Werfer David Storl - Foto: Horst Milde
EM BERLIN 2018 – Die Bilanz: Die Deutschen – nur noch ein Volk der Wegwerfer? Von KLAUS BLUME
Das war‘s also. Eine einzige große Show der Wegwerfer, offiziell genannt „Europameisterschaften der Leichtathleten“.
Was jedoch, mit tatkräftiger Hilfe der hiesigen Fernseh-Anstalten ZDF und ARD, eher einer arglistigen Täuschung gleichkam als einer sorgfältigen Berichterstattung. Denn die Dramaturgie der Live-Sendungen war aufs Wegwerfen irgendwelcher Wurfgegenstände – Kugel, Diskus oder Speer – aufgebaut.
Und zwar rigoros. Dass hin und wieder die hervorragenden deutschen Springer dazwischen funkten – so etwas versuchte man, irgendwie, und meist ungeschickt, hinzubiegen. Aber waren da in Berlin nicht auch Läufer zugange?
Hat man, dank ARD und ZDF, eigentlich nicht gemerkt. Allenfalls dann, wenn diese unvermeidlichen Läufer mit irgendeinem Rennen den Anlauf eines Werfers störten. So etwas sei auch wirklich ärgerlich, monierten die Männer von ARD und ZDF dann mit erhobenem Zeigefinger.
Die Deutschen, ein Volk von Wegwerfern? Sicher, im Wegwerfen sind wir noch nie zimperlich gewesen. Das schrieb schon vor über sechzig Jahren Heinrich Böll in einer köstlichen Satire. Noch immer sehr zu empfehlen. Denn seitdem wissen wir: Ich werfe weg, also bin ich. Und zwar alles: die gute Stube, die Erziehung, die Tradition, die Vernunft, unsere einmal gefassten Vorsätze, unsere Lebensmittel – nur auf keinen Fall unsere Vorurteile.
Ganz bestimmt nicht.
Wer auch immer nach Deutschland kommt, und zu einem Sportfest pilgert, muss zwangsläufig den Eindruck gewinnen, die hiesige Leichtathletik bestehe ausschließlich aus Schwerathleten – eben aus Wegwerfern. Durchsetzt von einigen spleenigen Springern, wie diesem über alle Hochsprunglatten fliegenden Mateusz Przybylko.
Also einem Mann, der allerdings einen Namen trägt, den hierzulande ohnehin niemand aussprechen kann – oder will. Dennoch, in vierzehn Tagen, beim großen traditionellen Hochsprung-Festival im kleinen idyllischen Eberstadt, wird die Hölle los sein. Wegen Mateusz Przybylko.
Dennoch bleibt unklar, warum dieses Volk der unentwegten Wegwerfer – nirgendwo in der zivilisierten Welt werden übrigens so viele essbare Lebensmittel weggeworfen, wie in Deutschland – derart an seinen Wegwerfern hängt. Wer, wie unsereins, an der schönen blauen Alster mitten in Hamburg lebt, sieht dort alle Welt immer nur laufen. Zu jeder Jahreszeit.
Niemand wirft auf einer Wiese mit einem Speer oder einem Diskus. Oder wuchtet eine Kugel übers Gebüsch. Vielleicht hätten die Fernsehplaner auch dem mal nachgehen können. Laufen ist noch immer weit mehr angesagt, als das Wegwerfen.
Aber denen war wohl die ständige Huldigung der Hartings und Röhlers wichtiger, denn das schafft Quote. Unsere Läufer, zugegeben, gehören derzeit nicht zu jenen, nach denen die großen Meetings gieren. Doch gerade dort, in Zürich, beim ISTAF und vor allem in Brüssel – das als Ivo-van-Damme-Memorial den Namen eines großen Läufers trägt – geht‘s ums Laufen – nicht ums Wegwerfen.
Sogar in den Anfangsjahren dieses Jahrtausend, als in Zürich noch der ehemalige Kugelstoßer Res Brügger als Meetingdirektor das Sagen hatte, verbannte er das Kugelstoßen ins Vor-Programm. Denn auch er, der ehemalige Wegwerfer, wusste, warum die Leute in den legendären Letziggrund kamen und kommen:
Der Läufer wegen, nicht etwa wegen der Wegwerfer.
Wir wollen jetzt nicht auch noch auf die Marathonläufe in aller Welt verweisen, sondern nur darauf, dass wohl auch die Deutschen in der Leichtathletik mehr als nur das Wegwerfen sehen.
Gäbe es nur einen einzigen deutschen Läufer von der begeisternden Art eines Dieter Baumann, der sie alle mitriss, ob er siegte oder mit fliegenden Fahnen unterging, in den Redaktionsstuben von ARD und ZDF würde man wohl völlig anders denken.
Und sei es der Quote wegen.
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
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