Malaika Mihambo präsentiert sich nach ihrem Goldsprung den Zuschauern. - 2019 World Outdoor Championships Doha, Qatar Sept27-Oct 06, 2019 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com
Gold bei Leichtathletik-WM DOHA 2019: Malaika Mihambo krönt eine perfekte Saison – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Malaika Mihambo hat den zweiten Titel für Deutschland bei der Leichtathletik-WM in Qatar gewonnen. Im Weitsprung sichert sie sich die Goldmedaille – mit dem größten Vorsprung der WM-Geschichte. Speerwerfer Johannes Vetter gewinnt Bronze.
Drei Sprünge brauchte Europameisterin Malaika Mihambo, dann war die Ordnung des Jahres wieder hergestellt: mit ihr an der Spitze.
Auf 7,30 Meter flog sie am Sonntag bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha, 14 Zentimeter weiter als bei ihrem bis dato weitesten Sprung, 7,16 Meter beim Gewinn der deutschen Meisterschaft in diesem Sommer in Berlin. Kurz zuckte die Faust in die Höhe, kurz huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, und schon war sie wieder konzentriert.
Doch als die Konkurrentinnen sie umarmten und gratulierten, da taute sie auf.
Alle wussten: Dies war ihr zehnter Wettkampf des Jahres, der wichtigste. Ausgerechnet in diesem würde sie nicht ihre erste Niederlage kassieren. Lachend schüttelte sie ihre beiden Hände in einer sprechenden Geste: Ein bisschen Bammel hatte sie nach gerade mal sechseinhalb Metern und einem ungültigen Versuch schon gehabt. Da kam der Riesensatz gerade zum richtigen Zeitpunkt. Nach einem Aussetzer ließ sie 7,09 Meter folgen und, nachdem sie sich die Lippen nachgezogen hatte, 7,16 Meter.
„Vier Wochen Zeit, Thailand kennenzulernen“
Montagfrüh fliegt sie bereits nach Bangkok, die Tasche mit der Goldmedaille sollte ihre Mutter heim nach Deutschland bringen. „Ich nehme mir jetzt vier Wochen Zeit, Thailand kennenzulernen“, sagte sie. Sich Zeit für sich zu nehmen, wieder mit dem Rucksack zu reisen, das hatte sie unabhängig vom Ausgang dieses Wettbewerbs geplant, das war ihr wichtiger, als sich jetzt zu Hause feiern zu lassen.
Im November beginnt die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, das nächste große Ziel der besten Weitspringerin der Welt.
Bis auf 18 Zentimeter hat sich die 25 Jahre alte Studentin aus Oftersheim bei Heidelberg mit diesem siebten Sieg mit einer Weite jenseits von sieben Metern nun dem deutschen Rekord von Heike Drechsler aus dem Jahr 1988 genähert. Die Weitspringerin aus Jena war vor und nach dem Fall der Mauer, 1983 in Helsinki und 1993 in Stuttgart, Weltmeisterin, die bislang einzige deutsche, und ist Olympiasiegerin von Barcelona 1992 und Sydney 2000. Silber gewann die Ukrainerin Maryna Bech-Romantschuk (6,92 Meter) vor der Nigerianerin Ese Brume mit 6,91 Metern. Die viermalige Weltmeisterin Brittney Reese aus den Vereinigten Staaten scheiterte in der Qualifikation.
Mit 6,52 Meter stieg Mihambo in den Wettkampf ein, verschenkte dabei aber etwa einen halben Meter beim Absprung. Der zweite Satz war ungültig – aber dann: Mit der achtbesten Weite der Leichtathletik-Geschichte krönte sich Mihambo bereits im dritten Durchgang zur Weltmeisterin.
„Da müsste schon ein Wunder passieren, dass jetzt noch was schiefgeht“, sagte ihr Trainer Ralf Weber auf der Tribüne. Vor dem Wettkampf hatte sie meditiert, im Wettkampf streckte sie sich zur Entspannung auf der Bahn aus. In der Qualifikation hatte Malaika Mihambo 6,98 Meter erreicht, obwohl sie zwanzig Zentimeter vor dem Balken absprang. 7,20 Meter hatte ihr Trainer als erreichbare Weite prognostiziert.
Mihambo hat den schnellsten Anlauf in ihrer Disziplin und war, als Dritte der deutschen Meisterschaft, auch über 100 Meter für die WM qualifiziert. Erst bei den Olympischen Spielen in Tokio will sie in beiden Wettbewerben starten und womöglich auch einen Platz in der Staffel einnehmen.
Während Malaika Mihambo also aus ihrer Dominanz im Weitsprung fast wie selbstverständlich WM-Gold gemacht hat, blieb für Johannes Vetter, den stärksten der vier hoch gewetteten deutschen Speerwerfer, am letzten Abend der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nur Bronze.
Vetter, der Titelverteidiger, begann seinen Wettbewerb ähnlich wie die Kollegin vom Weitsprung. Sein erster Wurf ging rechts über die Begrenzung, der zweite auf 85,37 Meter – 1,32 Meter kürzer als der Wurf von Anderson Peters aus Grenada, der vermutlich auch sich selbst überrascht hatte mit einem Wurf von 86,69, einer Verbesserung seiner Bestleistung um zwei Meter.
Johannes Vetter – Foto: Victah Sailer
Dann allerdings stagnierte Vetter, der in der Qualifikation noch scheinbar mühelos 89,65 Meter erreicht hatte – eine Weite, mit der er am Sonntag Weltmeister geworden wäre. Auf Platz zwei schob sich der Este Magnus Kirt mit 86,21 Meter, verletzte sich beim fünften Wurf und konnte nicht weitermachen, verdiente sich damit aber Silber. „Es war ein langes Jahr für uns alle, besonders für Thomas und Andreas, aber auch für mich mit vielen Verletzungen“, sagte der 26 Jahre alte Vetter
„Das Niveau war nicht gut. Ich hätte Gold gewinnen können, aber ich habe nicht Gold verloren, sondern Bronze gewonnen.“ Vetter war immer wieder verletzt ausgefallen; mal war es der Rücken, dann die Adduktoren, und schließlich erlitt er eine Fußverletzung. Dazu kam ein abgesplittertes Knorpelstück im Bein.
Julian Weber belegte mit 81,26 Meter Platz sechs. Olympiasieger und Europameister Thomas Röhler und der deutsche Meister Andreas Hofmann scheiterten in der Qualifikation. Obenauf war dagegen Peters, der in den Vereinigten Staaten studiert. „Ich habe mich mein ganzes Leben darauf vorbereitet, Weltmeister zu werden“, tönte der 21-Jährige, „und Olympiasieger.“
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 6. Oktober 2019
Korrespondent für Sport in Berlin.