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2020

Olympiastadion Berlin - Foto: Horst Milde

DOSB-Mitgliederversammlung: Deutscher Angriff auf sportliche Großveranstaltungen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Durch die Corona-Krise erwarten den deutsche Sport Mitgliederschwund und Millionenverluste. Dennoch entwickelt er hochfliegende Ambitionen. Deutschland soll sich verstärkt um Großveranstaltungen bewerben.

Mitgliederschwund und Millionenverluste stehen dem deutschen Sport durch die Corona-Krise ins Haus. Zugleich entwickelt er hochfliegende Ambitionen, wie bei der Vorstellung einer Strategie zur Akquise von Großveranstaltungen auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Samstag deutlich wurde.

„Vielleicht steht am Ende dieser Strategie auch wieder mal die erfolgreiche Bewerbung und Durchführung von Olympischen und Paralympischen Spielen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer aus dem Bundesinnenministerium bei der als Videokonferenz organisierten Veranstaltung. Dies sei kein Muss, fuhr der Abgeordnete der CSU fort, aber eine Verzahnung mit einer Bewerbung sei vorstellbar. Um die Sommerspiele 2032 will sich mit Unterstützung der Landesregierung in Düsseldorf die Region Rhein-Ruhr bewerben.

„Sportgroßveranstaltungen sind in herausragender Weise geeignet, ein guter Botschafter für unser Land im Ausland zu sein, aber auch die Gesellschaft nach innen zu einigen“, sagte Mayer. Nicht nur aus sportpolitischen, sondern auch aus gesellschaftspolitischen Gründen solle Deutschland sich verstärkt um Sport-Großveranstaltungen bewerben. Dies solle nicht trotz, sondern wegen der Pandemie geschehen.

Unter Bezug auf DOSB-Präsident Hörmann sagte er, dass Einigkeit darüber herrsche, dass für eine Olympiabewerbung Bürgerbeteiligung essentiell und unverzichtbar sei. Den Bürgern müsse deutlich gemacht werden, dass für sie und für Deutschland ein gesellschaftlicher Mehrwert entstehe. Ob ein solcher Mehrwert als Bedingung für staatliche Unterstützung von Bewerbungen um Großveranstaltungen in der Strategie festgeschrieben wird, blieb am Samstag unklar.

Michael Mronz, Initiator der Olympiabewerbung begrüßt den Prozess am Samstag. Er sei beteiligt, sagte er, machte aber deutlich, dass seine Initiative für die Olympiabewerbung und die nationale Strategie unterschiedliche Projekte seien. Er habe früher begonnen. Mit dem DOSB sei abgesprochen, dass sich dieser nach einer positiven Bürgerbefragung engagiere. Diese werde derzeit mit den Kommunen abgestimmt; Mronz erwartet, dass sie 2021 stattfinden wird.

Das Milliardenprojekt Olympia scheiterte im vergangenen Jahrzehnt zwei Mal am Votum der Bürger. Plänen für Winterspiele in und um München 2022 lehnten die Wahlberechtigten im November 2013 ab. Hamburg votierte zwei Jahre später gegen die Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2024 in der Stadt.

Allein Kanada habe in den vergangenen zehn Jahren mehr sportliche Großveranstaltungen abgehalten als Deutschland, sagte Mayer. Das Land brauche in dieser Hinsicht keine Nachhilfe. In den kommenden Jahren stehen die European Championships München 2022 um die Leichtathletik-Europameisterschaft herum bevor, die Special Olympics Berlin 2023, die Fußball-Europameisterschaft 2024 und voraussichtlich die Universiade 2025 in Rhein-Ruhr.

Gut sechzig Fachleute haben sich unter Leitung von Kaweh Niroomand mehr als ein Jahr lang mit dem Thema beschäftigt; der Berliner ist Vizepräsident des DOSB für Finanzen und Geschäftsführer des mehrmaligen deutschen Meisters Berlin Volleys. Von dem Konzept werden Kriterien dafür erwartet, um welche Sportveranstaltungen eine Bewerbung angeraten ist und um welche nicht. In der Diskussion ist auch eine nationale Serviceeinrichtung für Bewerbungen, die über Fördermittel informiert und Kompetenz vernetzt.

Mayer machte deutlich, dass auch die letzte der sechs Arbeitsgruppen zum Jahresende fertig werden und das Konzept unter Dach und Fach gebracht werde solle. Die Bundesregierung solle sich zu Beginn des kommenden Jahres mit der Nationalen Strategie Sport-Großveranstaltungen beschäftigen, der Sportausschuss des Deutschen Bundestag werde sich voraussichtlich im März mit dem Thema befassen.

„Wir haben, wie man neudeutsch sagt, eine schöne Roadmap entwickelt“, sagte Mayer. Er machte deutlich, dass nicht die Politik entscheide, wer sich bewerbe, sondern dies einzig und allein in den Händen des autonomen Sports liege. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass eine Olympiabewerbung wie die von Hamburg an der ausbleibenden finanzielle Unterstützung durch den Bund zu scheitern droht.

Die Mitgliederversammlung verabschiedete zudem ein Stufenmodell zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Die schrittweise Umsetzung bis Ende 2024 wird damit zur Pflicht für die Mitgliedsorganisationen des DOSB. Bund und DOSB wollen finanzielle Förderung davon abhängig machen. Präsident Hörmann nannte das Präventionsmodell einen Meilenstein und den Schutz vor sexualisierter und anderer Gewalt eine Lebensaufgabe.

Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Versammlung kündigte Vorstandsvorsitzende Rücker an, dass die Missbrauchsvorwürfe von Turnerinnen gegenüber einer Trainerin in Chemnitz zu einer Untersuchung am Olympiastützpunkt Chemnitz führen werde.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 5. Dezember 2020

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR