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01
11
2019

Alder-Baerens bewältigte bei der Weltmeisterschaft im 24-Stundenlauf 2019 sage und schreibe 254,288 Kilometer - Foto: Michael Sommer

Deutscher Rekord und Silbermedaille für Nele Alder-Baerens sowie Bronze fürs deutsche Frauenteam bei der 24h-WM in Albi 2019 – JoAnna Zybon berichtet

By GRR 0

Die gebürtige Berlinerin Nele Alder-Baerens bewältigte bei der Weltmeisterschaft im 24-Stundenlauf 2019 sage und schreibe 254,288 Kilometer und überbot damit ihren eigenen deutschen Rekord, den sie erst im Juni dieses Jahres bei ihrem Debüt in Hoyerswerda aufgestellt hatte, um gute 3 Kilometer.

Für Freizeitläufer sind 254,288 Kilometer schier unvorstellbar: Diese Distanz entspricht etwas mehr als sechs Marathons, direkt hintereinander gelaufen.

Die 41-jährige Ausnahmeläuferin Nele Alder-Baerens absolvierte bei der Weltmeisterschaft im südfranzösischen Albi solch einen „Sechsfach-Marathon“ in einem Durchschnittstempo von knapp unter 5:40 min/km.

Mit dieser Leistung setzte sie sich an die Spitze der 11-köpfigen deutschen Mannschaft, einschließlich der Männer, und errang die Silbermedaille vor der alten und neuen Weltrekordlerin Camille Herron aus den USA, die 270,116 km erreichte.

Die 37-jährige Camille Herron ist damit mit Abstand die erste Frau, die beim 24-h-Lauf mehr als 270 km geschafft hat – eine Weite, die selbst für Männer eine große Herausforderung darstellt, wie man u. a. anhand der WM-Ergebnisliste erkennen kann: Lediglich fünf der insgesamt 2015 Männer kamen über 270 Kilometer.

 

Die Siegerin Camille Herron (USA) legte einen unglaublichen Start-Ziel-Sieg hin und brach mit 270,116km ihren eigenen Weltrekord. Hier bei ihrem Lauf in Phoenix: Foto: Veranstalter

In der Weltjahresbestenliste belegen Herron und Alder-Baerens nun Platz 1 und 2.

Die Einordnung in eine ewige Bestenliste ist nicht so einfach, weil diese Liste anscheinend nirgendwo aktuell gepflegt wird. Falls verschiedene Quellen stimmen sind bislang lediglich vier Frauen noch weiter gelaufen als Nele.

Hier die ersten fünf Damen der mutmaßlichen „All-Time World List“:

  1. Camille Herron (USA), 270,116 km
  2. Patrycja Bereznowska (POL), 259,991 km
  3. Courtney Dauwalter (USA), 256,405 km
  4. Mami Kudo, (JAP), 255,303 km
  5. Nele Alder-Baerens (GER), 254,288 km

Ein weiterer Grund zur Freude war in Albi die Bronzemedaille fürs deutsche Frauenteam, ein Verdienst der drei schnellsten deutschen Läuferinnen Julia Fatton, Antje Krause und Nele Alder-Baerens, deren Kilometer für die Teamwertung addiert wurden. Vom guten Abschneiden ihres Teams erfuhr die gehörlose und stark sehbehinderte Nele allerdings erst nach Rennende: Während sie auf die Restmeter-Vermessung wartete erhielt sie von ihrem Mann ein aussagekräftiges Schild mit der Info „Bronze Mädels“. Diesen Moment hat Michael Sommer, der Sportwart der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung, wunderbar festgehalten (siehe Foto).

Aber warum soll Nele, die schon bei der 100km-WM 2018 und 50km-WM 2016 Silber errungen hat, nicht mal selbst von ihrer letzten WM erzählen?

