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03
2019

Wenig respektiert: Crossläufer im Gelände. - 2019 USA Cross Country Championships Tallahasse, Florida February 2, 2019 Photo: Victah Sailer@PhotoRun

Geringschätzung des Langlaufs : Crossläufer sind wahre Wikinger – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die Crossläufer ermitteln ihre Besten. Die Weltklasseathleten im Ausdauerbereich meiden die WM freilich wegen anderer Prioritäten. Die Liebhaber des Laufs über Stock und Stein treten auch an gegen die Geringschätzung des Langlaufs.

Sogar durch Wikinger-Territorium führt die Strecke bei der Cross-Weltmeisterschaft an diesem Samstag. Die Veranstalter haben eine Truppe mit Äxten, Spießen und, selbstverständlich, mit gehörnten Helmen verpflichtet, um die Rennen von Aarhus zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Sie schlagen ein Bierzelt auf, und für die Teilnehmer ist der Höhepunkt erreicht, wenn die Strecke sie das begrünte Dach des Moesgaard Museums hinaufgeführt hat, unter dem Artefakte aus der Wikinger-Zeit ausgestellt sind.

Der Gipfel dieser Weltmeisterschaft, die eine lange Party werden soll, ist allerdings, dass sie praktisch jedem offensteht; nun ja, jedem, der zehn Kilometer in höchstens 33 Minuten läuft, jeder, die nicht mehr als 37 Minuten braucht. Welch ein Angebot: gemeinsam mit Irine Cheptai oder Geoffrey Kamworor aus Kenia ins Rennen zu gehen. Kamworor, Weltmeister im Halbmarathon und Gewinner des New-York-Marathons, will in Dänemark zum dritten Mal nacheinander Cross-Weltmeister werden.

Seine Herausforderer kommen aus Äthiopien, Uganda und nicht zuletzt seinem Team. Japaner und Amerikaner sind dabei, auch Europäer, selbst wenn sie vor allem für das Kreuz mit dem Cross stehen. Ihre Besten haben keine Zeit fürs Gelände.

So spät im Winter müssen sie sich mit Höhentraining in Amerika oder Afrika auf die Bahn- und Straßenrennen des Sommers vorbereiten. Einige europäische Verbände schicken gar nicht erst Teilnehmer; den deutschen vertritt allein die deutsche Meisterin Elena Burkart.

Kampf um Aufmerksamkeit

Dafür hat die amerikanische Website letsrun.com Kelsey Bruce gemeldet. Die 26 Jahre alte Texanerin, die den Marathon bald unter 2:30 Stunden laufen will, geht nicht gerade als Favoritin ins Rennen.

Und doch gebühren auch ihr Respekt und Aufmerksamkeit. Sie tritt an gegen die Geringschätzung des Langlaufs, der mit dem Segen des Weltverbandes IAAF aus dem Programm der großen Sportfeste verschwinden soll, und gegen das Desinteresse am Cross obendrein.

Sprunghaftigkeit und die nach Sekunden zählende Aufmerksamkeit durchschnittlicher Fernsehzuschauer, das will sie beweisen, sind nicht das Maß, nach dem die Bedeutung dieser Disziplin zu bewerten sind.

Cross gehört wie die Straßenläufe in die Städte, in ihre Parks und Grünanlagen.

Kelsey Bruce und Elena Burkart sind in Wirklichkeit Wikinger, die dem Sport-Establishment aufs Dach steigen.

Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 30. März 2019

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR