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12
04
2020

Begegnung mit Haile: Das war der Beginn dieser Idee – die Begegnung mit Haile Gebrselassie 2005. Klaus Weidt übergab ihm ein T-Shirt der Reisegruppe mit dem Bild von Abebe Bikila - Foto Klaus Weidt

Hailes „Marathon“-Idee … brachte eine Erfolgsgeschichte zustande: Den Bau einer äthiopischen Dorfschule durch Läuferspenden. 643 Kinder lernen heute dort, wo es früher unmöglich war – Klaus Weidt hat diese Geschichte begleitet

By GRR 0

Haile Gebrselassie kennen sie natürlich. Sie wissen auch, dass er Marathon läuft, erfolgreich über viele Jahre, worauf sie mächtig stolz sind. Schließlich heißt ihre Schule so – „Marathon“.

Doch 42,195 km ist noch keiner der 643 Kinder gerannt, die heute im äthiopischen Dorf Shafamu lernen. In einem Dorf im Gebiet der Guarage-Stämme. Ihre Schule wurde einst aus so benannt, weil deutsche Marathonläufer mit ihren Spenden den Grundstein dafür gaben.

Alljährlich besuchte ab 2006 eine deutsche Laufreise-Gruppe mit Sach- und Geldspenden die sich entwickelnde Schule im Dorf Shafamu, organisiert von der Agentur „Reisezeit“ – Foto: Klaus WEidt

Eine Erfolgsgeschichte, wie sich bald herausstellen sollte.

Die Idee wurde in Addis Abeba geboren. Damals 2005. Erstmals hatten deutsche Läufer am legendären Abebe-Bikila-Marathon teilgenommen, was Haile Gebrselassie dermaßen imponierte, dass er gleich alle 20 in seine Villa einlud und bewirtete. „Ihr seid die ersten Läufer aus Deutschland bei uns. Herzlich willkommen!“

Zuvor schaukelte die Reisegruppe noch durch die Weiten des arg gebeutelten afrikanischen Landes und hinterließ viele Gedanken. Wie können wir ein wenig helfen? Frage an unseren prominenten Gastgeber. Der lächelte und schlug vor, was alle verblüffte: „Baut eine kleine Schule, dort, wo es keine gibt.“  

Einer Sensation gleich kam die Anlieferung von (nach Fotos) angefertigten Schulmöbeln – Foto:Klaus Weidt

Ein Jahr später hatten wir ein Gebiet, etwa 220 km südlich von Addis Abeba gefunden, dort, wo man bisher keinen Schulunterricht kannte. Ein Dorf namens Shafamu mit 450 Rundhütten, scheinbar am Ende der Welt. Keine Elektrizität, kein Wasser, keine Straßen. Gemeinsam mit Haile starten wir einen Spenden-Aufruf.

Der Rennsteiglauf überwies 1000 Euro, der Semliner Dreiseen-Lauf schloss sich an, im westfälischen Frankenthal sammelte die Familie Meyer, in Stendal die Laufgruppe Haeder, auch aus Schortens kam Geld zusammen, und am „Reisezeit“-Stand des BERLIN-MARATHON wurden Spenden übergeben.

Bald stand schon ein Klassenraum, mit einigen Balken statt Sitzmöbel, immerhin aber mit einer Tafel und zwei Lehrern. Dann wurde weiter auf- und ausgebaut. Am 9. Juni 2007 konnte die Schule „Marathon“ eröffnet werden. Mit Reden, viel Gesang und einem Fußballspiel zwischen einer deutschen Reisegruppe und einer „Schulauswahl“: 2:2. Die Fotos von jener bedeutenden Premiere hängen heute noch im Zimmerchen des Direktors.

Seitdem besuchten wir „Marathon“ in jedem Jahr.

Und mit neuen Geld- und Sachspenden konnte viel erreicht werden. Die ersten Schulbänke wurden nach Fotovorlagen von einer engagierten Tischlerei in der Bezirksstadt Welkite angefertigt. Als dann die Möbel auf zwei Lastwagen angeschaukelt kamen, lief das halbe Dorf zusammen.

Aber nicht die Kinder durften zuerst davon Besitz einnehmen, nein – der Ältestenrat zwängte sich da hinein. Als wir später Glasfenster in einige Fenster einsetzen ließen, staunten die Dorfbewohner und tanzten vor Freude nach Art der hier ansässigen Stämme.

Heute stehen im weitläufigen Objekt vier Gebäude. In denen sind elf Klassenräume eingerichtet, dazu ein einfaches Labor, eine kleine Bücherei. Zusätzlich noch eine Lehrerunterkunft. Letztere, einfach, aber liebevoll ausgestaltet, erwies sich als Segen. Brauchten doch nicht alle mehr während der viermonatigen Regenzeit kilometerweit durch die schlammigen Felder stapfen. 21 Lehrer stehen für die 643 Schülerinnen und Schüler – vorwiegend koptische Christen und Moslems – ganztags zur Verfügung. Dazu eine Bibliothekarin, drei Vorschulerzieher, ein Direktor.

Dieser, ein junger Mann namens Abraham Moshe, bat mich beim letzten Besuch, noch einmal allen deutschen Läufern, die durch ihre Spenden diese Schule ermöglichten, zu danken. Zahlreiche Patenschaften hatten sich in der neunjährigen Bauzeit gebildet. Stolz erzählte er, dass die Schule „Marathon“ eine Warteliste einrichten musste, weil sich alle Schulanfänger der Region um einen Platz in ihr reißen. „Wir erhielten von der Schulbehörde bereits einige Auszeichnungen für unsere Arbeit.“

In 200 gesponserten T.Shirts des Semliner Seenlaufs liefen die Schüler durch das weitläufige Gelände der „Marathon“-Dorfschule – Foto: Klaus Weidt

Und er dachte schon voraus: Eine größere Bibliothek möchte er gern einrichten, weil diese die Voraussetzung für eine weitere Klassenstufe, nämlich die achte, sein würde. Von einem Wasserbrunnen träumte er, damit das dringend benötigte Nass nicht immer vom fünf Kilometer entfernten Bach mit einem Esel geholt werden muss.

Blick auf einen Teil der flachen Schulgebäude – Foto: Klaus Weidt

Ja, und eine Laufbahn, vielleicht ein Kilometer lang, rund um das eingezäunte „Marathon“-Schulterrain sollte es auch mal sein.

Ob Haile da den Startschuss geben würde?

Ich glaube, ich muss da mal nachfragen…

Klaus Weidt

Eine der elf Klassenräume der Schule – Foto: Klaus Weidt

 

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR