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11
09
2019

Konstanze Klosterhalfen - hier bei der DM in Berlin 2019 - Foto: Horst Milde

Deutsche Leichtathletin: Das neue Selbstbewusstsein der Konstanze Klosterhalfen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Kurz vor der Leichtathletik-WM präsentiert sich Konstanze Klosterhalfen bei der Diamond League in bestechender Form. Zum Star der WM-Wettkämpfe könnte allerdings eine Trainingspartnerin aus dem Nike Oregon Project werden.

Überragende Teilnehmerin der bevorstehenden Leichtathletik-Weltmeisterschaft könnte die Niederländerin Sifan Hassan werden. Beim Finale der Diamond League gewann sie am Freitag das Rennen über 5000 Meter noch überlegener als in der Vorwoche in Zürich die 1500 Meter.

Mit einem Endspurt von etwa 250 Meter lief sie mehr als drei Sekunden Vorsprung heraus und siegte in 14:26,26 Minuten vor der Äthiopierin Letesenbet Gidey (14:29,54). Dritte wurde Konstanze Klosterhalfen in 14:29,89 Minuten.

In Zürich, bei weniger als einem Drittel der Distanz, hatte Sifan Hassan in 3:57,08 Minuten immerhin zwei Sekunden zwischen sich und die Zweite gelegt – Konstanze Klosterhalfen. Die erst 22 Jahre alte Rheinländerin läuft in den Fußstapfen der stärksten Langstreckenläuferin der Welt.

Beide sind Trainingspartnerinnen beim Nike Oregon Project in Portland. Die eine, mit 15 Jahren aus Äthiopien geflohen und niederländische Staatsbürgerin, ist 26 Jahre alt, die andere 22. Gemeinsam sind sie aus dem Trainingslager in St. Moritz nach Brüssel und zurück. „Ich mache die gleichen Programme wie sie“, erzählte Konstanze Klosterhalfen nach dem Rennen. „Aber da wir unterschiedliche Coaches haben, trainieren wir die gleichen Sachen an verschiedenen Tagen.“

Gemeinsam wärmen sich die beiden auf und laufen auch gemeinsam aus. Am Vortag des Rennens gingen sie gemeinsam shoppen. Nach dem Rennen lagen sie sich in den Armen. „Einfach in dem Umfeld zu sein gibt mir schon was“, sagte die Jüngere. „Wenn wir uns noch besser kennen, machen wir vielleicht noch mehr Programme zusammen.“

In Konstanze Klosterhalfen scheint, wenn nicht schon für Tokio 2020, dann doch für Paris 2024, eine Medaillenkandidatin für die Olympischen Spiele heranzuwachsen.

Ihr ist die Souveränität zu wünschen, mit der die Weitspringerin Malaika Mihambo in Brüssel mit 7,03 Metern ihren neunten Wettkampf hintereinander und damit die Diamond-League-Prämie von 50.000 Dollar gewann. Nach drei Sprüngen, von denen jeder einzelne zum Sieg gereicht hätte, machte die 25-Jährige aus Oftersheim bei Heidelberg Schluss; sie wollte Kraft sparen fürs Training, das sich bei der Weltmeisterschaft auszahlen soll.

„Das fühlt sich gut an“

Sifan Hassan, wie Malaika Mihambo Europameisterin von Berlin 2018, wird in Doha mehr Medaillen gewinnen können als die Weitspringerin. Sie ist in diesem Jahr Weltrekorde über fünf Kilometer auf der Straße (14:44 Minuten) und über die Meile auf der Bahn (4:12,33) gelaufen. Sie steht vor der Frage, ob sie bei der WM das Double aus 5000 und 10.000 Meter angeht oder die lange Langstrecke mit den 1500 Metern kombiniert, auf denen sie mit 3:55,30 Minuten Jahresschnellste ist.

Allein der Zeitplan verhindert, dass sie auf drei Distanzen antritt. Konstanze Klosterhalfen ist in diesem Jahr ein halbes Dutzend deutsche Rekorde gelaufen, 1500 Meter (4:02,70 Minuten), die Meile (4:19,98) und 3000 Meter (8:32,47) in der Halle sowie Meile (4:21,11), 3000 Meter (8:20,07) und 5000 Meter (14:26,76) im Stadion. Sie steht vor der Wahl zwischen 5000 und 1500 Metern.

„Zürich hat sich noch ein bisschen besser angefühlt; Zweiter ist ein bisschen besser als Dritter. Aber hier war das Feld auch einen Tick stärker. Das war vergleichbar mit einem Meisterschaftsrennen“, sagte sie in Brüssel. „Es fühlte sich auf jeden Fall gut an, vorne ein bisschen was ausrichten zu können.“ Wie etwa Hellen Obiri, die Weltmeisterin und Jahresschnellste, im Spurt zu besiegen. Die Kenianerin wurde Vierte.

So zerbrechlich sie wirkt, nimmt Konstanze Klosterhalfen seit ihrem Wechsel nach Amerika ihre Position im Feld mit neuem Selbstbewusstsein ein. „Ich kriege vor jedem Rennen gesagt, ich bin nicht mehr diejenige, die vorneweg läuft“, sagte sie. „Jetzt machen sich die Erfahrungen bemerkbar, die ich in der Saison gesammelt habe. Das fühlt sich gut an.“

Schade nur, dass sie kaum ein Publikum in Deutschland hat. Übertragungen von der Diamond League gibt es, manchmal, bei Bezahlstationen im Internet. Aus Zürich, immerhin das erste der beiden Finals, gab es aus Vertragsgründen kein Bild und keinen Ton.

Das könnte sich ändern, wenn die Bewerbung des Berliner Istaf positiv beschieden wird; seit dem vergangenen Jahr läuft die Evaluation des Sportfestes, im September wird entschieden.

Voraussetzung dafür, dass Berlin einen Platz im Kalender findet, der gestrafft werden soll, ist auch, allen Veranstaltungen der Diamond League ein Publikum in Deutschland zu verschaffen. Doch selbst wenn das gelingt, wird der lange Atem der Konstanze Klosterhalfen nicht unbedingt zu mehr Präsenz beim Heimpublikum führen.

Der Weltverband der Leichtathleten, die IAAF, und die Veranstalter der Diamond League habe entschieden, wie die 10.000 Meter auch die 5000 Meter aus dem Kernprogramm der Diamond League zu streichen, aus den neunzig Minuten, die für die Übertragung vorgesehen sind.

Der Lauf von Brüssel zeigte, dass die Programmplaner die Aufmerksamkeitsspanne ihrer Zuschauer wie die Faszination des Wettbewerbs unterschätzen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 10. September 2019

Korrespondent für Sport in Berlin

author: GRR