Spannendes Mittelstreckenduell zwischen Florian Orth (vorne) und Timo Benitz : Foto: Wilfried Raatz - wus media
Deutsche Crossmeisterschaften in Ohrdruf – Cross der Überraschungen… + … oder Entscheidungen mit zu erwartenden (neuen) Titelträgern – Wilfried Raatz berichtet
+ Philipp Pflieger erfolgreicher Titelverteidiger auf der Langstrecke + Timo Benitz bezwingt diesmal Florian Orth auf der Mittelstrecke + Elena Burkard gewinnt Frauentitel gegen allerdings gestürzte Alina Reh + Deutlich geschrumpfte Starterfelder bei den deutschen Titelkämpfen am Rande des Thüringer Waldes – Organisation mit Problemen.
Die Frühlingssonne war trügerisch bei den deutschen Crossmeisterschaften in Ohrdruf, denn ein kalter Wind wehte nicht nur die doch merklich geschrumpften Starterfelder durcheinander, sondern auch so manchen Medaillenaspiranten aus dem Feld und die eigentlich routinierte Organisation in eine Schieflage.
So wurden die Titelkämpfe zu einem Cross der Überraschungen oder anders herum, zu einem Cross mit einigen Titelträgern, die man nicht unbedingt vorne erwartet hätte.
Die beiden Entscheidungen der Männer und im Frauen-Wettbewerb wären an sich schon ein Eintrittsgeld wert gewesen, doch es gab weder Einlasskontrollen – noch Zuschauer, die hätten eine Eintrittskarte hätten lösen können. So blieben diese Crossmeisterschaften einmal mehr ein Familienfest, das organisatorisch einige Defizite aufwies.
Weder ein attraktiver Startbereich noch eine sattelfeste Auswertung war meisterwürdig, denn einige Teamwertungen mussten mangels Abstimmung zwischen dem Jenaer Zeitmess-Dienstleister und dem Thüringer Landesverband ausfallen und stattdessen auf die Nachsendung von Medaillen und Urkunden per Versand verwiesen.
Doch glücklicherweise beeinträchtigte diese Defizite die Rennentscheidungen nicht.
Hier sorgte ein spurtstarker Timo Benitz auf der Männer-Mittelstrecke als neuer Crossmeister für das Ende der Siegesserie von Florian Orth, eine crossverliebte Elena Burkard mit einer starken Vorstellung für einen Sieg über die Vorjahres-Meisterin Alina Reh und ein starkes Frauenteam der LG Nord Berlin für den Teamerfolg über den langjährigen Titelsammler LG Telis Finanz Regensburg, während das Lauf Team Haspa Hamburg Marathon aus dem Meisterschaftsrennen mangels Personal schon mit dem Startschuss ausgeschieden war.
„Einmal muss die Serie reißen“, stellte Florian Orth nach den spannenden 4.100 m mit einer leichten Enttäuschung fest. Der dreifache Meister in Serie konnte sich trotz unermüdlicher Führungsarbeit nicht von seinem hartnäckigen Begleiter Timo Benitz lösen – und musste am Ende das stärkere Spurtvermögen des Schwarzwälders anerkennen. „Ich habe ihm weh getan, aber scheinbar nicht genug…“ umriss der 29jährige Zahnarzt seine Bemühungen um ein unvermindert hohes Lauftempo.
Und Timo Benitz anerkannte die Bemühungen seines Regensburger Dauerrivalen mit einer nicht minder kernigen Analyse: „Ich musste kämpfen wie ein Ochse…!“ Nach einem entfesselten Finish lag Timo Benitz mit 12:44 Minuten fünf Sekunden vor Florian Orth, der sich allerdings nach einem halben Jahr absoluter Wettkampfpause in einer erstaunlichen Form präsentierte. Den Kampf um Rang drei gewann aus einer Vierergruppe der Berliner Fabian Clarkson mit einer Sekunde Vorsprung vor Dominik Notz und Tim Ramdane Cherif.
Fast wäre das Männer-Langstreckenrennen eine Duplizität zur Mittelstrecke geworden, denn Orths Teamkollege von der LG Telis Finanz Regensburg Philipp Pflieger lief die meiste Zeit des über 9.900 m führenden Rennens zusammen mit dem Braunschweiger Karsten Meier, ehe sich auf der Schlussrunde letztlich doch die läuferische Klasse des Marathon-Olympiastarters durchsetzte.
