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24
06
2021

Start einer Startwelle mit Jürgen Zehnder (Startnummer 1). - Foto: Tomas Ortiz-Fernandez

Ein Hoffnungsschimmer für die Laufszene – 44. Auflage des Darmstädter Stadtlaufes sorgt für Begeisterung unter den allerdings wenigen Startern – Tanzende Zuschauer als kleines Dankeschön an die Organisation – Ludwig Reiser berichtet

By GRR 0

Real waren Jürgen Zehnder und die zweifache U20-Triathlon-Europameisterin Jule Behrens die Schnellsten – Hygiene- und Durchführungskonzept mit hohem Aufwand mustergültig umgesetzt.

„Endlich“, „Darauf haben wir seit über einem Jahr gewartet“, diese und weitere in diesem Tenor spontanen Aussagen der Läufer und Zaungäste (sprich Zuschauer) drücken ohne Wenn und Aber ein dickes Lob an die Organisation um Stadtlauf-Chef Wilfried Raatz aus, der angesichts der sich bundesweit lockernden Corona-Auflagen mit einem umfangreichen Hygiene- und Durchführungskonzept auch die Genehmigungsbehörden der Stadt Darmstadt überzeugen konnte – wenngleich wegen der Kurzfristigkeit eine breit gestreute Werbung nicht mehr möglich war.

„Wir sind natürlich dankbar, dass wir eine Genehmigung für den Stadtlauf bekommen haben, dies ist gewiss ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität für die vielen Freizeitsportler wie auch Lauf-Organisatoren“, so Wilfried Raatz. „Natürlich hätten wir uns etwas mehr Teilnehmer als die final eingeschriebenen 250 gewünscht, aber letztlich sollten wir froh sein, dass wir ein wichtiges Zeichen für die Lauf-Veranstaltungsbranche setzen durften. Wir wissen natürlich auch, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Ertrag steht, aber der als erster Lauf-Event weit über die Region hinaus durchgeführte Stadtlauf seit vielen Monaten hat vornehmlich Symbolcharakter!“

Leider verpasste so mancher Stamm-Stadtläufer die 44. Auflage, vielleicht auch deshalb, weil der persönliche Aufwand mit Schnelltest, Anti-Corona-Erklärung und partiellem Mund-Nase-Schutz-Tragen erheblich war.

Der Parcours war wie immer in den vergangenen Jahren, die durchgängige Abtrassierungen mit Drängelgitter ebenso, alleine das so geliebte Rahmenprogramm mit Band, den zahlreichen Bierständen und der stimmungsvollen Siegerehrung auf der Bühne am Luisenplatz musste Corona bedingt fehlen.

Ein durch Security gesicherter Organisationsbereich am Ludwigsplatz, der nur mit Handdesinfektion und Mund-Nasen-Schutz betreten werden konnte, der Zielbereich ohne Schnick-Schnack und Getöse – das alles verriet die Außergewöhnlichkeit der Veranstaltung. Aber auch das legendäre Stadtlaufwetter der letzten Jahre mit Hochsommer-Temperaturen blieb diesmal wie auch das prickelnde Stadtlauf-Feeling aus, was Jule Behrens als Tagesschnellste im Stadtlauf real, die gerade erst am Wochenende zuvor bei den Triathlon-Europameisterschaften in Kitzbühel zweifache U20-Meisterin geworden war, wie auch ihre Mutter Alexandra Rechel unisono so vermissten.

„Es war großartig. Das ist das, was nicht nur ich, sondern alle Läufer so lange vermisst haben“, jubelte Jürgen Zehnder. Der M45-Mastersläufer, zuletzt unter Konkurrenz 2019 in Sindelfingen Deutscher Crossmeister seiner Altersklasse geworden, trug nicht zuletzt durch seine vielen Podiumsplätzen beim zweitältesten deutschen Stadtlauf die Startnummer 1 – und bestätigte diese Hervorhebung durch einen eindrucksvollen Start-Ziel-Sieg über die 5 km-Stadtlauf-Distanz in 17:13 Minuten.

