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29
09
2018

Der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner und Dr. Erdmute Nieke - Foto: Henning Schacht von Amnesty International, entnommen aus: https://panphotos.org/petersblog/

Freiheit – Ein Nachtrag zum 45. Berlin-Marathon am 16. September 2018 von Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Es war ein ganz besonderer Marathon in diesem Jahr!

Als ich bei km 15 am Wasserstand kurz vor dem Kottbusser Tor lief, kam es bereits durch die Lautsprecher. Ein neuer Weltrekord!!!

Über Eliud Kipchoge ist inzwischen schon viel zu lesen. Am Abend bei der Marathonparty haben wir ihn hoch leben lassen. Im Blitzlicht der Handys und mit Feuerwerk der Veranstalter haben wir „Eliud, Eliud!“ gerufen bis zur Heiserkeit.

Aber noch ein zweites Erlebnis macht diesen Marathon zu einem ganz besonderen und einmaligen für mich.

Vor einem Jahr saß der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner in Silivri in Istanbul im Gefängnis. Er hat damals versucht auf seinem Gefängnishof zeitgleich zum Berlin-Marathon einen Marathon zu laufen. Der Tagesspiegel hatte darüber berichtet.

Der SCC hat Peter für 2018 einen Freistart geschenkt. DANKE, dem SCC dafür!!!

Peter hat aus dem Startplatz mit Amnesty International eine besondere Aktion gemacht. Am Potsdamer Platz wurde zeitgleich zum Marathon sein Gefängnishof nachgebaut. Peter hatte mir vorher gemailt, dass die Aktion 60 Meter von der Laufstrecke entfernt laufen würde, eine Auflage der Polizei aus Sicherheitsgründen.

Als ich am Potsdamer Platz war, verließ ich an einer Lücke die Absperrung mit dem Blick auf einen großen gelben Amnesty-International-Luftballon. Doch was war das?!

Ich habe zweimal als Helferin beim Berliner Gefängnislauf einen Gefängnishof von innen gesehen und musste am Potsdamer Platz feststellen, was für eine naive Vorstellung ich doch hatte.

Ein Gefängnishof? Nein, es war ein Käfig – Zoo – meine erste Assoziation.

Ich sah Peter gerade vor den Gittern. Eine freudige Begrüßung, wir hatten uns 18 Jahre nicht mehr gesehen… Eigentlich wollte ich mit ihm eine Runde in „seinem“ Gefängnishof laufen. Peter öffnete diese Käfigtür und ich stellte fest – mit bereits 38 km in den Beinen, dass eine 15 Meter Runde nichts ist!  Wir liefen gemeinsam drei Runden, dann rannte ich zurück zur Laufstrecke.

Gut drei Kilometer später beim Anblick des Brandenburger Tors flutete mein Kopfkino alle Bilder durcheinander: Da kam der Anblick des Tors aus dem Jahr 1988 hoch. Als junge Frau stand ich zum ersten Mal auf der Ostseite davor, der gesamte Pariser Platz war zugemauert. Dazu die Bilder dieses Gefängniskäfigs von gerade eben auf dem Potsdamer Platz. Dazu diese vielen Menschen an der Strecke und die Klänge aus den Lautsprechern und der Zielbogen auf der Straße des 17. Juni vor Augen. Der Kloß im Hals stieg auf und flutete meinen Blick mit Tränen.

Es ist eine Mischung aus Dankbarkeit für die Freiheit, in der über 40.000 Läufer*innen und Läufe aus aller Welt durch dieses symbolische Tor für die geteilte und wieder zusammen wachsende Stadt laufen und zugleich die Trauer im Gedenken an die vielen Menschen, die unschuldig im Gefängnis sitzen oder nicht in Freiheit leben und laufen können.

Laufen wir weiter für Freiheit und Demokratie und Menschenrechte, nicht nur beim Berlin-Marathon, sondern täglich und überall!

Ein besonderer Marathon 2018!

Dr. Erdmute Nieke

Foto: Henning Schacht von Amnesty International, entnommen aus:

https://panphotos.org/petersblog/

Die Geschichte des BERLIN-MARATHON mit einem Youtube-Video:

https://www.youtube.com/watch?v=sEGve18Drf8

 

 

 

 

 

author: GRR