoch eine Premiere.
Prof. Detlef Kuhlmann bei seiner Laudatio – Foto: Horst Milde
Während mir die zuvor geehrten Persönlichkeiten des Laufsports über viele Jahre persönlich bekannt waren und ich ihr großartiges Schaffen für den Laufsport sozusagen laufend mitverfolgen konnte, trifft das alles auf den heute zu ehrenden Preisträger, also auf Sie, sehr geehrter Herr Dr. Kremer, nicht zu.
Meine Aufgabe, eine inhaltlich angemessene und gleichsam ausgewogene Laudatio zu halten, wird dadurch nicht einfacher.
Eher das Gegenteil ist der Fall. Daher sollte ich vorab wenigstens grob den Rahmen skizzieren, den ich für diese kleine Laudatio in der Vorbereitung auf heute konzipiert habe.
Ich verzichte darauf, alle Quellen detailliert anzugeben, selbst die, die ich gesichtet, aber dann doch nicht weiter verfolgt habe. lch bitte also alle Gäste und insbesondere den Preisträger jetzt schon um Verständnis, wenn ich etwas Wesentliches nicht berücksichtigt habe oder ich ein Faktum aus dem laufenden Leben des Preisträgers nicht in jener Weise zu würdigen imstande bin, wie es eigentlich hätte sein müssen. Nur um sich einmal die Menge (um nicht zu sagen: die Masse) an möglichen, weil vorhandenen Daten für eine Laudatio numerisch vor Augen zu führen, habe ich den Google-Test gemacht.
Wer dort den Namen des Preisträgers eingibt, erhält auf Anhieb 495.000 Treffer – zu viel, um all diese Quellen für eine Laudatio auszuwerten, deren Redezeit 10 Minuten nicht groß überschreiten soll.
Genug der Vorrede: Wir zeichnen heute Herrn Dr. Hans-Georg Kremer (geb. am 3.7.1946 auf Gut Krakau bei Blankenhain im Landkreis Weimarer Land) mit dem Horst-Milde-Award aus. Die Statuten
des Horst-Milde-Award sehen vor, dass mit diesem Ehrenpreis, der aus Anlass des 75. Lebensjahres entstanden ist, eine Persönlichkeit der Laufbewegung für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird, die in ähnlicher, aber dennoch anderer Weise wie der Namensgeber die moderne Laufbewegung in Deutschland aktiv mitgestaltet hat.
Dr. Heinz-Georg Kremer – Foto: Horst Milde
Die vierköpfige Jury mit dem Namensgeber Horst Milde, mit dem Sportjournalisten Michael
Reinsch, dem Präsidenten des Forums für Sportgeschichte, Gerd Steins, und
mir war sich auf ihrer Sitzung am 16. März 2018 in Berlin sehr schnell einig, und es bedurfte keiner großen Diskussion, in diesem Jahr mit Herrn Dr. Hans-Georg-Kremer eine Persönlichkeit des Laufsports zu ehren, die wie keine andere Person für einen der bedeutendsten
Langstreckenlandschaftsläufe der Welt steht, den Rennsteiglauf in Thüringen.
Mit Herrn Dr. Hans-Georg Kremer ehren wir aber zugleich eine Persönlichkeit, die wie keine andere Person damit die „freie“ Laufbewegung in der DDR geprägt hat. War diese Laufbewegung wirklich so „frei“ in einem allgewaltigen Staat? Oder ist es nicht zu aller erst auch das Verdienst von Dr. Hans-Georg Kremer, den Menschen durch das Laufen einen besonderen Freiraum ermöglicht zu haben?
Das können im Grunde nur diejenigen gut beurteilen, die der DDR-Laufbewegung damals angehört haben. Soviel aber steht fest: Herr Dr. Hans-Georg Kremer hat mit seinem Wirken einen erheblichen Beitrag zu einer freiheitlichen Laufbewegung geleistet und damit den dort aktiven Menschen in der DDR wenigstens zeitweilig das Gefühl gegeben, beim Laufen allein oder zusammen mit vielen anderen Gleichgesinnten eine Form der Freiheit erleben zu dürfen, die es sonst in dieser Form nirgendwo gab.
Vielleicht hat die Laufbewegung in der DDR den Alltag der Menschen ein wenig freudvoller gemacht.
Herr Dr. Hans-Georg Kremer hat das jedenfalls mit seinem unermüdlichen Engagement, mit seinem Organisationstalent, mit seinem Fachwissen, mit seinem Mut für das Machbare im Möglichkeitsraum, mit seinen klugen ldeen, aber nicht zuletzt auch mit seiner eigenen Laufaktivität vorgelebt und nachhaltig geprägt. Die Verleihung des Horst-Milde-Awards an Dr. Hans-Georg Kremer hat also eine höchst politische Dimension, wie sie die beiden Vorgänger-Preisträger aus naheliegenden Gründen nicht aufzuweisen hatten.
Allein dieses Faktum verdient unsere Hochachtung. Wir müssen uns nämlich immer wieder leise die Frage stellen: Was wäre gewesen, wenn …
Wir schreiben den 13. Mai 1973… die Sternstunde der Thüringer Sportgeschichte und Hans-Georg Kremer mittendrin: Zusammen mit drei Studenten startet er, der junge Assistent aus der Sportwissenschaft der Universität Jena, um 7 Uhr in der Früh an der Hohen Sonne bei Eisenach auf dem Rennsteig – etwa 100 km in zehn Stunden sollen es am Ende gewesen sein … als im Ziel der restliche Haferschleim als Verköstigung und Belohnung verspeist wird.
Der Rennsteiglauf war geboren, zunächst in Gestalt einer Ausschreibung als „ll. 100 Km Leistungswanderung für den 18. Mai 1974.
Das alles und noch viel mehr ist in all den Monografien und Sammelwerken nachzulesen, die es mittlerweile über den Rennsteiglauf mit Hans-Georg Kremer als Autor gibt: Das „Who is who“ (2000) und „Faszination Rennsteiglauf,, (1992) seien stellvertretend als zwei der wichtigsten und bekanntesten Titel genannt. Ferner sei auf die Bibliografie verwiesen, die in der Festschrift für den Jubilar anlässlich seines 60. Geburtstages erschienen ist und damals schon 1.424 Veröffentlichungen in unterschiedlichen Textformaten dokumentiert.
Wir ehren demzufolge heute auch den Publizisten Dr. Hans-Georg Kremer – zumal seine Schreibkunst und seine Schreibfleißigkeit bis auf den heutigen Tag ausdauernd anhalten, sogar mit hoher Tagesaktualität, allen voran in den Newsletter von German Road Races (GRR) e.V., aber auch anderswo. Der Jubilar glänzt dabei nicht nur durch seine gestochene Schreibe und seine Fähigkeit, differenzierte Sachverhalte anschaulich für die Leserschaft darzustellen und einzuordnen, sondern vielmehr und in erster Linie durch sein schier grenzenloses (historisches) Faktenwissen, das er bis ins kleinste Detail von Laufereignissen ausgeweitet hat.
Kollege Kremer – wenn ich mir das Urteil erlauben darf – verfügt über eine Expertise der ostdeutschen Laufbewegung wie vermutlich kein zweiter – mehr noch: Er ist es, der mit seinen wissenschaftlichen und journalistischen Beiträgen die Laufbewegung gestern, heute und hoffentlich auch morgen noch für unser kollektives Gedächtnis aufbereitet.
Auch diese seine zukünftig »noch ausbaufähige“ Lebensleistung verdient heute Würdigung. Wir dürfen Herrn Dr. Kremer sehr dankbar sein, dass er sich dieser wichtigen zeithistorischen Aufgabe für unseren Laufsport mit soviel Leidenschaft und mit soviel Akribie widmet.
Es gibt ein kleines, aber nicht ganz unbedeutendes Faktum, das unseren Preisträger, den Sportwissenschaftler Kremer, mit dem Namensgeber, den Diplom-Kaufmann Milde, berufsbiografisch verbindet. Der eine – Milde – hatte seinerzeit und ganz in den Anfängen als Student der Wirtschaftswissenschaften im Auftrag des ASTA-Sportreferates der FU Berlin die ehrenamtliche Aufgabe übernommen, im Jahre 1964 einen Cross-Country-Lauf zu organisieren. Das war die Geburtsstunde der Laufbewegung in West-Berlin. Der andere war in etwa zu dieser Zeit Gründer und erster ehrenamtlicher Technischer Leiter der Sektion Orientierungslauf im Hochschulsport an der Uni Jena, ebenfalls als Student und noch bevor er sein Diplom-Examen in den Fächern Sport und
Geschichte ablegen konnte.
Bei der Konzipierung dieser Laudatio kam mir zwischendurch daher immer wieder der Gedanke, was wohl gewesen wäre, wenn es damals keine zwei deutschen Staaten und keine Mauer und keine Grenzzäune gegeben hätte und sich beide Protagonisten damals begegnet wären: Sie hätten sich mit ihren ldeen austauschen können. Könnte es sein, dass die Laufbewegung in Deutschland ganz anders dastehen würde? Gäbe es vielleicht sogar einen Langstreckenlauf Berlin-Jena oder Jena-Berlin?
Egal: wir freuen uns, dass wir Sie, Herr Dr. Kremer, heute mit dem Horst-Milde-Award auszeichnen dürfen. Insofern hat diese Feierstunde heute etwas besonderes für uns alle.
Heute begegnen sich Milde und Kremer zum ersten Mal persönlich – mehr noch: Heute begegnen sich mit lhnen, Herr Dr. Kremer, und mit Dir, lieber Horst, und jetzt greife ich eine Zuschreibung von Dir auf: Heute begegnen sich zwei „positiv Verrückte“ der gesamtdeutschen Laufbewegung! Ist das nicht verrückt?
Da bleibt uns allen nur der Wunsch und die Hoffnung, dass diese beiden positiv Verrückten uns weiterhin mit vielen verrückten ldeen und außergewöhnlichen Aktivitäten begleiten. lhre Talente beim ausdauernden Laufen und ihre Expertise beim andauernden Arbeiten haben sie längst unter Beweis gestellt.
Wenn man so will, können sie jetzt endlich auch gemeinsame Sache machen … und deswegen gratulieren wir lhnen, Herr Dr. Hans-Georg-Kremer, ganz herzlich zur Verleihung des Horst-Milde-Awards 2018!
Prof. Detlef Kuhlmann