„Wenn es weniger crossig gewesen wäre, hätte ich mich leichter getan“, bekannte Philipp Pflieger, der seine Marathonvorbereitung unterbrochen hatte, um seinen Titel erfolgreich zu verteidigen können. „Aber als Vorjahressieger gibt es natürlich nur ein logisches Ziel!“
Die stark aufgeweichte Crossstrecke, die nach den Niederschlägen der letzten Tage sogar um eine Hügelpassage entschärft werden musste, zehrte doch erheblich an den Kraftreserven und dem Kampfeswillen. Nicht jedoch bei Philipp Pflieger. Mit 31:07 Minuten und letztlich 12 Sekunden Vorsprung vor Karsten Meier gab es einen überzeugenden Sieg, zudem auch die Mannschaftsmeisterschaft mit den Doppelstartern Tim Ramdane Cherif (Dritter) und Florian Orth (Fünfter) in einem stark ausgedünnten Teilnehmerfeld mit final nur 38 (!) Läufern im Ziel.
Das größte Starterfeld gab es bei den Frauen, U23- und Mastersläuferinnen mit über 130 Startern, das im Schlussteil natürlich bei zahlreichen Überrundungen für die eine oder andere heikle Situation sorgte. Wie in Löningen im Vorjahr machte vom Start weg das erst 21jährige Langstreckentalent Alina Reh die Pace, jedoch mit der für die LG farbtex Nordschwarzwald startenden Elena Burkard im Schlepp.
Runde für Runde das gleiche Bild, bis die U23-Cross-Europameisterin in einer matschigen Kehre umknickte“ und stürzte. Im Nu hatte die 26jährige Chemikerin, übrigens bei den Cross-Europameisterschaften 2017 in Samorin starke Fünfte geworden, einen beträchtlichen Vorsprung herausgelaufen gegen die zunächst eher unrund laufenden Alina Reh herausgelaufen.
„Ich brauchte natürlich einige Meter, bis ich wieder einigermaßen laufen konnte. Aussteigen kam für mich nicht in frage“, gestand die Ulmerin später. Der Abstand zur starken Berlinerin Catherina Granz war groß genug, sodass es für die Titelverteidigerin zum zweiten Platz reichte und obendrein zum U23-Sieg.
„Ich hoffe, dass ich diese Form auf die Bahn bringen kann. Dann habe ich auch eine Chance für die Europameisterschaften in Berlin“, blickt Elena Burkard nach ihrem Crosscoup schon ein Stück voraus, bedauerte zugleich, dass die Crosssaison schon vorbei ist. „Vor zwei Wochen konnte ich den Eurocross in Diekirch gewinnen, das gab mir noch einmal den richtigen Kick für Ohrdruf! Das war aber auch nötig, denn ich wusste, dass Aline eine Kämpfernatur ist, die bis zuletzt alles geben kann!“
In der Mannschaftswertung sollte es die nächste Überraschung geben. Gab das Lauf Team Haspa Marathon Hamburg mangels startfähigem Material den im Vorjahr gewonnenen Titel schon frei, schien der Weg für die LG Telis Finanz Regensburg wieder frei zu sein, die über Jahre hinweg die Frauenkonkurrenz beherrschten.
„Wir befinden uns in einem Strukturwandel“, wehrte jedoch LG Telis-Chef Kurt Ring die Favoritenrolle ab. Und sollte richtig liegen, denn die LG Nord Berlin mit der Drittplatzierten Caterina Granz an der Spitze holten sich den Titel mit 24 Punkten vor der LG Telis Finanz Regensburg (28) und LAC Quelle Fürth (66.).
Im Vorjahr wurde der aus Eritrea stammende Samuel Fitwi Sibhatu in Führung liegend kurz vor dem Ziel noch aus dem Rennen genommen, weil er für deutsche Meisterschaften nicht startberechtigt sei. In Ohrdruf lief der junge Bursche wiederum an der Spitze – und sollte nach 7.600 m auch neuer Titelträger werden. Denn seit Januar ist der 22jährige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft und somit auch offiziell startberechtigt. Fitwi gewann in 24:17 Minuten vor Lukas Eisele (24:31), Jens Mergenthaler (24:42) und den LG Nord-Läuferin Lennart Meseke und Theo Brill, die damit einen weiteren Teamtitel nach Berlin holen konnte.
Während bei der männlichen U20 mit Mohamed Mohumed und Elias Schreml gleich zwei Favoriten vorzeitig aus dem Rennen gingen, war der Weg für Nick Jäger vom TSV Penzberg vor Julius Hild, der für den SSC Hanau-Rodenbach den Mannschaftssieg ebnete.
Bei der weiblichen U20-Jugend führte erneut kein Weg an Lisa Oed vorbei. Die zweifache U20-Europameisterin lief ein beeindruckendes Rennen an der Spitze und lag nach 4.100 m dreißig Sekunden vor Josina Papenfuß, während die U20-Hallenmeisterin Linn Lara Kleine diesmal ihre angestammte U18-Klasse bevorzugte und dort überzeugend ihren im Vorjahr in Löningen gewonnenen Titel erfolgreich verteidigen konnte.
Wilfried Raatz