Juliane WOLF GER on 17.09.2019 in Berlin, Berlin, Germany. Photo: 2-PIX Agency / Binh Truong/DBS
Herzmuskelentzündung nach Corona-Infektion
Para Tischtennis-Nationalspielerin Juliane Wolf infizierte sich im November 2020 mit dem Corona-Virus, nun wurde eine Herzmuskelentzündung festgestellt – Nächster Rückschlag für die junge Mutter auf dem Weg zu den Paralympics nach Tokio, wo sie dennoch mindestens eine Medaille anstrebt
Das ganze Ausmaß, welches die Corona-Pandemie auch für Leistungssportler haben kann, bekommt gerade Para Tischtennis-Nationalspielerin Juliane Wolf zu spüren: Nach einer überstandenen Corona-Infektion im November 2020 wurde bei der 32-Jährigen nun eine Herzmuskelentzündung festgestellt. Dennoch will sie unbedingt zu den Paralympics in Tokio – und bei den Spielen mindestens eine Medaille gewinnen.
Eine sogenannte Myokarditis ist ein Risikofaktor für den plötzlichen Herztod, für den Sportler laut dem German Journal of Sports Medicine ein ungefähr zweieinhalbfach höheres Risiko haben als die Normalbevölkerung. Entdeckt wurde die Entzündung durch Vorsicht und einen glücklichen Zufall: Die Corona-Erkrankung selbst brachte für Juliane Wolf und ihren Lebensgefährten Thomas zunächst keine allzu schwerwiegenden Symptome mit sich: Schwindel, Übelkeit und allgemeine Erschöpfung, außerdem der für Covid19 typische Verlust des Riechens und Schmeckens. Nach Beendigung der Quarantäne wurde Wolf sportmedizinisch untersucht, um Risiken bei der Wiederaufnahme des Trainings auszuschließen. Nichts deutete zu diesem Zeitpunkt auf Nachwirkungen der Corona-Erkrankung hin. Glücklicherweise wurde sie durch ihren Vorgesetzen an der Goethe-Universität Frankfurt, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt ist, auf eine Studie zu Herzmuskelentzündung als Folge von Corona-Infektionen aufmerksam gemacht und meldete sich und ihren Lebensgefährten sofort an.
Im Rahmen dieser Studie wurde bei einer MRT-Untersuchung nun tatsächlich eine Herzmuskelentzündung bei der Viertplatzierten der Spiele in Rio 2016 diagnostiziert. Ein herber Rückschlag für die Sportlerin, die bereits für die Paralympischen Spiele in Tokio qualifiziert ist und für die der Weg dorthin zunächst genau nach Plan verlief: Nach ihrer Paralympics-Premiere in Rio de Janeiro kam im August 2018 Töchterchen Frieda Charlotte zur Welt. Bereits im März 2019 gab die Spielerin der Wettkampfklasse 8 bei den Lignano Master Open ihr Comeback auf internationaler Bühne und gewann bei den Europameisterschaften im September 2019 Silber im Teamwettbewerb mit Stephanie Grebe. Bei den Polish Open im Februar 2020 tütete Wolf schließlich mit Gold im Einzel und Team die nötigen Weltranglistenpunkte für eine direkte Qualifikation für ihre zweiten Paralympics ein.
Mama, Job und Leistungssportlerin: „Ohne die Unterstützung meines Umfelds hätte das alles niemals funktioniert“
Immer mit dabei waren Lebensgefährte Thomas, der sich teilweise in Elternzeit befand oder Urlaub nahm, und Tochter Frieda Charlotte. „Ich möchte wirklich ein großes Dankeschön an Thomas aussprechen, ohne den das alles so niemals funktioniert hätte“, sagt Wolf, die die Unterstützung ihres Umfeldes sehr wertschätzet. „Auch unserem Bundestrainer Volker Ziegler bin ich wirklich dankbar – er wusste als einer der ersten von meiner Schwangerschaft und hat mich bei meinem Weg zurück aus der Babypause sehr unterstützt.“ Die Elternzeit der 32-Jährigen ging bis Ende September, also bis nach den ursprünglich geplanten Paralympics. Ab Oktober 2020 wollte sie dann einen Teilzeitstelle an der Goethe-Universität antreten und sich nebenbei mit ihrer Doktorarbeit beschäftigen. Soweit der Plan – doch dann breitete sich bekanntlich ein Virus auf der ganzen Welt aus und alles kam anders.
Die Verschiebung der Paralympischen Spiele war für Juliane Wolf schließlich nicht mehr überraschend: „Mir war relativ früh klar, dass Tokio unter diesen Voraussetzungen wohl nicht stattfinden wird“, berichtet sie. Trotzdem hielt sie sich bis zur offiziellen Verschiebung der Spiele so gut es ging in Form. „Als der erste Lockdown im Frühjahr 2020 kam, bin ich mit meiner Familie in eine Einliegerwohnung zu meinem Papa gezogen. Dort habe ich im Keller an einem alten Tisch aus dem Baumarkt mit Thomas jeden Tag trainiert und mit meiner elfjährigen Schwester Stabi-Übungen gemacht.“
Ihr geregeltes Training hatte sie im Mai bereits wieder aufgenommen. Am Bundesstützpunkt in Frankfurt war das Training für Bundeskaderathleten wieder möglich und Juliane Wolf profitierte sehr von der kleinen Trainingsgruppe und der intensiven Betreuung. „Mit Tobias Beck und Katharina Sabo habe ich in Frankfurt wirklich ein super Trainerteam, das mich richtig nach vorne gebracht hat“, betont die 32-Jährige. „Da nur so wenige Sportler überhaupt trainieren durften, waren die Trainingszeiten sehr flexibel und die Betreuung extrem gut.“ Ab Sommer konnten auch Trainingsmaßnahmen der Nationalmannschaft wieder stattfinden und Wolf gelang ein sehr guter Saisoneinstieg in der Oberliga.
Ihre Stelle an der Universität Frankfurt trat sie im Oktober trotz der Verschiebung der Paralympics pünktlich an. Sie einigte sich mit ihrem Chef allerdings auf einen niedrigeren Stundenumfang als ursprünglich angedacht, um sich noch ein weiteres Jahr intensiv ihrem Sport zu widmen. Durch die Pandemie gestaltete sich der Jobeinstieg ohnehin anders als gedacht: Ihre Seminare mussten nun digital und nicht in Präsenz gehalten werden – zunächst eine Umgewöhnung für die gebürtige Brandenburgerin. „Der Oktober war schon sehr stressig, da hat das Training durchaus etwas gelitten“, berichtet Wolf.
Warnung für betroffene Athleten: „Nach einer Infektion unbedingt gründlich untersuchen lassen“
Und dann folgte im November die Corona-Diagnose. „Plötzlich konnte ich absolut nichts mehr riechen, da wurde ich misstrauisch – wir haben uns sofort in Quarantäne begeben und so schnell wie möglich einen Test gemacht“, schildert Wolf und fügt an: „Der war sowohl bei Thomas als auch bei mir positiv.“ Sie vermutet, dass die kleine Frieda Charlotte das Virus aus der Kita mitgebracht haben könnte. „Wir haben uns seit Beginn der Pandemie sehr vorsichtig verhalten und hatten sehr wenige Kontakte. Frieda Charlotte war, kurz bevor unsere Symptome aufgetreten sind, leicht erkältet – möglicherweise hat sie uns angesteckt.“ Trainieren konnte Juliane Wolf anschließend erst einmal nicht mehr, Anfang des Jahres 2021 wollte sie eigentlich wieder einsteigen. Doch nun macht ihr die Herzmuskelentzündung erneut einen Strich durch die Rechnung.