Für Nicht-Insider sei vermerkt, dass dabei 15 Treppenstufen in jeder der drei Stadtlaufrunden ebenso zu absolvierten waren wie auch der Anstieg am „Wilhelminenbuckel“ zur St. Ludwigskirche, also eine keineswegs einfache, glatt gebügelte Rundstrecke durch die Fußgängerzone der Darmstädter Innenstadt.

Während Jürgen Zehnder in der ersten Startwelle unterwegs war, gelang dem in der dritten Startwelle ins Rennen gegangene Nicolò Cogno, Gaststudent der TU Darmstadt aus Turin, ein tolles Verfolgungsrennen und mit 17:47 die zweitschnellste Zeit des Tages. Nur Benedikt Ernst und Adrian Hausding blieben noch vor Jule Behrens, die nach der kräftezehrenden Triathlon-EM eher locker laufen wollte, in der Schlussrunde allerdings mit einem Turbo-Antritt nicht nur den Rückstand auf dem im zweiten Rennen bislang führenden Daniel Neuroth wettmachen, sondern mit 18:39 Minuten auch mit einer halben Minute Vorsprung ins Ziel am Luisenplatz einlaufen konnte.

„Ich hatte mit meiner Mutter abgesprochen, das Rennen zusammenzulaufen, zumal ich durch die drei Wettkämpfe am Wochenende doch noch ganz schön müde war. Aber als der Rückstand auf Daniel unverändert klein war, wollte ich das Rennen dann doch noch gewinnen“, so Jule Behrens, die als „Eigengewächs des ASC“ übrigens nach ihren Erfolgen im Triathlon auch vom Deutschen Leichtathletik-Verband als DM-Dritte über 5000 m für die U20-Europameisterschaften in Tallinn nominiert wurde.

Die 16jährige Lina Bohländer folgte als Zweite in 19:14 noch vor Alexandra Rechel (19:33), die sowohl im Triathlon als auch im Laufbereich, zuletzt deutsche W45-Crossmeisterin, zahlreiche Titel einsammeln konnte.

Bei der ausgeschriebenen Hybrid-Veranstaltung gab es neben dem realen Lauf (mit einem Teilnehmerlimit) weitere Angebote. Der Aufruf an die Schulen, die in Corona-freien Jahren für mächtige Starterfelder bei den Schülern sorgen, blieb aber ungehört. „Die Lehrer haben beklagt, das sei einfach zu kurzfristig gewesen“, erklärte Wilfried Raatz, der mit seinem Team nach der endgültigen Genehmigung letztlich nur eine Woche Zeit für Vorbereitung und Eigenwerbung hatte. Zu wenig, um letztendlich die sonst beim Stadtlauf so engagierten Lehrer zum Einbau eines Ausdauertests in den Sportunterricht zu bewegen.

Das virtuelle Angebot nutzten 130 Läufer, um eine beliebige 5-Kilometer-Strecke zu laufen und sich online zu registrieren. Dabei zeigte sich, dass mit Simone Raatz, die Stadtlauf-Zweite 2019 und erfolgreiche Mastersläuferin auf nationalem und internationalem Parkett, eine Läuferin die reale Laufzeit von Jule Behrens unterboten hatte: Die 45jährige ASC-Läuferin schaffte auf einer flachen Wendepunktstrecke in Karlsruhe die App kontrollierten 17:56 Minuten. Auch der schnellste virtuelle Läufer startet für den veranstaltenden ASC Darmstadt: Mit 17:51 schob sich der eigentliche Langsprinter Jan Zoller in die Phalanx der Stadtlauf-Schnellsten als Dritter ein.

Übrigens: Der in Beerfelden im Odenwald ein Architekturbüro betreibende Herbert Siefert war als einziger Stadtläufer in den bisherigen 44 Jahren (!) dabei und bekam zum Dank die Startnummer 2021. Und freute über die angenehmen Temperaturen, auch wenn er merkte, dass ihm der Anstieg zur Kuppelkirche von Jahr zu Jahr mehr zusetzt. Dann reihte er sich in den Tenor der Dankbarkeit ein: „Großes Kompliment an die Veranstalter, den Mut zu haben, etwas zu machen trotz der Schwierigkeiten.

Es hat wieder alles reibungslos geklappt, wie wir das von Wilfried und seinem Team gewohnt sind.“

Ludwig Reiser

 

author: GRR