Shura Kitata triumphiert am Buckingham Palast vor Vincent Kipchumba und Sisay Lemma. - Foto: Virgin Money London Marathon
Eliud Kipchoge überraschend geschlagen, Shura Kitata und Brigid Kosgei gewinnen London-Marathon 2020, Arne Gabius verpasst Olympia-Norm, Peter Herzog mit österreichischem Rekord
In diesem Jahr läuft nichts normal, auch nicht bei der 40. Auflage des London-Marathons. Das Regen-Rennen endete mit einer großen Überraschung und einem Schock für Kenia:
Denn Eliud Kipchoge hat zum ersten Mal seit sieben Jahren einen Lauf über die 42,195-km-Distanz nicht gewonnen. Der kenianische Superstar musste sich bei dem reinen Eliterennen in der britischen Hauptstadt mit Platz acht in 2:06:49 Stunden geschlagen geben.
Rund fünf Kilometer vor dem Ziel fiel Eliud Kipchoge bei Regen, nassen Straßen und kühlen Temperaturen von 10 Grad Celsius aus der Führungsgruppe. Vor zwei Jahren war der 35-Jährige in Berlin den aktuellen Weltrekord von 2:01:39 Stunden gelaufen, vor zwölf Monaten stürmte er im Wiener Prater zur ersten, allerdings nicht rekordkonformen Zeit von unter zwei Stunden (1:59:40,2).
Am Ende triumphierte der 24-jährige Shura Kitata in 2:05:41 Stunden. Der Äthiopier, der vor zwei Jahren in London hinter Eliud Kipchoge Platz zwei belegt hatte und 2017 den Frankfurt-Marathon gewonnen hatte, war nach einem Sprint-Finish mit nur einer Sekunde Vorsprung vor dem Kenianer Vincent Kipchumba (2:05:42) im Ziel am Buckingham Palast. Platz drei belegte Sisay Lemma (Äthiopien) mit 2:05:45.
Arne Gabius (Therapie Reha Bottwartal) litt im letzten Teil des Rennens unter Bauchmuskelproblemen und verpasste dadurch am Ende die Olympia-Norm von 2:11:30 Stunden noch deutlich. Der 39-jährige deutsche Marathon-Rekordler (2:08:33) lief nach 2:14:25 auf Platz 22 ins Ziel. Bis Kilometer 35 war er zuvor noch im Zeitplan für die Olympia-Norm.
Eine starke Leistung zeigte einmal mehr Peter Herzog.
Der Österreicher brach als Zwölfter mit 2:10:06 den österreichischen Rekord, den Lemawork Ketema 2019 beim Vienna City Marathon mit 2:10:44 Stunden aufgestellt hatte. Peter Herzog blieb bereits zum zweiten Mal unter der Olympia-Norm, nachdem er vor einem Jahr in Berlin 2:10.57 gelaufen war.
Peter Herzog bejubelt seinen österreichischen Rekord auf dem Londoner Asphalt. Foto: Virgin Money London Marathon
Im drei Stunden vor den Männern gestarteten Rennen der Frauen setzte sich die Favoritin durch: Brigid Kosgei (Kenia) lief nach 2:18:58 Stunden ins Ziel, erzielte trotz der widrigen Bedingungen eine Weltklassezeit und sorgte für das hochkarätigste Ergebnis des Tages. Die 26-jährige Marathon-Weltrekordlerin, die die globale Bestzeit vor einem Jahr auf 2:14:04 verbessert hatte, siegte mit deutlichem Vorsprung vor Sara Hall. Die US-Amerikanerin fing überraschend kurz vor dem Ziel noch die Weltmeisterin Ruth Chepngetich (Kenia) ab und erreichte als Zweite mit 2:22:01 eine persönliche Bestzeit. Chepngetich folgte als Dritte in 2:22:05. Deutsche Läuferinnen waren nicht am Start, nachdem sowohl Anna als auch Lisa Hahner (SCC-Events Pro-Team Berlin) krankheitsbedingt hatten passen müssen.
Der London-Marathon ist das einzige internationale Top-Rennen über die 42,195 km, das seit Beginn der Coronavirus-Pandemie gestartet wurde. Der Lauf fand unter strikten Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen statt.
Gelaufen wurde auf einem gut zwei Kilometer langen Rundkurs am Londoner St. James’ Park, der für Zuschauer nicht zugänglich war.
Das Rennen der Männer
Das unangenehme Wetter hatte zur Folge, dass die Spitzengruppe von Beginn an deutlich langsamer lief als vorher erwartet. Es war schnell klar, dass dies kein Tag für Rekorde sein würde. Eine 10-km-Zwischenzeit von 29:45 Minuten deutete auf eine Zielzeit von 2:05:30 Stunden hin, die Halbmarathonmarke wurde später in 62:54 passiert.
Nachdem bei Kilometer 27 der letzte Tempomacher ausgestiegen war, wartete man auf den scheinbar unvermeidlichen Antritt von Eliud Kipchoge – doch dieser blieb an diesem Tag aus und kein anderer traute sich in dieser Phase die Initiative zu ergreifen. So rückte auch die Jahresweltbestzeit von 2:04:15 Stunden außer Reichweite.
Rund fünf Kilometer vor dem Ziel fiel dann Eliud Kipchoge plötzlich zurück. Schnell wurde klar, dass seine Siegserie in London enden würde. Nur bei einem seiner zuvor 14 Marathonrennen war Eliud Kipchoge nicht als Erster ins Ziel gelaufen (darunter die zwei Angriffe auf die Zwei-Stunden-Marke): In Berlin war er 2013 Zweiter. Platz acht ist im Marathon nicht die Welt des Eliud Kipchoge. Und abgesehen vom olympischen Marathon-Triumph im heißen Rio 2016 ist er über die 42,195 km auch noch nie so lange unterwegs gewesen wie nun in London mit 2:06:49 Stunden.
Später erklärte Eliud Kipchoge, was ihm passiert war: „Bei Kilometer 25 ging mein rechtes Ohr zu und die Blockade löste sich nicht mehr. Danach bekam ich Probleme in der rechten Hüfte und die Muskulatur im Bein verkrampfte. Aber so ist der Sport. Du musst die Niederlage akzeptieren und dich darauf konzentrieren, das nächste Rennen zu gewinnen. Ich werde mich jetzt erholen und dann 2021 wieder starten. Ich habe sicherlich noch einige starke Marathonrennen in den Beinen.“
Es war nicht der Tag von Eliud Kipchoge in London. Foto: Virgin Money London Marathon
Nachdem mit Mosinet Geremew (Äthiopien) auch der viertschnellste Läufer aller Zeiten (Bestzeit: 2:02:55) nach der 40-km-Marke nicht mehr hatte mithalten können, kämpften drei Athleten um den Sieg: Shura Kitata, Sisay Lemma und Vincent Kipchumba. Als der Kenianer ein paar hundert Meter vor dem Ziel den Spurt anzog, war Lemma geschlagen. Doch Kitata holte den kleinen Rückstand wieder auf und zog an Kipchumba noch vorbei. „Ich habe mich zuvor immer zurückgehalten und wollte erst am Ende angreifen. Ich freue mich sehr, dieses sehr stark besetzte Rennen gewonnen zu haben. Das gibt mir viel Zuversicht“, erklärte Shura Kitata.
Kenenisa Bekele war zwei Tage vor dem Start aufgrund einer Muskelverletzung ausgefallen. Der äthiopische Superstar gab jedoch dem späteren Sieger ein paar Tips: „Kenenisa hat mir geholfen, denn er erklärte mir, wie ich taktisch laufen sollte“, erzählte Shura Kitata, der für den Sieg ebenso wie Brigid Kosgei 30.000 US-Dollar erhält.
Lange Zeit lief Arne Gabius in einer von Mo Farah angeführten Läufergruppe, die auf Kurs war, die Olympianorm von 2:11:30 Stunden um rund eine Minute zu unterbieten. Die Halbmarathonmarke passierte diese Gruppe in 65:19 Minuten. Eine 25-km-Zwischenzeit von 1:17:16 Stunden deutete anschließend auf eine Zielzeit von 2:10:30 hin. Als das Tempo dann noch etwas schneller wurde, konnte Arne Gabius nicht mehr mithalten. Doch noch bei Kilometer 35 war er mit einer Zeit von 1:48:59 Stunden innerhalb der Norm. Allerdings lief es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr rund für den deutschen Rekordhalter.
Hinter Tempomache Mo Farah läuft innen Arne Gabius (dunkles Trikot), dahinter der Österreicher Peter Herzog. Foto: Virgin Money London Marathon
„Meine Bauchmuskulatur wurde aufgrund der kalten Bedingungen fest und ich bekam dann auch Probleme mit dem Oberschenkel“, erklärte Arne Gabius. „Bei Kilometer 37 musste ich sogar kurz stehen bleiben, weil das Atmen schwierig wurde. Ich wollte aber unbedingt das Rennen zu Ende laufen. Wenigsten habe ich jetzt in London das Ziel erreicht“, sagte Arne Gabius, der 2016 beim London-Marathon verletzungsbedingt aufgegeben hatte.
„Das war Pech, dass wir heute dieses Wetter hatten. Kälte und Wind, Regen und Pfützen sowie die rutschigen Kurven auf dem Rundkurs haben es sehr schwer gemacht. Es ist sehr schade, dass es nicht geklappt hat. Ich werde mich jetzt erst einmal ausruhen und dann im Training bleiben und schauen, ob es noch einen Marathon gibt im nächsten Jahr bei dem ich noch einmal die Olympia-Norm angreifen kann.“
Das Rennen der Frauen
Brigid Kosgei gewann das Rennen in London und sorgte mit einer Zeit von 2:18:58 Stunden für die hochklassigste Leistung des Tages. Foto: Virgin Money London Marathon
Ganz anders lief zuvor das Rennen der Frauen. Hier war das Tempo vom Start weg sehr hoch. Die 10-km-Zwischenzeit von 32:25 Minuten deutete auf eine Endzeit von unter 2:17 Stunden hin. Nach einer Halbmarathon-Duchgangszeit von 68:11 Minuten und dem Ausstieg der letzten Tempomacherin entwickelte sich ein Zweikampf zwischen der Weltrekordlerin Brigid Kosgei und der Weltmeisterin Ruth Chepngetich. Zunächst war es dabei immer wieder Chepngetich, die auf das Tempo drückte und zeitweilig etwas vor Kosgei lief. Doch als Kosgei kurz nach der 30-km-Marke (Durchgangszeit: 1:38:19 Stunden) dann ihrerseits die Initiative ergriff, war Chepngetich schnell geschlagen. Binnen weniger Kilometer hatte die Weltrekordlerin einen Vorsprung von rund einer Minute herausgeholt.
Dass Ruth Chepngetich auf den letzten Metern noch von der stark aufkommenden US-Amerikanerin Sara Hall überholt wurde, lag daran, dass sich die Kenianerin vorher nicht umgeschaut hatte. So wurde sie von Hall überrascht und konnte nicht mehr reagieren. Eine Reihe von Athletinnen, darunter auch die London-Marathon-Siegerin des Jahres 2018 Vivian Cheruiyot (Kenia), gaben das Rennen bei den nasskalten Bedingungen auf.
„Ich habe mein Bestes gegeben. Aber das Wetter hat uns alle beeinträchtigt. Wind und Regen machten unsere Muskulatur kalt. Wir wurden nie richtig warm, so dass es schwer war, überhaupt das Ziel zu erreichen. Auch die Vorbereitung war natürlich nicht so gut“, sagte Brigid Kosgei. „Es war aber trotzdem schön, dass wir bei diesem Rennen starten konnten.“
Ergebnisse, Männer:
- Shura Kitata ETH 2:05:41
- Vincent Kipchumba KEN 2:05:42
- Sisay Lemma ETH 2:05:45
- Mosinet Geremew ETH 2:06:04
- Mule Wasihun ETH 2:06:08
- Tamirat Tola ETH 2:06:41
- Benson Kipruto KEN 2:06:42
- Eliud Kipchoge KEN 2:06:49
- Sondre Moen NOR 2:09:01
- Marius Kipserem KEN 2:09:25
Frauen:
- Brigid Kosgei KEN 2:18:58
- Sara Hall USA 2:22:01
- Ruth Chepngetich KEN 2:22:05
- Ashete Bekere ETH 2:22:51
- Alemu Megertu ETH 2:24:23
- Molly Seidel USA 2:25:13
- Gerda Steyn RSA 2:26:51
- Sinead Diver AUS 2:27:07
- Darya Mykhaylova UKR 2:27:29
- Valary Jemeli KEN 2:28:18
RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer
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