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24
10
2018

Laufzeit 1990 - Erste Ausgabe. Foto: Laufzeit

Glückwunsch, Mister Marathon! Von Klaus Weidt in Laufzeit & Condition

By GRR 0

Klaus Weidt erinnert sich gern an seine Begegnungen mit Horst Milde, besonders an jene Zeit, als LAUFZEIT ins Laufen gebracht wurde.

Vor 45 Jahren hob der Tempelhofer Konditormeister und Mittelstreckler Horst Milde im Berliner Grunewald mit vielen Mitstreitern den ersten BERLIN-MARATHON aus der Taufe.

Am 16. September 2018 feierte dieser somit ein Jubiläum. Der heutige Pensionär kann sich über diesen Erfolg freuen, hat er doch zig Tausende zum Laufen gebracht. Am 24. Oktober wird man ihm noch einmal gratulieren.

Horst Milde wird 80!

Auch meine persönliche „Laufbahn“ hat er übrigens wei(d)tgehend mitbestimmt. Immerhin seit 1990. Dafür ein persönliches Dankeschön und an dieser Stelle einige Milde-Erinnerungen.

Er ist ein Mann, der scheinbar das Gras wachsen hört. Am Neujahrstag 1990 waren wir noch euphorisch mit den 25.000 durch das Brandenburger Tor gerannt, einen Tag später saß ich mit einigen journalistischen Mitstreitern bei meiner Geburtstagsnachfeier zusammen und wir beschlossen, nun endlich das zu realisieren, was uns jahrelang von den DDR-Sportoberen verwehrt blieb – eine Laufzeitung ins Leben zu rufen. Nur 14 Tage später bimmelte bei mir zu Hause das Telefon, und eine leicht heisere Stimme meldete sich so: „Hier ist Milde aus Tempelhof.“

Wahrscheinlich hatte es mir die Sprache verschlagen, jedenfalls ergänzte der Anrufer schnell: „Horst Milde vom Berlin-Marathon.“ Und der fragte an, ob es wahr wäre, was er gehört habe: „Ihr macht ein neues Laufjournal in Berlin, im Osten? Tatsächlich?“

Dann verfiel er in seinen Berliner Dialekt: „Is ja ‘ne interessante Sache, auch für uns. Vielleicht wissen Se det nich, aber unser Marathon is sogar von Fachmedien schon in die Ecke jedrängt worden.“ Ich holte tief Luft, dachte, etwas Besseres als Marathonmann Milde kann dir gar nicht passieren und machte mit ihm einen Treff aus.

Am 8. Februar suchte ich die Bäckerei-Konditorei Milde in Tempelhof auf.

Wurde dort äußerst freundlich begrüßt und mit Gebäck und Kaffee auf den im Stau stehenden Bäckermeister und Marathonvater vertröstet. Der Kaffee war stark, der Kuchen mit viel Pudding und
Obststücken etwas zu süß. Als Horst Milde eintraf, schob er michzuallererst in seine „Marathonecke“.

Dieser etwa sechs Quadratmeter kleine Arbeitsraum war von einem Lagerraum mit einer Art spanischer
Wand abgetrennt worden. An den Wänden Fotos, Plakate, Lauftermine, Presseinfos, auf dem Schreibtisch Akten, Zeitungsstapel, Telefon und Faxgerät. Von dieser kleinen Laufwelt gingen also
jene großen Impulse aus, die inzwischen Tausende und Abertausende bewegten. „Ich wollte Ihnen nur mal zeigen, dass wir auch mit kleinen Brötchen großen Kuchen backen können“, erklärte er mir und erzählte beiläufig, wie er und seine Marathonhelfer in vielen Jahren Klinken putzten, ja selbst an parkende Autos Werbezettel für den nächsten Berlin-Marathon unter die Wischblätter schoben.

