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24
07
2019

Manfred Zilly küsst unterwegs! - Foto: Marathon Karlsruhe e.V.

Ein Kuss verhindert den Sieg – MANFRED ZILLY – runregio stellt vor (5)

By GRR 0

Aus der Broschüre „runregio“ – „Laufen in der Region Karlsruhe – Stuttgart – Offenburg – Südpfalz – Rhein-Neckar“  – Folge 3 – übernehmen wir wieder (wie 2017 und 2018 ), interessante Beiträge aus dem vollen Läuferleben, Portraits aus der Laufszene, Termine und Veranstaltungen im Laufjahr 2019 u.a.m.

Den Herausgebern „Marathon Karlsruhe e.V.“ – danken wir für die freundliche Überlassung.

Horst Milde

Impressionen von meinem Sportjahr 2018 – Gedanken eines reifen Sportlers, Theologen und Philosophen

»Ich bin 78 und habe gerade meinen 32. Halbmarathon hinter mir. Beim Baden-Marathon am 23.09.2018. In meiner Altersklasse (M75) waren 18 Teilnehmer gemeldet, also auch starker „junger“ Nachwuchs.

Ich hatte folgende Erwartungen: Im Ziel unter den ersten 4 und den neuen Fabelweltrekord von Eliud Kipchoge (KEN) unterbieten, den er am 16. September 2018 in Berlin mit 02:01:39 h im Marathon aufgestellt hat.

Die Vorbereitung war nicht optimal:

4 Wochen zuvor bei den Triathlon-Meisterschaften in Viernheim musste ich zweimal vom Rad steigen, weil mir die Steigung zu anspruchsvoll war. Damit nicht genug: In der dritten Laufrunde Sturz auf grobem Schotter, viele Schürfwunden und Ablederung der Handflächen, eine tiefe Risswunde am Ellenbogen bis zum Knochen.

Die Sanitäter waren schnell da, wuschen und verbanden die Wunden und wollten mich zur Klinik bringen – aber es waren doch nur noch 2,5 KM und ich war der einzig gemeldete Teilnehmer der Altersklasse 75 – 79. Also alle Bedenken und Vorhaltungen bei meinem 80. Triathlon zurückgestellt, auf eigene Gefahr zum Ziel und damit Deutscher Meister!

Mut hatten mir die Zeiten zuvor bei Triathlons im Sprint gemacht: Bei den Europameisterschaften in Düsseldorf 2017 (3. Platz) fehlten 8 Minuten zum Sieg; so viele Minuten war ich dann 2018 schneller, dennoch war einer vor mir…. (Merke: Alter schützt weder vor Eitelkeit noch vor Ehrgeiz.)

Wie hat diese Leidenschaft, die so viel Leiden schafft, angefangen und warum?

Vor 32 Jahren, in einer Krise der Lebensmitte, hörte ich erstmals vom Marathon. 12 Wochen Vorbereitung nach Herbert Steffnys Laufbuch, dann los: Bei Halbzeit 1.23 h, toll, aber viel zu schnell! Dann – bei KM 31 – der „Mann mit dem Hammer“, der Einbruch, der zum Gehen zwang. Zum Glück und zum Trost kam von hinten der erfahrene, damalige Karlsruher Oberbürgermeister Gerhard Seiler, der mich väterlich einen Kilometer begleitete und dann davonlief. Meine Endzeit: 03:24:55 h.

Danach bewältigte ich noch viele weitere, z.B. 6 ganze und 15 halbe Marathons in Karlsruhe, jeweils einer in Freiburg, Heidelberg, Meran, Antalya … Bald kam dann der Triathlon mit guten Ergebnissen dazu. Der Sport hat geholfen, Krisen zu bewältigen.

Mein Rat: Probiert es aus! Doch Vorsicht: Man kann mit Sport wirklich Probleme bewältigen, aber auch einigen davonlaufen, anstatt sich ihnen zu stellen, um sie zu bewältigen.

Warum das alles? Es gibt viele Erklärungen wie euphorisches „Über-sich-Hinauswachsen“, Selbstvergessenheit und Ichlosigkeit, ekstatische oder gar religiös anmutende Erfahrungen einer „ozeanischen Geborgenheit in der Natur“ usw. Bescheidener sind meine drei Hauptgründe:

  • Ein überschaubares Ziel erreichen und das war`s dann! – Nicht wie im Beruf von immer unfertigen weiteren Aufgaben wissen (z.B. als Pfarrer in Gemeinden und in der Schule).
  • Aus Dankbarkeit: Viel zu vielen geht es nicht gut. Warum leben wir/ich in Frieden und im Überfluss? – Eine Zeit ohne Telefon/Handy usw.: Eine Gelegenheit zum Nachdenken. Was war zuletzt gut, was schlecht? Wo wirst Du noch gebraucht, wo hast Du gefehlt?
  • Beim Laufen, vor allem allein im Wald, hat man Zeit, um endorphingesättigt zu tun, wofür der Alltag wenig Zeit lässt: So etwas wie Bilanz ziehen, meditieren, träumen, beten usw.

Und wie war das Ergebnis am 23.09.2018?

1. 50 Sekunden haben zum Sieg in der M75 gefehlt. Ich habe sie verloren, als ich meine Frau beim Schloss entdeckte (sie ist selten dabei und meint oft, ich mache zu viel) und die Freude fand Ausdruck in einer langen Umarmung und einem süßen Kuss, der mehr wert war als die verlorene Zeit.

2. Zielzeit: 02:01:35 h, also 4 Sekunden unter dem Weltrekord! Okay, Kipchoge hatte eine etwas längere Strecke, ich jedenfalls war zufrieden. Bei der Ehrung erhielt ich einen Freistart für den nächsten Baden-Marathon am 22.09.2019. Ich muss also weitermachen.

Ich werde es versuchen und ermutige Euch ebenfalls dazu: Der Gesundheit oder der Probleme, des Ehrgeizes, der Leidenschaft oder der Liebe wegen.

Euer Manfred Zilly

(FB) – Symbadischer Marathon Karlsruhe

runregio Nr. 03 – Laufen in der Region – Karlsruhe – Stuttgart – Offenburg – Südpfalz – Rhein -Neckar

https://germanroadraces.de/?p=130415

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR