Simon Boch - Foto: Kiefner Foto
Die Halbmarathon-Bilanz der Männer 2020: Ein Weltrekord und eine einmalige deutsche Leistungs-Dichte
Mit sensationellen Ergebnissen trotzte der Halbmarathon-Wettbewerb der Männer dem Corona-Pandemie-Jahr 2020. Keine andere Lauf-Disziplin produzierte eine derartige Fülle von absoluten Weltklasseleistungen wie das Rennen über die genau 21,0975 km lange Strecke.
Und dies, obwohl die meisten Halbmarathonveranstaltungen aufgrund der Corona-Krise gar nicht erst stattfinden konnten. In Valencia fiel im Dezember der gut ein Jahr alte Weltrekord: Der Kenianer Kibiwott Kandie lief 57:32 Minuten.
Auch national gesehen war der Halbmarathon 2020 ein echtes Highlight. Nie zuvor war die Leistungsstärke in der deutschen Spitze über diese Strecke so dicht wie ausgerechnet im Pandemie-Jahr. Zwar fielen bei den Männern keine Rekorde, doch gleich ein halbes Dutzend Athleten erzielten Zeiten von unter 63 Minuten.
Wie schon im Marathon war es auch über die halbe Distanz das Rennen in Valencia, das am 6. Dezember2020 für Furore sorgte. Kibiwott Kandie stürmte zur ersten Zeit unter 58 Minuten. Mit 57:32 war der Kenianer genau 29 Sekunden schneller als sein Landsmann Geoffrey Kamworor, der 2019 in Kopenhagen 58:01 gelaufen war. In Valencia blieben hinter dem 24-jährigen Kandie gleich noch drei weitere Athleten unter 58 Minuten und damit unter der alten Weltrekordzeit.
Kibiwott Kandie war 2020 der dominierende Halbmarathonläufer. Hier gewann der Kenianer das Rennen in Ras Al Khaimah. – Foto: RAK/Colombo
Von den zehn schnellsten je gelaufenen Zeiten über die Halbmarathonstrecke kommen nun sechs alleine aus Valencia und fünf davon wiederum stammen vom Rennen am Nikolaustag 2020. Die Spanier übertrumpften damit die Weltmeisterschaften im polnischen Gdynia – hier musste sich Kibiwott Kandie als Zweiter dem Youngster Jacob Kiplimo (Uganda) geschlagen geben, in Valencia drehte er dann die Platzierung um – sowie ein halbes Dutzend weitere Rennen, die hochklassige Zeiten produzierten.
48 Ergebnisse von unter einer Stunde wurden 2020 trotz der stark eingeschränkten Wettkampfmöglichkeiten weltweit gelaufen. Zumindest für die Afrikaner ist die Halbmarathon-Barriere von 60:00 Minuten inzwischen jedoch nur noch eine unerhebliche Schwelle. Die Weltklasse beginnt jetzt eher bei unter 59 Minuten. Kibiwott Kandie lief 2020 gleich viermal unter 59 Minuten.
Nur drei der 48 Zeiten unter 60 Minuten stammen nicht von afrikanischen Athleten. Und die 45 Ergebnisse aus Afrika sind dabei so gut wie ausschließlich Athleten aus Kenia, Äthiopien und Uganda zuzuordnen. Für den Rest der Welt hat die Stunde im Halbmarathon also schon noch eine große Bedeutung.
Die deutsche Jahresbestenliste wird angeführt von einem Läufer, der sich 2020 mit einer Kette von Bestzeiten hervorragend in Szene setzen konnte: Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) krönte sein starkes Jahr bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Gdynia mit einer beachtlichen Steigerung auf 61:36 Minuten.
Damit belegte er Rang 35 bei dieser WM und wurde von den „German Road Races“, dem Zusammenschluss der Lauf-Veranstalter, zum „Straßenläufer des Jahres“ gewählt. Simon Boch ist jetzt der sechstschnellste deutsche Halbmarathonläufer aller Zeiten.
Auf Platz zwei und drei der deutschen Jahresbestenliste folgen Athleten, die sicherlich das Potenzial haben für deutlich schnellere Zeiten: Amanal Petros (TV Wattenscheid/62:18) und Richard Ringer (LC Rehlingen/62:27). Petros ist nach seinem deutschen Marathon-Rekord von 2:07:18 Stunden zuzutrauen, den fast 28 Jahre alten deutschen Rekord von Carsten Eich (60:34/1993 in Berlin) zu brechen.
Insgesamt liefen 2020 gleich sechs deutsche Athleten Zeiten von unter 63 Minuten und ein halbes Dutzend weitere blieben unter 64:00. Eine derartige Breite in der Spitze gab es im deutschen Halbmarathon noch nie. 1993 hatten drei deutsche Läufer Zeiten von unter 63 Minuten erreicht: Carsten Eich lief den deutschen Rekord (60:34), Rainer Wachenbrunner rannte 62:00 und Heinz-Bernd Bürger erreichte 62:40. Die Disziplin ist allerdings noch relativ jung. Sie setzte sich erst Mitte der 90er Jahre richtig durch und löste in Deutschland dann die zuvor wesentlich relevantere 25-km-Distanz ab.
Von den schnellsten 15 Läufern stellten im vergangenen Jahr 13 einen persönlichen Rekord auf – das ist sicherlich ein Rekord für sich.
Das zeigt aber auch, dass gerade im Halbmarathonbereich Nachholbedarf besteht. Über Jahre hinweg waren die Leistungen der besten deutschen Athleten über diese Distanz schwach.
Die Jahres-Bestenlisten 2020
International:
57:32 Kibiwott Kandie KEN Valencia 6.12.
57:37 Jacob Kiplimo UGA Valencia 6.12.
57:49 Rhonex Kipruto KEN Valencia 6.12.
57:59 Alexander Mutiso KEN Valencia 6.12.
58:11 Philemon Kiplimo KEN Valencia 6.12.
58:38 Kandie (2) Prag 5.9.
58:42 Kelvin Kiptum KEN Valencia 6.12.
58:49 J. Kiplimo (2) Gdynia/POL 17.10.
58:53 Amedework Walelegn ETH Neu-Delhi 29.11.
58:54 Kandie (3) Gdynia/POL 17.10.
58:54 Andamlak Belihu ETH Neu-Delhi 29.11.
58:56 Stephen Kissa UGA Neu-Delhi 29.11.
58:58 Kandie (4) Ras Al Khaimah/UAE 21.2.
59:04 Muktar Edris ETH Neu-Delhi 29.11.
59:08 Walelegn (2) Gdynia/POL 17.10.
59:09 Mutiso (2) Santa Pola/ESP 19.1.
Deutschland:
61:36 * Simon Boch LG Telis Finanz Regensburg Gdynia/POL 17.10.
62:18 * Amanal Petros TV Wattenscheid Barcelona 16.2.
62:27 Richard Ringer LC Rehlingen Dresden 8.11.
62:33 * Aaron Bienenfeld SSC Hanau-Rodenbach Dresden 8.11.
62:34 * Samuel Fitwi Sibhatu LG Vulkaneifel Barcelona 16.2.
62:50 * Philipp Pflieger LT Haspa Marathon Hamburg Barcelona 16.2.
63:19 * Tobias Blum LC Rehlingen Barcelona 16.2.
63:25 Arne Gabius Therapie Reha Bottwartal Verona 16.2.
63:28 * Konstantin Wedel LG Telis Finanz Regensburg Barcelona 16.2.
63:29 * Simon Stützel LG Region Karlsruhe Barcelona 16.2.
63:34 * Tim Ramdane Cherif LG Telis Finanz Regensburg Dresden 8.11.
63:53 * Karl Junghannß LAC Erfurt Dresden 8.11.
64:09 * Tom Gröschel TC Fiko Rostock Barcelona 16.2.
64:29 * Erik Hille LG Telis Finanz Regensburg Dresden 8.11.
64:30 * Tom Thurley Potsdamer Laufclub Dresden 8.11.
- = persönliche Bestzeit
Die schnellsten je gelaufenen Zeiten
57:32 Kibiwott Kandie KEN Valencia 2020
57:37 Jacob Kiplimo UGA Valencia 2020
57:49 Rhonex Kipruto KEN Valencia 2020
57:59 Alexander Mutiso KEN Valencia 2020
58:01 Geoffrey Kamworor KEN Kopenhagen 2019
58:11 Philemon Kiplimo KEN Valencia 2020
58:23 Zersenay Tadese ERI Lissabon 2010
58:31 Tadese (2) Lissabon 2011
58:33 Samuel Wanjiru KEN Den Haag 2007
58:33 Jemal Mekonnen ETH Valencia 2018
58:38 Kandie (2) Prag 2020
58:40 Abraham Cheroben BRN Kopenhagen 2017
Die schnellsten Deutschen aller Zeiten
60:34 Carsten Eich (SC DHfK Leipzig) Berlin 1993
61:02 Kurt Stenzel (ASC Darmstadt) Grevenmacher/LUX 1988
61:14 Stephan Freigang (LC Cottbus) Berlin 1992
61:18 Michael Fietz (LG Ratio Münster) Kosice/CZE 1997
61:20 Homiyu Tesfaye (Eintracht Frankfurt) Den Haag 2018
61:36 Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) Gdynia/POL 2020
61:50 Rainer Wachenbrunner (SC Berlin) Berlin 1992
61:53 Michael Scheytt (SKV Eglosheim) Ay (Bayern) 1987
61:59 Martin Bremer (Bayer Leverkusen) Griesheim 1994
62:09 Arne Gabius (LAV Stadtwerke Tübingen) New York 2014
62:10 Richard Ringer (LC Rehlingen) Berlin 2019
62:18 Amanal Petros (TV Wattenscheid) Barcelona 2020
Text und Statistik: race-news-service.com