Geburtshelfer von LAUFZEIT

Dann führte er mich in seine recht stilvoll eingerichtete Wohnetage über der Konditorei, stellte mich seiner Tochter und einem Sohn (es war wohl Mark, der heutige Renndirektor) vor, holte einen Jubiläumsband des SCC Berlin aus dem Schrank und zeigte mir das Foto des einstigen Mittelstrecklers Milde, wie der mit seinen Staffelkameraden jubelte. Ein Mann, der in vieler Hinsicht bei den Charlottenburgern Geschichte schrieb.

Dann erst – Sohn Mark hatte noch einmal Kuchen aus der Erdetage angeschleppt – kamen wir zur Sache. Ich musste ihm die Story erzählen, wie wir, vier laufverrückte Journalisten aus Ostberlin, auf die Idee mit dem Laufjournal kamen und wie wir das Vorhaben nun auch tatsächlich schaffen wollten. Als ich in meine Tasche griff und ihm die detaillierte Konzeption einer neuen „LAUFZEIT“ auf den Tisch legte, dazu die Registriernummer 1728 des damaligen Presse- und Informationsamtes der DDR, waren alle Zweifel ausgeräumt.

Horst Milde, immer einer, der sagt, was er denkt, seine Emotionen aber zurückzuhalten weiß, zeigte sich nun doch angetan. „Also, wenn das was wird, habt ihr unsere ganze Unterstützung.“ Ehe ich mein letztes Plunderstück verzehrt hatte, fügte er noch hinzu: „Wenn ihr wollt, machen wir so eine Art Abkommen.“

Zwei Tage darauf schon informierte unter „gez. Horst Milde“ der SCC Berlin über das neue „deutsch-deutsche Laufsportmagazin“.

Wenig später flatterte ein „Vertrag über Zusammenarbeit zwischen der Redaktion LAUFZEIT und dem SC Charlottenburg“ in die Tempelhofer Bäckerei. Mit Mildes Unterschrift begann eine Gemeinsamkeit zum gegenseitigen Wohle, die bis heute andauert.

Bei Gelegenheit muss ich allerdings mal nachfragen, wie einst Horst Milde in nur 14 Tagen von unserer LAUFZEIT-Idee Wind bekommen hatte. Kann er wirklich Gras wachsen hören?

Aktiver Sportler und Organisator

Horst Milde (von seinen Freunden „Hotti“ genannt) kann stolz auf seine Lauf-Geschichte sein. Die SCC Events GmbH – ein Veranstaltungsunternehmen, das er einst mit aus der Taufe hob – organisiert heute übers Jahr mehr als 20 Lauf- und Triathlonveranstaltungen und ein großes Radrennen.

In die Wiege war dem gebürtigen Tempelhofer das alles nicht gelegt worden. Der gelernte Konditor wurde nach einem FU-Studium Diplom-Kaufmann und trainierte beim SC Charlottenburg Berlin. Mit der 3 x 1.000-m-Staffel seines Clubs wurde er zweimal Deutscher Meister. Seine Mittelstreckenzeiten konnten sich sehen lassen.

1974 startete er den ersten Berlin-Marathon, noch außerhalb der City, und entwickelte diesen zu einem der ersten großen Stadtmarathons Deutschlands. Eine Belastung, die er ohne die Unterstützung der Familie, besonders seiner Ehefrau Sabine, nicht hätte meistern können. 2004 übergab er den Staffelstab seinem Sohn Mark.

Für seine Verdienste erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande, wurde Mitglied des Vorstands der internationalen Marathon-Föderation AIMS und Sprecher der Interessengemeinschaft deutscher Straßenlaufveranstalter, German Road Races (GRR). Deren Webseite kann sich sehen und lesen lassen.

Na, und die Laufschuhe schnürt er heute noch, meist läuft er durch den Tempelhofer Park.

Glückwunsch, Horst – und halte künftig noch vieles auf dem Laufenden …

Klaus Weidt in Laufzeit & Condition – Oktober 2018

PS: Die Originalbilder aus dem Beitrag von Laufzeit & Condition fehlen noch, sie werden  später eingefügt!

Zeitzeugen-Video mit Horst Milde zur Entwicklung der Laufszene in Berlin:

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author: GRR