Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Doping-Opfer-Hilfeverein: Werner Franke provoziert Eklat – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Statt gemeinsam zu kämpfen, verhaken sich die Alphatiere des Anti-Doping-Kampfs ineinander. Vor einer Presserunde des Doping-Opfer-Hilfeverein eskaliert der Streit mit Werner Franke.
Werner Franke, der 1991 mit der Veröffentlichung der „Doping-Dokumente“ das Manipulations-System des DDR-Sports offen legte, hat am Donnerstag zwei Mal versucht, sich Zutritt zu einer Pressekonferenz des Doping-Opfer-Hilfevereins (DOH) in Berlin zu verschaffen.
Im Gerangel mit dem Vereinsvorsitzenden, dem Heidelberger Rechtsanwalt Michael Lehner, griff er diesen tätlich an. „Wer sich mir entgegenstellt…“, sagte der 79 Jahre alte Franke später vor Journalisten. „Den habe ich gleich am Hals gekriegt. Wenn ich zugedrückt hätte, wär‘s schlimm geworden.“
Lehner verwies während der Pressekonferenz auf die Verdienste des renommierten Krebsforschers um die Doping-Bekämpfung und die Arbeit des DOH. „Es ist schade, dass er nicht erkennen kann, wie sehr er mit seinem Auftreten seiner eigenen Sache schadet“, sagte Lehner.
Franke verlangte, sich in der Pressekonferenz von der Arbeit des Vereins distanzieren zu dürfen. Er gehört zu den Autoren eines Pamphlets, das vergangenes Jahr für den Rücktritt der langjährigen Vorsitzenden Ines Geipel sorgte und die Arbeit des Vereins und ihrer Unterstützer in Misskredit zu bringen versuchte.
Die Vorwürfe gipfelten in der Behauptung, dass es Zwangs-Doping in der DDR nicht gegeben habe und damit keine Opfer dessen geben könne; wer Entschädigung aus dem (inzwischen 13,65 Millionen Euro umfassenden) Hilfsfonds des Bundes beantrage, sei Trittbrettfahrer.
Wissenschaftliche Arbeit über Traumata und Depressionen in Folge von Doping tat Franke am Donnerstag als „Psycho-Kacke“ ab. Er kündigte ein neues Enthüllungsbuch über Doping an, „in dem jetzt alles kommt, auch aus dem Westen“. Das Bundesinnenministerium sei zu Zeiten des Olympia-Arztes Joseph Keul „die versauteste Doping-Institution gewesen, beweisbar“.
Förderung durch den Bund erlaubt es dem DOH eine Sozialarbeiterin für die Telefonberatung einzustellen. Der Verein betreut nach eigenen Angaben 2000 Betroffene; allein in diesem Jahr haben sich 150 Geschädigte erstmals gemeldet.
In zwei Pilotverfahren will der Verein den Anspruch von Opfern auf staatliche Rente durchsetzen.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 16. August 2019