„Damit ist nicht zu spaßen, ich muss mich wirklich schonen. Meine Kardiologin hat gesagt, ich soll darauf achten, dass mein Puls nicht über 120 geht – damit ist normales Training momentan so gut wie ausgeschlossen.“ Die Wahl-Frankfurterin sieht ihren eigenen Fall auch als Alarmzeichen für andere Sportler: „Dass ich nun wirklich eine Herzmuskelentzündung als Folge meiner Corona-Infektion habe, sollte auf jeden Fall eine Warnung für betroffene Athleten sein, sich unbedingt gründlich untersuchen zu lassen, bevor sie wieder ins Training einsteigen“, sagt sie. „Gerade Leistungssportler sind durch ihre hohen Belastungen in einem solchen Fall sehr gefährdet.“
Juliane Wolf hofft, dass die Entzündung schnell abklingt und sie von ihren Ärzten nach dem nächsten MRT Anfang Februar grünes Licht bekommt. „Generell habe ich gelernt, dass die Welt nicht untergeht, wenn die Trainingsumfänge mal eine Weile nicht stimmen“, schmunzelt sie. „Ich konnte nach meiner Babypause recht schnell an meine Leistung anknüpfen und bin sowieso der Typ, der eher mit weniger intensiven Einheiten klarkommt. Allerdings möchte ich, wenn ich noch einmal die Chance habe, bei den Paralympics zu starten, auch mindestens eine Medaille holen“, definiert die ehrgeizige Sportlerin ihre Ziele. Bei ihrer ersten Teilnahme in Rio de Janeiro wurde sie Vierte und schrammte damit nur knapp an einer Medaille vorbei. „Das kann mir zum Glück nicht noch einmal passieren, da der vierte Platz in Tokio nicht ausgespielt wird“, sagt Wolf mit einem Augenzwinkern. „Die Niederlage im Spiel um Bronze damals war schon hart, da hat mein Kopf einfach nicht mehr mitgespielt.“ Von dieser Erfahrung erhofft sich die 32-Jährige, in Tokio profitieren zu können. „Ich denke, dass es hilft, wenn man schon einmal Paralympics gespielt hat und die besonderen Umstände miterlebt hat.“
Hoffnung auf Medaillen im Einzel- und im Teamwettbewerb – und auf die Austragung der Spiele
Ihrer Meinung nach wird der mentale Aspekt in Tokio eine noch größere Rolle spielen als sonst: „Das letzte Turnier auf internationaler Ebene hat im März 2020 stattgefunden und abgesehen vom Qualifikationsturnier, auf dem die letzten Plätze für die Paralympics vergeben werden sollen, wird wahrscheinlich auch nichts mehr stattfinden. Es hat also niemand Wettkampfpraxis, in den meisten Ländern wurde wie in Deutschland auch der Ligabetrieb vorerst eingestellt. Es kommt also besonders auf den Kopf an, wenn man schließlich in Tokio am Tisch steht.“
Da bei den Paralympics 2020+1 im Teamwettbewerb der Damen dieses Mal die Wettkampfklasse 6-8 ausgespielt wird und nicht wie noch in Rio die Wettkampfklassen 6-10 zusammengelegt werden, rechnet sich Juliane Wolf mit ihrer Partnerin Stephanie Grebe (WK 6) auch dort eine Medaillenchance aus. „Wenn wir beide Top-Form haben, sind wir schon ein ernstzunehmendes Team in dieser Wettkampfklasse“, konstatiert sie. Eine komplette Absage der Spiele würde die aktuelle Nummer vier der Weltrangliste hart treffen: „Ich hoffe wirklich, dass die Paralympics stattfinden werden. Für mich ist die Teilnahme an den Wettkämpfen Anreiz genug, ich kann zur Not auch auf das Drumherum verzichten. Sollten Sie ganz ausfallen, weiß ich nicht, wie ich reagieren werde. Ich habe so viel in meinem Leben auf diesen Wettkampf ausgerichtet – das wäre einfach sehr bitter.“
Zunächst bleibt Juliane Wolf zuversichtlich und hofft, dass sie schnellstmöglich wieder gesund ist und schon bald wieder an Vorbereitungsmaßnahmen der Nationalmannschaft teilnehmen kann: „Ich habe mittlerweile vier Lehrgänge verpasst. Mir fehlt das Team wirklich und ich hoffe, dass ich bald wieder dazu stoßen werde.“ Langweilig wird Juliane in der Zwischenzeit allerdings ganz bestimmt nicht. Schließlich ist da ja immer noch die kleine Frieda Charlotte, die mit dem Homeoffice unter einen Hut gebracht werden muss, wenn die Kita im Zuge der Corona-Pandemie mal wieder schließt.
Doch das geht die Athletin der Para-Tischtennis Nationalmannschaft genauso positiv an wie alles in dieser herausfordernden Zeit: „Man muss einfach versuchen, das Beste aus jeder Situation zu machen.“
Quelle: Deutscher Behindertensportverband e.V.
National Paralympic Committee Germany
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