Hier ein paar frische Eindrücke der Vizeweltmeisterin exklusiv für German Road Races:

„Der Teamgeist, den ich bei der 24h WM in Albi erleben durfte, war etwas Besonderes. Unsere Betreuer investierten sehr viel Zeit und Mühe sowohl vor, während und auch nach dem Rennen und hatten genauso wenig Schlaf (oder noch weniger) wie die Läufer. Auch den Umgang der Sportler untereinander empfand ich als sehr herzlich, offen und umgänglich, und ich profitierte von den Ratschlägen der „alten Hasen“.

Die Eröffnungsfeier mit einem Fahnenzug durch die Altstadt von Albi ging mir unter die Haut. Nach einer guten letzten Nacht, meinem obligatorischen Haferbrei und einem Mannschaftsfoto am Betreuerzelt ging es mit ca. 400 anderen Läufern an den Start der 1.500m langen Runde. Mein Mann Matthias Baerens durfte mich während des Rennens versorgen. Das war sehr hilfreich, denn mit zunehmender Rennverblödung kann es essentiell sein, dass der Betreuer einen in- und auswendig kennt. Anfangs war es recht warm und die Sonne schien, später kühlte es dann merklich ab und die kältere Nachtluft war im Hals etwas unangenehm. Der Untergrund war teilweise uneben und grobporig (meine Schuhe sind nun um ein paar Millimeter abrasiert) und der Kurs hatte einige Kurven. Durch die vielen Läufer kam es manchmal zu unvermeidlichen Kollisionen.

Ich konnte zwar ohne Gehpausen die 24 Stunden durchlaufen, wurde aber gegen Ende des Rennens langsamer. Hier zeigte sich wieder der Teamgeist, denn meine Vereinskollegin Antje Krause vom Ultrasportclub Marburg zog mich einige Runden (ich staunte, wo sie das noch herholte), und auch die anderen deutschen Läufer zeigten mir im Rennen aufmunternde Gesten. Als ich nach dem Schluss-Signal endlich stehen bleiben durfte, erfuhr ich vom Team-Bronze der Frauen und quietschte so laut vor Freude, dass die nebenstehenden Personen erschrocken zusammenfuhren.

Die Siegerin Camille Herron (USA) legte einen unglaublichen Start-Ziel-Sieg hin und brach mit 270,116km ihren eigenen Weltrekord. Das ist einfach unglaublich stark und unerreichbar für mich, daher bin ich absolut glücklich über den dritten Vizeweltmeister-Titel insgesamt und den neuen deutschen Rekord über die 24h. Diese WM werde ich so schnell nicht vergessen. Neben meinem Mann waren auch meine Eltern da und gaben mir unheimlich Kraft. Es ist wunderbar, wenn man so etwas mit seinen Liebsten teilen kann.“

Dieser Bericht erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit! Alle weiteren Infos und Fakten zu der spannenden WM finden sich auf den Seiten der Deutschen und Internationalen Ultramarathon-Vereinigungen:

https://www.ultra-marathon.org/index.php/duv-sport/int-meisterschaften/334-deutscher-rekord-und-medaillen-bei-der-24h-wm-in-albi

https://www.iau-ultramarathon.org

Résultats: IAU 24h World Championships

Ergebnisliste Frauen

https://www.breizhchrono.com/detail-de-la-course/crs_id/13094/

Ergebnisliste Männer

https://www.breizhchrono.com/detail-de-la-course/crs_id/13092/

Steckbrief Dr. rer. nat. Alder-Baerens

Geb. am 1.4.1978 in Berlin
Verheiratet, keine Kinder
Körpergröße: 160 cm, Gewicht: 46 kg
1998-2002 Studium der Biophysik an der Humboldt-Universität
2003-2006 promoviert
Arbeitet an der Charité Berlin beim Neugeborenen-Screening
1998- 2006 Gehörlosen-Nationalmannschaft
Goldmedaille bei den Deaflympics
Silbermedaillien: 2016 WM 50 km + 2018 WM 100 km + 2019 WM 24h
DR in 12-h, 24-h, 100-Meilen-Lauf
PB im Marathon: 2:47:03 h in Berlin 2013
Verein: Ultrasportclub Marburg

JoAnna Zybon

 

https://germanroadraces.de/?p=131897

 

 

author: GRR