Radrennen - Symbolbild - Foto: Horst Milde
Giro d‘Italia 2021- DIE RUNDFAHRT DER GROSSEN EDELHELFER – Bernal Gesamtsieger, Helfer Martinez Fünfter – Von KLAUS BLUME
Wer hat nun wirklich den 104. Giro d‘Italia gewonnen? Der Kolumbianer Egal Bernal oder dessen Landsmann Daniel Martinez? Wer war dessen härtester Widersacher: Der Italiener Damiano Caruso oder dessen treuer spanischer Helfer Pello Bilbao?
In der Ergebnisliste findet ein jeder Bernal auf Platz eins, Martinez hingegen lediglich auf Rang sechs. Doch ohne Martinez‘ aufopferungsvolle Buckelei bergauf und dessen Übersicht in den schwindelerregenden Abfahrten hätte Bernal nach seinem Sieg 2019 in der Tour de France jetzt nicht im Giro triumphieren können.
Rückblick, vorletzte Giro-Etappe 2021: Vor dem Schlussanstieg hatte der Spanier Pello Bilbao seinen Team-Kapitän Damiano Caruso als Schutzschild, Tempomacher und Windschutz erbarmungslos über alle Pässe geschleppt. Doch dann rollte er zur Seite, Caruso klopfte ihm dankbar auf die Schulter, rief ein kurzes „Ciao“ – und trat beherzt in die Pedale – nunmehr allein.
Das Etappenziel erreichte Bernal – im Rosa Trikot des Gesamtführenden – als Zweiter. Neun Sekunden hinter ihm folgte der Mann, der ihn zuvor durch die unwirtliche Bergwelt geführt hatte: Landsmann Daniel Martinez. Den 25-Jährigen hatten sie zum britischen Super-Team Ineos geholt, weil diesen Zeitfahr-Spezialisten vor allem zwei Eigenschaften auszeichnen: Loaylität und Rennübersicht. Ein Edeldomestike, wie aus dem Lehrbuch des Radsports.
Ein Rennfahrer, wie einst der Pfälzer Udo Bölts. Ohne ihn wäre Jan Ullrich – Dopingvorwürfe hin oder her – nie zum Tour-Star aufgestiegen. Dessen Satz, oft durchs Peloton gebrüll – „quäl‘ dich, du Sau!“ – wurde im Radsport zum geflügelten Wort. Denn wenn Rennfahrer vom Schlage eines Udo Bölts ihre Stimme erhoben, wurde der große Star mitunter sehr kleinlaut. Ich erinnere mich an ein kleines Hotel, irgendwo in den Alpen. Dort hatten wir während einer Tour de France gemeinsam mit der Equipe des Amerikaners Lance Armstrong Quartier bezogen. Der New Yorker George Hincapie, Armstrongs getreuer Gesell‘, schnauzte den Meister aller Klassen beim Nachtisch an: „Wenn du hier ein privates Rennen gegen Pantani fahren willst, kannst du das tun – aber ohne uns. Überleg‘ dir das das bis morgen.“ Armstrong gab klein bei. Er wusste genau, dass nicht er, sondern Hincapie die Richtung vorgab.
In Ländern, in denen der Radsport eine ganz andere Rolle als bei uns in Deutschland spielt, werden die Edeldomestiken ebenso verehrt wie die Super-Stars. In der Schweiz, zum Beispiel, hat keine dieser Persönlichkeit als Domestike eine derartige Berühmtheit erreicht wie in den 1950er Jahren Emilio Croci Torti. Er war der Mannschaftdiener in Perfektion.
Selbstlos machte er sich als Helfer des großen Ferdi Kübler („Ferdi Nazionale“) nicht nur an der Tour de France 1950 einen Namen. Als er mit 91 Jahren starb, nahm die ganze Schweiz von ihm Abschied.
Klaus Blume
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