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DIE DOPING-AFFÄRE VON SEEFELD UND ERFURT 2019- Zurück in die DDR? – Von KLAUS BUME
ERFURT – Back to the hell: Haben uns die Festnahmen in Seefeld und Erfurt in der Doping-Affäre um den internationalen Skilanglauf geradewegs in die DDR zurück geführt?
Das fragte sich dieser Tage auch die angesehene „Neue Zürcher Zeitung“.
Also: Der Erfurter Allgemeinmediziner Dr. Mark Schmidt ist vor Gericht bisher nur als Arzt der (west)-deutschen Rad-Teams Gerolsteiner und Milram aufgetreten. Doch seine Mutter Heidrun, die als Miteigentümerin der Praxis im Erfurter Tiergartenviertel firmiert, war zu DDR-Zeiten als Ärztin des SC Turbine Erfurt tätig. Eines Sportklubs, in dem es in erster Linie um Ausdauerläufer aus der DDR-Nationalmannschaft und um Radsportler der Sonderklasse ging.
Mark Schmidts Vater Ansgar wiederum, der in Seefeld festgenommen wurde und der in der Branche als geistiger Kopf des Erfurter Doping-Zentrums gilt, arbeitete bis zum 31. Dezember 2018 als Anwalt in der Erfurter Kanzlei Spilker.
Was aufhorchen lässt. Denn Jochen Spilker war in den 1980er Jahren nicht nur Anwalt, sondern auch Leichtathletik-Cheftrainer des (west)-deutschen Vereins Eintracht Hamm. Später avancierte er sogar zum Sprint-Bundestrainer der Frauen. Im Dezember 1990, als die internen aber auch die öffentlichen Debatten um das Doping in der DDR immer heftiger wurden, veröffentlichte das Hamburger Magazin DER SPIEGEL einen Artikel über das Dopingsystem um Jochen Spilker. Damit wurde erstmals ein gründlicher Blick auf das auch in Westdeutschland praktizierte Doping ermöglicht.
Dieser Blick zurück könnte heute wieder wichtig werden. Denn Oberstaatsanwalt Kai Gräber, Leiter der Schwerpunktanwaltschaft Doping in München, rechnet damit, dass die Recherchen um die Causa Mark Schmidt bis zum Beginn des Jahrtausends zurück- und über Manipulationen im Skilanglauf hinausführen könnten.
Warum nicht?
Schon im Januar 2008 veröffentlichte der „kicker“ diese Recherchen: „Von der Wiener Blutbank Humanplasma führen Spuren direkt in die frühere DDR, wo man 2004 und 2005 Filialen in Chemnitz, Gera, Jena, ERFURT und Zwickau unterhielt, in denen der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke „Doping-Zentren der ehemaligen DDR, also Kompetenz-Zentren“, sieht. Denn der österreichische Sport habe „jede Menge“ (so Franke) DDR-Know-how importiert.
Zum Beispiel Kurt Hinz, den Biathlon-Papst der DDR und Begründer des Weltcups. 1991, wegen seiner Doping-Vergangenheit vom Deutschen Ski-Verband (DSV) geschasst, baute Hinz in Österreich das Biathlon-Zentrum Hochfilzen auf.“
Spuren, die zwar damals ins Nichts führten, die aber nicht ohne recherchierten Hintergrund veröffentlicht wurden. Auch das könnte heute wieder wichtig werden.
Denn Erfurt tauchte auch nach den 1990er Jahren wieder auf, wenn es um Doping ging. Zum Beispiel 2012, als die Nationale Anti-Doping-Behörde (NADA) in Bonn den Erfurter Allgemein- und Sportmediziner Dr. Andreas Franke sehr freundlich darum bat, bitte, kein UV-bestrahltes Blut mehr bei Sportlern auszutauschen. Franke hatte seinerzeit das Blut von ungefähr dreißig Spitzenathleten behandelt. Darunter auch das der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein und des Tour-de-France-Stars Marcel Kittel. Er sei wohl zu naiv gewesen, räumte Kittel später in einem Gespräch mit der ZEIT ein.
Wahrscheinlich, so der Münchner Staatsanwalt Kai Gräber, könnten die Spuren auch über den Skilanglauf hinaus in andere Sportarten führen. Was bei verwandten Sportarten, wie dem Biathlon, nicht allzu verwunderlich wäre. Im Falle des österreichischen Skilangläufers Johannes Dürr, zum Beispiel, führten die Spuren schon 2015 zu dessen italienischen Schwiegervater Gottlieb Taschler. Der Mann aus Antholz, damals Vize-Präsident der Internationalen Biathlon-Union (IBU) und für den Leistungssport zuständig, hatte für seinen Sohn und für Dürr Verbindungen zum suspendierten italienischen Doping-Arzt Michele Ferrari aufgebaut. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft Bozen den Akt Taschler nicht vollends zur Seite gelegt.
Übrigens, von der IBU führt heute nur noch ein Klick zu den Behindertensportverbänden.
Back to the hell?
Keine Bange, es ist nur der Algorhithmus.
Klaus Blume
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