Lothar Pöhlitz -Foto: privat
Erst wenn Ihr „Job“ Training und Wettkämpfe sind, werden Läufer wieder „first“ bei Olympia sein. Von Lothar Pöhlitz*
30 Jahre nach der Wiedervereinigung zwischen der DDR und der BRD ist nun der deutsche Leistungssport bereits auf einem gemeinsamen Weg. Hildegard Falck – Sigrun Wodars – Nils Schumann – Dieter Baumann – Waldemar Cierpinski und viele andere Medaillengewinner haben in der Nachkriegszeit bewiesen das auch deutsche Läufer Olympiasieger bzw. das Weltniveau können.
Nun wäre es, nach einer schon zulangen Pause, Zeit für ein Come-back. Aufgabe für alle die im Hochleistungssport für Medaillen und den Nachwuchsleistungs-sport arbeiten, Zeit auch für Läufer für ein wieder „first in der Welt“. Dafür braucht das Land Hochbegabte mit dem Sieger-Gen, professionelle Bedingungen für die notwendigen 30-35 Stunden Training pro Woche wie wir es von den Weltbesten kennen, längere Höhenketten, Profi-Trainer mit Erfahrung und die notwendige sportmedizinisch-physiotherapeutische Begleitung.
Die Ergebnisse im letzten Olympiazyklus haben gezeigt, dass es nicht gereicht hat für das notwendige „Training der anderen“ und die Konkurrenzfähigkeit „öfter“ gegen die Champions bei League-Wettkämpfen und anderen großen Events.
Dies alles geht nur wenn „Ihr Job Training & Wettkämpfe“ sind
Weltspitze erfordert organisierten Kinder-Sport, Nachwuchsleistungstraining mit Begabten in Vereinen und an Sportschulen, professionelle Bedingungen, die richtige Profi-Mentalität, Leidenschaft, Entschlossenheit und die volle Konzentration der dafür Verantwortlichen vor allem auf die Aufgabe: Investitionen für Siege. Dafür müssen die Hochbegabten – nicht nur für die Leichtathletik – erst einmal „ausgegraben“ und geführt werden. Selbst Deutschlands U21-Fußball-National-Trainer Stefan Kuntz hat kürzlich das Angebot und Niveau der Nachwuchsausbildung im deutschen Fußball beklagt.
Die Kenntnis der Situation in beiden deutschen Staaten vor der „Wende“ erfordert, dass zuerst die Regierung, die Ministerpräsidenten und Bildungsminister der Länder wieder professionellen Hochleistungssport wollen. Vergleichbar zum Fußball, können auch in allen anderen Sportarten nur „echte Profis“ Leistungen erarbeiten die Olympiamedaillen ermöglichen.
Weltweite Erfahrung ist: Training und Wettkämpfe für Olympiamedaillen als Job lassen keine Nebentätigkeiten zu.
In den Jahren nach der Wende konnten wir uns bald den dafür erforderlichen Kinder- und Jugendsport nicht mehr leisten. In der DDR wurde, auch das Sinnvolle, wie beispielsweise die Kinder-Trainingszentren, mit der Doping-Keule zerschlagen. Viel Fachtrainer bewiesen im westlichen Ausland ihr Können. Die notwendigen materiellen Bedingungen und Übungsleiter bald in Ost und West eingespart.
Vielleicht helfen dem Sport wieder Sponsoren, die großen Firmen und die Sportartikel-Firmen, die früher wie selbstverständlich an deutschen Erfolgen interessiert waren. Sie lassen sich bestimmt für die dringenden Unterstützungen des Kinder- und Jugendsports in ihrer Region als Werbeträger überzeugen, wenn dort große Vereine oder echte Leistungszentren dafür Engagement zeigen.
Mit dem Corona-Virus hat das alles nichts zu tun, es hat alles nur deutlicher unsere Probleme offengelegt. Die nicht wenigen Weltspitzenleistungen im August – Oktober in der Welt haben bewiesen das Läufer ihr Hochleistungs-Training auch unter „fast Quarantänebedingungen“ erfolgreich fortgesetzt haben. Und wir wissen was sie dafür tun mussten. In dieser Zeit haben „drei unserer Mädels aus dem Weltniveau“ aus dem Lauf, Sprint und Sprung auf unsere Probleme aufmerksam gemacht und haben sich zur Olympiavorbereitung in den USA entschieden, für ein Training für die Weltspitze. Schade das Corona das bisher behinderte.
In Kenia beobachtet – so machten sie mehrere Runden – Foto: CC
Mentalität, wollen und hartes Training brauchen Lauf-Talente für große Erfolge
Die Entwicklung der Geschwindigkeiten, die neuen Weltrekorde auf der Straße, Leistungssteigerungen in den Rennen der Weltbesten haben ihre Ursachen in einem veränderten, auch individuellen, Hochleistungstraining, vor allem in der inzwischen gestiegenen Quantität in der Qualität des professionellen Höhentrainings und ihrer Begleitung und Organisation durch internationale Trainer, Ärzte, Physios und Manager. Natürlich hängt das alles mit Geld, z.T. viel Geld und der Unterstützung durch große Sponsoren und Medien ab. In Afrika sind sie auch Vorbild für die oft schon früh „nebenherlaufenden Kids“. Diesen Entwicklungsphasen müßten die Verantwortlichen und unsere deutschen Läufer bald folgen.
Feld-, Wald-, Gelände- und Straßentraining – Foto: s africarunning/Schneider
Das für die nichtinformierten Fans nicht einfach zu verstehen ist, warum sie zum Training nach Amerika wechseln ist nachzuvollziehen. Unwissen, auch weil Fach-Journalisten sie nicht aufklären, sich nicht einmal ernsthaft mit den Ursachen, wahren Gründen hinter den Kulissen, den dafür Zuständigen auseinandersetzen. Vielmehr säen sie Zweifel, bringen sie immer wieder „mit dort umstrittenen Trainern und Doping“ abwertend in Verbindung. Auch das ist schade. Dabei beobachtet man immer wieder das vor allem sie es sind, die Aufstiege und Niedergänge der Großen begleiten oder denen viele Zeilen „bergab“ einfallen, wenn es wieder keine Olympiasiege oder Medaillen gab. Leider helfen sie auch nicht den Finger in „die Wunde Kindersport“ in Schule und Verein und auch im TV zu stecken. Diese Problematik wird zumindest im nächsten Jahrzehnt „schuld sein“ wenn für uns zu wenig bei den großen Events der Weltbesten für GERMANY herausspringt
Es müssen schon früh die gefunden werden die „siegen wollen“ – Fotos: Pöhlitz
Trainer, Athleten und die „Voraussetzungsgeber“ müssen gemeinsam in die Weltspitze wollen
Weitspringerin Malaika Mihambo hat ihren Weg zum Training in die USA im Laufe der Saison einmal so begründet: „Nur wer den Weg in die Weltspitze geschafft hat und sich dort lange Zeit halten konnte, „kann ihn auch lehren“. Eine tolle Beobachtung.
Damit war sie bereits die Dritte nach Konstanze Klosterhalfen und Gina Lückenkemper die nach Amerika folgte, unzufrieden mit den Möglichkeiten im DLV/DOSB ihre Weltspitzen-Träume erfüllen zu können. Sie verbindet die gemachten Erfahrungen, das auch „Goldkörnchen“ unter den Talenten erfühlen das sie mehr können als sich nur für Olympische Spiele zu qualifizieren.
Sie wollen die Besten schlagen und für „Gold“ alles tun. Dafür brauchen auch Super-Talente Jahre, wenig gelobt im Untergrund, müssen sich Kids als Talente „entpuppen“, trainieren schon Jugendliche täglich. Und erregen das erste Mal richtig Aufmerksamkeit wenn sie – wie Konstanze Klosterhalfen – 2015 in Bergisch Gladbach über 3000 Meter in 8:53,21 min, den 36 Jahre alten deutschen U20-Rekord über diese Distanz verbesserte.
Dem Aufstieg über Jahre oder den Mängeln im Nachwuchsleistungstraining wird leider zu oft, auch durch fehlendes Wissen und Trainer, schon viel übertriebenes Lob, die frühe „Führung entsprechend ihres Talents“ aber verpasst.
Medaillen – Ziele erfordern zuerst tägliches Training
Drei „unserer Goldkörnchen“ haben es unter den Förderbedingungen in Deutschland bis ins Weltniveau geschafft. Das sie sich nun für mehr, für die Weltspitze, für Gold oder eine Medaille gegen die Größten entschieden macht viele ratlos. Es sind die Partnerschaften mit Spitzen-Coaches, stärkeren Partnern unter besseren Trainings- und Regenerationsbedingungen und die Unterstützung dortiger Ausrüsterfirmen Dabei muß man sich wundern warum es mit dem großen DLV-Generalausrüster NIKE unseren Athleten offensichtlich soviel „schlechter geht“.
Im Gegensatz von nicht wenigen Läufern die wegen der Pandemie nur „Ersatztraining“ konnten, sprach Norwegens 400 m Hürden-Ass Karsten Warholm im Zusammenhang mit seiner sensationellen Wettkampfserie 2020 trotz Corona von viel mehr Krafttraining, von der Möglichkeit mehr investierter Trainingszeit, von der Bereitschaft in den Rennen mehr als andere zu leiden und von notwendiger Mentalität für Spitzenziele.
Idriss Gonschinska (aktueller DLV-Generaldirektor und davor langjähriger Cheftrainer, für die aktuelle Situation mitverantwortlich) sagte dazu in FAZ im Juli 2020 wohl auch ein wenig resignierend: „Zugeben muß man, dass diese spezifischen Rahmenbedingungen für die drei Genannten die bisherigen Förderbedingungen in unserem System übertreffen“.
3-4x 45´ wöchentlich, wie in Kenia, brauchen auch unsere Läufer
Eine Reihe von Konsequenzen lassen sich m.E. aus dieser Problematik ableiten, wenn Deutschland wieder, auch in den 12 Laufstrecken der Männer und Frauen der 46 Leichtathletikdisziplinen bei den WM und Olympischen Spielen, dazugehören will:
- Die Trainings- und Förderbedingungen müssen für die Besten, „Hochbegabten“ professionellen Ansprüchen genügen und ganzjährig in 10-12 TE / 25-35 Stunden / Woche für ein Hochleistungstraining – wie es von den Weltbesten bekannt ist – nutzbar sein. Dafür werden bessere Trainingspartner, hauptamtliche Profi-Spitzen-Coaches – vielleicht auch aus dem Ausland – gebraucht.
- Bildung, Erziehung, Schul- und Vereinssport sind die Grundlage für eine neue junge Talentgeneration, die gesucht und wieder zu einem vielseitigem Sportangebot animiert, begleitet und in Vereinen und Nachwuchstrainingszentren ausgebildet werden müssen.
- Dafür müssen nicht nur die Nachwuchstrainer, sondern offensichtlich alle, durch „beste, erfolgreiche Trainer der Welt“ in Richtung erforderlicher Trainingsmethodik fortgebildet werden.
- Bundestrainer unterstützen vor Ort die Landesverbände, Olympiastützpunkte und Heimtrainer (dafür gab es früher einmal DLV-Koordinatoren) in ihrer Arbeit und führen regelmäßig Trainingslehrgänge durch.
- Kids-Coaches, Nachwuchs-Spitzentrainer und Sport-Lehrer-Trainer in Sportschulen bereiten, die durch Scouts, entdeckten Talente früher mit den notwendigen Leistungsansprüchen auf ein Nachwuchsleistungs-training im Alter von 15-18 Jahren vor. 4 x 2 Stunden Sport am Vor-mittag wären für die Ausbildungs-Aufgaben und den Namen einer Elite-Sportschule angemessen. Dies wäre eine der Voraussetzungen für ein nachfolgendes Hochleistungstraining, das wie in anderen Ländern, schon um das 18.Lebensjahr beginnen müßte.
Hoffnungen: der „Kleine und der Große Mo“ – Fotos: Kiefner
Ich habe beobachtet das man im entscheidenden Moment 2-3 gleichgute leistungsstarke, qualifizierte Athleten braucht, die um einen Olympiasieg oder eine Medaille „abzusichern“, wenn einer siegen oder eine Medaille holen soll.
Alle sollten sich „über dem Zaun“ etwas abschauen
„Das Geheimnis norwegischer Erfolge heißt harte Arbeit“, sagt Tore Övrebö, der Chef von Olympiatoppen. Die Entstehung des Zentrums des Leistungssport-Trainings am Rande Oslos, das gleichzeitig als Spitzensportabteilung des nationalen Sportverbandes dient, geht auf die Mitte der 1980er-Jahre zurück, als die norwegischen Olympiateams wiederholt unter den Erwartungen geblieben waren. Bei Olympiatoppen arbeiten inzwischen zahlreiche Fachspezialisten aus Gebieten wie Trainingslehre, Medizin, Psychologie oder Ernährung mit Topathleten und Trainern aus zahlreichen Sportarten zusammen. Ziel ist auch, so viele Kinder wie möglich zur Bewegung zu animieren. Wer ambitioniert ist, hat die Chance, an die Spitze zu kommen. In den Vereinen und Verbänden wird darauf geachtet, junge Sportler auch schulisch und in der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen“ (Simon Steiner, Oslo – Schweiz am Sonntag 2016)
F A Z I T
Nur mit Führung, fachlicher Kompetenz, echten Profis und Hochleistungstrainingsbedingungen können Hochbegabte, Goldkörnchen in die Weltspitze geführt werden. Dazu müssen sich „a l l e“ dafür Verantwortlichen in der Bundesregierung, in den Landesregierungen, im DOSB, die Ausrüster, im DLV und seinen Landesverbänden bekennen und den entsprechenden materiellen und ideellen Beitrag leisten. Sicher wird es auch nicht ohne die Hilfe von Sponsoren gehen, großen Firmen und Konzernen, die früher wie selbstverständlich an deutschen Erfolgen interessiert waren.
Sie lassen sich bestimmt auch heute wieder für die dringend erforderliche Unterstützung, wenigstens des Kinder- und Jugendsports in ihrer Region, überzeugen.
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*Lothar Pöhlitz* – Dipl.-Sportlehrer für Leistungssport – Sportwissenschaftler – DLV-Bundestrainer von 1980-1998 – 3x Olympia-Trainer für Deutschland