Während aktuell die Bewältigung der Krise wegen der Folgen des Corona-Virus immer mehr von einem Sprint in das Regime eines Marathonlaufs mutiert, dürften die Folgen für die globale Laufszene mehr als gravierend sein.
Momentan geraten immer mehr Staaten in das Limit einer angemessenen Handhabung dieser Problematik und schon jetzt erscheinen die am Ende vollständigen Absagen der großen Laufveranstaltungen im Frühjahr 2020 in allen Belangen gerechtfertigt.
Wann wieder in großen Massen gelaufen werden kann, steht aus vielerlei Gründen derzeit in den Sternen. Die Tatsache, dass Topevents wie der London Marathon oder der Boston Marathon ihre Termine in den Herbst verschoben haben, mag der Hoffnung geschuldet sein, dass dann wieder „alles vorbei“ ist und die Normalität zurückkommt.
Bis Mitte September geht noch einige Zeit ins Land – ein gutes halbes Jahr – und da wird sich auch in Sachen Corona-Virus vieles getan haben. Insofern kann man gute Hoffnungen haben, dass dann der Laufzirkus wieder loslegt. Und – auch das ist letztlich dem Virus geschuldet – mit einer terminlichen Ballung von hochklassigen Events, die es in dieser Dichte in der Geschichte des Laufsports sicher noch nie gegeben hat. Fast im Wochentakt reichen sich Boston – Berlin – London – Chicago – Gdingen (HM-WM) – Amsterdam die Klinke. Ohne Pause geht es anschließend mit Frankfurt – Valencia (HM) – New York City – Seoul – Istanbul weiter.
In dem ansonsten etablierten und eingespielten Terminkalender mit einer mehr als sinnvollen Aufteilung der größten Veranstaltungen der Szene in das Frühjahr und den Herbst rutschen nun die Hochkaräter in Boston und London auch in die zweite Jahreshälfte und sorgen zusammen mit der gleichfalls verschobenen WM im Halbmarathon in Gdingen zu einer erheblichen zeitlichen Verdichtung im Angebot weltweit führender Marathonläufe.
Für Kenner der Szene kommt dann sofort das – aktuell vielleicht marginale – Problem der Eliteathlen auf, deren Pool im Regime der absoluten Weltklasse recht überschaubar ist. Bei dieser Flut von Toplevel-Events dürften sich damit auch die Tore für Läufer aus der zweiten Reihe öffnen. Was dann der internationale Verband mit der Vergabe seiner wenig sinnvollen Labels bezgl des Eliteathlesegments macht, wird sich zeigen müssen. Spannend wird es auch sein, ob das „Jahrhundert-Duell“ Kenenisa Bekele gegen Eliud Kipchoge in London eine verzögerte Auflage erfährt.
Als Konkurrent für dieses Duell könnte der Olympische Marathon Anfang August 2020 auftreten, den zusammen mit den restlichen Spielen IOC-Präsident Thomas Bach koste (das Verb passt bestens) es, was es wolle, auch gegen alle Bedenken in Sachen Virus durchsetzen will. Es wird mehr als aufschlussreich sein, wie sein durch massive finanzielle Interessen getriebenes Auftreten am Ende in ein Desaster führt. Dabei ist nicht nur zu bedenken, dass die Spiele erst in vier Monaten beginnen, sondern dass sich Athleten in der momentanen Ausnahmesituation auf die Wettkämpfe vorbereiten und in vielen Fällen noch qualifizieren müssen.
Herr Dr. Bach wäre nicht der erste Akteur mit Hang zu diktatorischen Attitüden, dem das Virus seine Grenzen aufzeigt.
Helmut Winter
Wichtigste Laufveranstaltungen im Herbst 2020: | ||
13. September | Kopenhagen Halbmarathon | DEN |
14. September | Boston Marathon | USA |
20. September | Buenos Aires Marathon Istanbul Halbmarathon |
ARG TUR |
27. September | Berlin Marathon | GER |
4. Oktober | London Marathon | GBR |
11. Oktober | Chicago Marathon | USA |
17. Oktober | Halbmarathon WM Gdingen | POL |
18. Oktober | Amsterdam Marathon Paris Marathon Toronto Waterfront Marathon Delhi Halbmarathon |
NED FRA CAN IND |
25. Oktober | Frankfurt Marathon Valencia Halbmarathon |
GER ESP |
1. November | New York City Marathon Seoul Marathon |
USA KOR |
8. November | Istanbul Marathon | TUR |