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05
01
2019

Prof. Dr. Helmut Digel vollendet am Sonnabend, dem 6. Januar 2024, sein 80. Lebensjahr. - Foto: Horst Milde

Helmut Digel vollendet 75. Lebensjahr

By GRR 0

Der renommierte Tübinger Sportwissenschaftler und international hoch anerkannte Sportfunktionär Prof. Dr. Helmut Digel vollendet am Sonntag, dem 6. Januar 2019, sein 75. Lebensjahr.

Der Jubilar kann auf eine einzigartige „duale Karriere“ in der Sportwissenschaft mit Schwerpunkten in der Sportsoziologie und zum anderen innerhalb der Sportorganisationen zurückblicken, die ihresgleichen sucht.

Und es kommt noch etwas Aktuelles hinzu: Selbst mit 75 Jahren ist das akademische Lebenswerk von Helmut Digel noch längst nicht vollendet. Helmut Digel ist weiterhin „auf Arbeit“ …

Helmut Digel wurde in Aalen im Osten Baden-Württembergs geboren. Seine eigene Sportbiografie hatte neben der Liebe zur Leichtathletik und später zum Skisport bald einen Höhepunkt im Handball, wo er von 1964 bis 1976 beim SV Möhringen, einem Sportverein Stadtbezirk von Stuttgart, vorzugsweise auf der Position „Rückraum-Mitte“ als Gründungsmitglied in der (damals noch zweigleisigen) Bundesliga spielte. Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn war es auch der Handballsport, der ihm neben seinem Studium auch noch eine Trainerlaufbahn eröffnete.

Helmut Digel studierte in Tübingen die Fächer Germanistik, Sportwissenschaft und Erziehungswissenschaft für das Lehramt am Gymnasium und wurde 1976 bei Ommo Grupe (1930-2015) mit einer bis heute wegweisenden (empirischen) Arbeit über „Sprache und Sprechen im Sport. Eine Untersuchung am Beispiel des Hallenhandballs“ promoviert.

Er lehrte als ordentlicher Universitäts-Professor zunächst an der Goethe Universität in Frankfurt und danach an der TH Darmstadt, bevor er dem Ruf auf die Nachfolge von Grupe in Tübingen folgte und hier von 2002 bis 2010 bis zu seiner Emeritierung das in Fachkreisen hoch angesehene Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen als Direktor leitete. Digel hatte auch mehrere Rufe von anderen Universitäten (Hamburg, Bielefeld und Bayreuth) erhalten, diese aber alle abgelehnt.

In Lehre und Forschung hat sich Helmut Digel überwiegend mit sportsoziologischen Fragen des Sports, insbesondere des Hochleistungssports, des olympischen Sports, aber auch des Sports in Vereinen und Verbänden befasst und dies stets in humanem Interesse getan.

Zu seinem gedruckten Werk gehören allein 31 Monografien und weitere zwölf Bände, bei denen Helmut Digel als (Mit-) Herausgeber fungiert. Stellvertretend seien hier wenigstens vier aus vier Jahrzehnten genannt, die auch etwas von der thematischen Breite seines Schaffens andeuten: Sport in der Entwicklungszusammenarbeit (1989), Probleme und Perspektiven der Sportentwicklung – dargestellt am Beispiel der Leichtathletik (1997), Über Ethik, Globalisierung, Frieden und Olympismus (2007, zusammen mit Ommo Grupe) und Verlorener Kampf (2013).

Helmut Digel hat während seiner Berufsbiografie durchgängig wie kein anderer Kollege aus der Sportwissenschaft zahlreiche nationale und internationale ehrenamtliche Funktionen im Sport übernommen.

Beim Versuch einer kompletten Aufzählung und Würdigung unterläuft man stets der Gefahr, ein wichtiges Amt zu vergessen – daher seien exemplarisch nur die folgenden in Erinnerung gerufen:

Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (1983-1987), Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV, 1903-2000, ab 2002 Ehrenpräsident), Mitglied und Vizepräsident im Nationalen Olympischen Komitee (1993-2002 und danach von 2002 bis zur Auflösung 2006 Ehrenmitglied); von 2001 bis 2007 war Digel Vizepräsident des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF), von 2007 bis 2015 gehörte er dem Council der IAAF an.

Aktuell ist Helmut Digel noch Vorsitzender der Wissenschaftlichen Beiräte beim Deutschen Golf-Verband und beim Deutschen Handballbund sowie Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Schulsportstiftung.

Und was allein sein Wirken in Gremien des damaligen Deutschen Sportbundes (DSB) anbelangt, müssen folgende Funktionen unbedingt Erwähnung finden: Von 1978 bis 1990 gehörte er dem wissenschaftlichen Beirat des DSB an, davon die meiste Zeit als leitendes Mitglied.

Von 1990 bis 1994 war er Vorsitzender des Bundesausschusses für Bildung, Gesundheit und Wissenschaft und damit Mitglied im Präsidium des DSB. In dieser Zeit sind mit seiner Beteiligung u.a. wichtige bildungs- und wissenschaftspolitische Papiere wie die Memoranden zur Sportwissenschaft und zum Hochschulsport sowie das 2. Aktionsprogramm zum Schulsport entstanden.

Für seine ehrenamtliche Arbeit wurde er u.a. mit dem „Fair Play“-Preis des Deutschen Sparkassenverbandes und mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Für seine wissenschaftliche Arbeit verlieh ihm das IOC den „President´s Price“ im Jahr 2000. Für die Verdienste um das Land Baden-Württemberg wurde ihm im Jahr 2004 vom Ministerpräsident des Landes die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen. In den Jahren 1994 und 1998 war Helmut Digel Sportfunktionär des Jahres.

Nach seinem Rückzug von den Tätigkeiten in der nationalen und internationalen Leichtathletik hat sich Helmut Digel gegen Vorwürfe wehren müssen, die ihn in Verbindung mit den kriminellen Dopingmachenschaften des Präsidenten der IAAF gebracht haben. Dabei hat er stets beteuert und öffentlich vertreten, dass sein Engagement in den Organisationen des Sports einzig und allein im Anti-Doping-Kampf begründet ist.

Dies war der Grund, warum Theo Rous, der damalige Vorsitzende der Anti-Doping-Kommission des DLV, ihn 1993 gebeten hatte, für das Amt des DLV-Präsidenten zu kandidieren, um dem DLV bei seinen umfassenden Dopingproblemen zu helfen (erinnert sei u.a. an den Medikamentenmissbrauch von Katrin Krabbe und den Dopingtod von Birgit Dressel).

Sein Engagement wird auch in mehreren seiner Bücher und vielen wissenschaftlichen Beiträgen belegt. Es spiegelt sich außerdem auch in vielen politischen Initiativen wider: Helmut Digel war gegenüber dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily der Erste, der ein Anti-Doping-Gesetz gefordert hat. Bereits 1999 hatte Digel u.a. vorgeschlagen, die Weltrekordlisten in der Leichtathletik ab 2000 neu zu eröffnen, um damit einen Schlussstrich unter das Zwangsdoping in der DDR zu ziehen.

Auch als Ruheständler ist Helmut Digel weiterhin „weltweit“ medial aktiv: Sein Online-Magazin „sport-quergedacht.de“ findet immer größere Resonanz mit gehaltvollen (vorwiegend essayistischen) Beiträgen zu aktuellen Fragen und Problemen sowie zur kritisch-konstruktiven Entwicklung des Sports. Das Ganze ist angereichert mit der ebenso einzigartigen Online-Galerie „Kunst und Sport“.

Helmut Digel ist nun vorrangig Heimarbeiter. Seit fünf Jahren wohnt er in den Chiemgauer Alpen, wohin ihn seine Frau zum Umzug von Tübingen aus überredet hat. Helmut Digel gefällt‘s im Chiemgau – nicht zuletzt, weil er hier im örtlichen Sportverein eine neue Heimat bei den „Donnerstags-Turnern“ (ab jetzt in der AK 75!) des SV Unterwössen im Achental (Landkreis Traunstein) gefunden hat.

Prof. Detlef Kuhlmann

 

 

author: GRR