Die Gewinnerin: Die faszinierende Welt einer Ultraläuferin und Historikerin – Andrea Löw: Happy Running – Laufend die Welt entdecken – Buchtipp(s) im Corona-Sommer von Dr. Erdmute Nieke

Meine Sommerferien finden wegen Corona zu Hause, auch im Liegestuhl in der Sonne oder unter dem Sonnenschirm statt: Zeit zum Schmökern! Ein paar Laufbücher sind darunter.

Die Gewinnerin meines Lesesommers ist eindeutig Andrea Löw, gefolgt von Philipp Jordan („Fatboysrun – Wie mich das Laufen jeden Tag aufs Neue rettet“, 2020) und Haruki Murakami („Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“, 2007).

Warum gewinnt Andrea Löw? Sie hat es geschafft, mich 193 Seiten (und 44 Farbfotos) lang in ihren Bann zu ziehen, ich vergesse die Welt um mich herum und lese nur noch.

Drei Aspekte ihres Buches faszinieren mich besonders: Die Verbindung zwischen ihrem Beruf als Historikerin und dem Laufen, dann das Laufen entgegen den Ratschlägen verschiedener Ärzte und wie sie schließlich fast die ganze Welt als Ultraläuferin erläuft.

Der erste Aspekt gibt diesem Laufbuch eine ganz besondere Note. Andrea Löw beschreibt viele spezielle Situationen in ihrem Arbeitsleben auf Tagungen und Dienstreisen, in die sie das Laufen integriert. So erlebt sie andere Orte, Länder und Menschen ganz anders und viel intensiver.

Ihre Arbeit führt Andrea Löw mehrfach nach Israel, Polen und in die USA. Überall macht sie neben der Arbeit Lauferfahrungen und verbindet sie mit ihrer Forschungsarbeit, inzwischen als stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien in München.

So lese ich zum ersten Mal, dass die Strecke des New-York-Marathons durch den jüdisch-orthodoxen Stadtteil Williamsburg geht und die Atmosphäre an der Stecke sich an diesem Ort völlig verändert. Sie vergleicht diesen Stadtteil mit dem ultraorthodoxen Viertel in Jerusalem.

Wer mehr über Williamsburg erfahren möchte, dem seien die Bücher der Wahlberlinerin Deborah Feldman ans Herz gelegt („Unorthodox“, 2016 und „Überbitten“, 2017). Sie ist in Williamsburg in einer ultraorthodoxen Familie aufgewachsen, aus der sie befreien kann.

In „Happy Running“ hat mich besonders die Beschreibung eines Besuches in Sarajevo 2015 berührt. Andrea Löw bucht für den Morgen vor einer Tagung einen Sightseeing Run und trifft auf einen Läufer und Guide, der als 14-jähriger den Bosnienkrieg hautnah miterleben musste.

Zweitens: Spannend zu lesen sind Andrea Löws Erfahrungen mit verschiedenen Orthopäden und deren Prognosen zur ihrer Gesundheit. Buchstäblich läuft sie diese Probleme weg, anstatt sich mit 30 Jahren einer Hüft-OP zu unterziehen.

Übrigens finden sich die Gesundheitsaspekte des Laufen auch in den beiden anderen genannten Laufbüchern. Philipp Jordan beschreibt, dass das Runners High besser als jeder Drogenrausch ist und  Haruki Murakami läuft, um zu viele Pfunde zu verhindern, die sich bei seiner Arbeit als Schriftsteller ansammeln.

Der dritte Aspekt von „Happy Running“ gibt mir beeindruckende Einblicke in die Welt der Ultraläufer*innen. Andrea Löw berichtet über ihre Ultraläufe in den Alpen, auf Menorca, in Namibia, Mosambik, Vietnam und in der Mongolei (und im Buch noch Zukunft, auf ihrer Homepage bereits auch Geschichte: Australien https://www.runninghappy.de/the-track-abenteuer/#more-2575). Ich werde mitgenommen ans Meer, ins Gebirge und in die Wüste. Sie schreibt über eine Fülle von Emotionen, über Versagen und über stolze Erfolge. Sie lässt mich teilhaben an ihren Laufgedanken und wie sich Ultraläufer*innen trotz Schmerzen und Erschöpfung immer wieder motivieren und weiter laufen. Fesselnd ist die Beschreibung der umfangreichen Organisation der kleinen, aber gut verbundenen internationale Ultra-Lauf-Community.

Kurzum: „Happy Running“ von Andrea Löw verschafft mir spannende Einblicke in das Leben einer  laufenden Historikerin oder einer Ultraläuferin mit einem guten Blick für Geschichte, Länder und Menschen. Danke Andrea Löw für diese „Happy Moments“.

Andrea Löw: Happy Running – Laufend die Welt entdecken, Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-667-11570-6, € 16,90 (D)

Dr. Erdmute Nieke