Drei Rosen für besondere Menschen - Foto: LT Bernd Hübner
Drei Rosen für Magnus, Marinetta und Rosa 2019 – wie eine neue Laufidee Gestalt annimmt – Dr. Erdmute Nieke
Erster Frauentagslauf für alle Geschlechter in Berlin
„Am Donnerstagmachmittag (24. Januar 2019) hat das Berliner Abgeordnetenhaus der Gesetzesänderung zugestimmt. 87 Abgeordnete stimmten für die Novelle, 60 Abgeordnete dagegen.“
https://www.berlin.de/special/familien/5597854-2864562-frauentag-8-maerz-neuer-feiertag.html
Am 30. Januar 2019 laufe ich mit Bernd auf der Blauen Bahn im Olympiastadion beim wöchentlichen Intervalltraining des Lauftreffs Bernd Hübner. Und eine Idee nimmt Gestalt an. Einen Frauentagslauf durch den Berliner Tiergarten für alle Geschlechter zum ersten gesetzlichen Feiertag anzubieten.
Ich nutze meine Winterferien um Strecke und Stationen für diesen besonderen Funlauf zu erstellen. Am Ende werden es neun Stationen, meine Vorstellung bei der Planung ist, dass wir durch einen sonnigen und frühlingshaften Tiergarten laufen würden am 8. März 2019.
Dann die Ausschreibung in Hübis Laufforum hochgeladen und den Tisch zum Frühstücken nach dem Lauf im Restaurant Giraffe vorbestellt. Am Telefon Verwunderung, was es denn zu feiern gäbe an einem Freitag Mittag.
Der Frauentag ist jetzt gesetzlicher Feiertag in Berlin! Das hatte sich noch nicht herum gesprochen.
Am Morgen des 8. März 2019 – dann doch kein Sonnenschein, ein letzter Blick ins Laufforum: 21 Anmeldungen. Kurz vor 10 Uhr am Restaurant Giraffe im Tiergarten strömen die Läufer*innen trotz Wind und Wolken von allen Seiten. Spontan kommen neun Leute vom Gutsmuthslauftreff dazu. Wir werden fast 30 Läufer*innen. Marita hat selbst gebastelte Button für alle mitgebracht. Bernd macht die üblichen Startfotos für uns. Kurze Erläuterungen für alle, die einen ersten Funlauf mitmachen: Das Tempo bestimmt der oder die Langsamste und wir werden unterwegs an neun Stationen Halt machen und ich werde etwas an den besonderen Orten erzählen.
Los geht es zur Siegessäule: Eine Frau wacht über Berlin – Nike – Viktoria – Goldelse.
Zweiter Stopp: Magnus Hirschfeld gründete 1919 in Berlin das weltweit erste Institut für Sexualwissenschaft und forschte zum dritten Geschlecht. Am Spreeufer legen wir für Magnus an seinem Denkmal eine Rose nieder und sprechen auch über das Gendersternchen. Wir sind heute als Läufer*innen unterwegs.
Am Kanzleramt würdigen wir die erste Bundeskanzlerin mit einigen Berichten aus ihrer brandenburgischen Kindheit und ihrer politischen Einstellung zu Familien- und Genderfragen.
Dann wieder am Spreeufer neben dem Bundestag: An den weißen Kreuzen für die mindestens 140 Maueropfer erinnern wir besonders an die sieben Frauen, die an der Mauer erschossen wurden. Ein Kreuz ist Marinetta Jirkowsky gewidmet, sie wurde 18-jährig im Jahr 1980 von 27 Schüssen getötet. Auch für sie habe ich eine Rose dabei.
Ein Kreuz ist Marinetta Jirkowsky gewidmet, sie wurde 18-jährig im Jahr 1980 von 27 Schüssen getötet. Auch für sie habe ich eine Rose dabei. – Foto: LT Bernd Hübner
Gleich gegenüber am Reichstagsgebäude stoppen wir für Clara Zetkin: „DANKE Clara, auf Deine Initiative geht der Frauentag zurück!“ Sie war Abgeordnete der KPD in der Weimarer Republik, 1932 sogar Alterspräsidentin des Reichstages. Sie kämpfte für gleiche Löhne und eine staatliche Kinderbetreuung.
Inzwischen regnet es und auf dem Platz der Republik kämpfen wir uns gegen den Wind durch die Touristen.
Nächster Stopp ist der Floraplatz mitten im Tiergarten. Hier steht seit 1906 ein Reiterstandbild mit einer reitenden Amazone. Bereits die Antike hatte besondere Frauenvorstellungen. Als Amazonen wurden Völker bezeichnet, deren Frauen „männergleich“ in den Kampf zogen.
Weiter geht es zum Henriette-Herz-Platz gleich hinter dem Potsdamer Platz. Henriette hatte in der Berliner Frühromatik einen eigenen Salon, der bekannt und begehrt war. Ihre Schönheit auf den zeitgenössischen Gemälden begeistern die Mitläufer*innen noch heute. Gut, dass ich alle Bilder vorher laminiert hatte. So kann der Regen der Schönheit Henriettes nichts antun.
Bei der nächsten Pause kommt die Sonne hervor: Königin Luise hat im Tiergarten eine eigene Insel erhalten. Die Frau von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, die auch verehrt für ihr politisches Engagement wurde. Sie traf sich 1807 mit Napoleon. Daneben war sie Mutter von zehn Kindern.
An der letzten Station legen wir die letzte und dritte Rose nieder: Am Landwehrkanal hinter dem Zoo befindet sich ein Denkmal für Rosa Luxemburg, deren Leiche hier vor 100 Jahren in den Kanal geworfen wurde. Die Freundin von Clara Zetkin setzte sich einerseits in praktischen Fällen für die Frauenemanzipation ein, andererseits hatte sie Sorge, dass die Frauenbewegung die Arbeiterschaft spalten könnte.
Nach dieser letzten Pause geht es zurück zur zum Restaurant Giraffe. Die Laufuhren zeigen 9 km. Alle erhalten ein kleines Heftchen mit den Geschichten von unterwegs als Erinnerung.
Umgezogen, beim gemeinsamen Frühstücken wird ziemlich schnell klar: Am Sonntag, den 8. März 2020 werden wir zum zweiten Frauentagslauf für alle Geschlechter starten. Vielleicht sollten wir ihn Fun-Kulturgeschichts-Lauf nennen. Berlin hat noch viel zu erzählen über besondere Menschen, die für die Gleichstellung aller Geschlechter gekämpft haben und immer noch kämpfen.
Möge die Einführung eines gesetzlichen Feiertages am 8. März in Berlin aufmerksam machen auf alles, was nicht unserem Grundgesetz entspricht. Denn da ist im Artikel 3 zu lesen: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Alle Läufer*innen – Foto: LT Bernd Hübner
DANKE an alle Läufer*innen fürs Mitlaufen und Dabeisein bei den Berliner Geschichten durch den Tiergarten an diesem stürmischen und teilweise nassen 8. März 2019.
Im nächsten Jahr wird es andere und neue Geschichten zum Erzählen und Erlaufen geben und vielleicht auch mehr Sonnenschein!
Dr. Erdmute Nieke