Renaud Lavillenie in action in the Ultimate Garden Challenge- (WA) ©Photo: World Athletics
Hoch über der Hecke – Stabhochsprung im Garten – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Der Trend geht zum Homeoffice – auch bei Sportlern und selbst bei Stabhochspringern. Der „Ultimate Garden Clash“ der Stars Lavillenie, Duplantis und Kendricks soll erst der Anfang gewesen sein
Wer beschreiben wollte, wie verrückt Olympiasieger Renaud Lavillenie ist, kam nie umhin zu erwähnen, dass der Franzose eine eigene Stabhochsprung-Anlage im Garten seines Einfamilienhauses in Clermont-Ferrand besaß. Innerhalb der Familie und ihres Freundeskreises gab es angeblich sogar eine Wertung für Bestleistungen in Flipflops.
Das galt so lange als einmalig, bis ein gewisser Armand Duplantis auf der Szene erschien. Er besitzt ebenfalls eine eigene Anlage, und obwohl er dreizehn Jahre jünger ist als Lavillenie, erscheinen der leicht abschüssige Anlauf praktisch durch die Büsche, die Pfosten für die Latte und die riesigen Polster hinter dem Haus seiner Eltern in Lafayette in Louisiana viel, viel älter. Gut möglich, dass Mutter und Vater sie, als sie die Anlage für ihren vierjährigen Mondo seinerzeit aufbauten, gebraucht gekauft hatten.
Diesen Ausdruck sportlicher Obsession, den Anlauf von Lavillenie entlang des Bretterschuppens an seinem Haus und den Höhenflug neben der Schaukel seiner Tochter, hätte die Sportwelt nie zu sehen bekommen. Doch nun, da der Sport- und Trainingsbetrieb nahezu auf der ganzen Welt wegen der Covid-19-Pandemie zum Erliegen gekommen ist, wurde zur Attraktion, dass Lavillenie, Olympiasieger von London 2012, den zwanzig Jahre alten Weltrekordler Duplantis zu einem Wettkampf auf Distanz herausgeforderte.
Auch der praktisch nebenan, in Oxford (Mississippi), beheimatete Weltmeister Sam Kendricks schlug ein und ließ auf einer Pferdekoppel nahe seiner Villa eine nagelneue, mobile Stabhochsprunganlage aufschlagen.
Der Weltverband World Athletics mit seinem Präsidenten Sebastian Coe, obwohl olympische Kernsportart längst nicht mehr Nabel der Sportwelt, nutzte die Gelegenheit, der nach Wettkämpfen lechzenden Öffentlichkeit einen Teil der Leichtathletik nahezubringen.
„Ultimate Garden Clash“
Schließlich ist nicht nur Olympia verschoben, fallen Sportfeste der Diamond League sowie nationale und kontinentale Meisterschaften aus. So bewarb der Verband die Herausforderung, die am Sonntagabend bei maximaler sozialer Distanz stattfand, auf zwei Erdteilen, als „Ultimate Garden Clash“, übertrug sie mitsamt Interviews, Hin- und Her-Schalte sowie split screen auf seinem Youtube-Kanal und fand, nach eigenem Ermessen, einige Hunderttausend Zuschauer.
Die drei Champions maßen sich zwei mal fünfzehn Minuten lang darin, wer die meisten Sprünge über fünf Meter schafft. Kendricks gelang das 26 Mal, Lavillenie und Duplantis kamen auf 36 erfolgreiche Versuche. Auf Verlängerung verzichteten sie wegen Erschöpfung des Franzosen.
Inzwischen sprechen sie beim Verband davon, dass dies die Stabhochsprung-Ausgabe des „Ultimativen Garten-Zusammenstoßes“ gewesen sei. Offenbar sollen weitere Ausgaben folgen. Weitsprung und Hochsprung sind im Gespräch – und Kugelstoßen. Christina Schwanitz, ehemalige Weltmeisterin in dieser Disziplin, dürfte dafür eher nicht zur Verfügung stehen.
Vor wenigen Tagen erst erklärte sie, dass sie nie und nimmer im Garten ihres Hauses in Hohenstein-Ernstthal trainieren wolle. Denn mit der vier Kilo schweren Eisenkugel würde sie den schönen Zierrasen zerbomben. Zu schade für die Zuschauer. Ihre Leidenschaft für den Sport hat Grenzen.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 4. Mai 2020
Michael Reinsch Korrespondent für Sport in Berlin.