Olympiastadion von 1936: Kann Geschichte überschrieben werden? - Olympiastadion Berlin - Foto : Horst Milde
Deutsche Bewerbung: Olympias Skeptiker – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die Sommerspiele an Rhein und Ruhr sollen ein „Dekadenprojekt“ werden. Doch nach der Backpfeife von Thomas Bach sind sie zunächst ein Politikum. Nicht für alle ist Olympia ein Freudenfest,
Optimismus im Übermaß wäre nötig, wollte man eine Olympiabewerbung Deutschlands als Konjunkturprogramm für die Zeit nach der Pandemie auflegen. Auf 2,3 Billionen Euro ist nach Berechnung des Bundes der Steuerzahler der Schuldenstand des Staates geschnellt, das Statistische Bundesamt kommt auf 2,2 Billionen.
Der Unterschied von 100 Milliarden ist keine Kleinigkeit. Dennoch würde er lediglich zweimal für die Olympischen Sommerspiele von Tokio reichen, so teuer ist das Treffen der Jugend der Welt dort – selbst wenn es nach der Verschiebung um ein Jahr nun ausfallen sollte.
Ministerpräsident Laschet und Olympia-Initiator Mronz versichern, dass ihre Spiele an Rhein und Ruhr nicht nur nachhaltig, sondern auch viel preiswerter werden würden. Trotzig halten sie ihre Bewerbung aufrecht, obwohl das Internationale Olympische Komitee sie damit überfahren hat, dass es seine Spiele 2032 nach Brisbane vergeben will. Rhein-Ruhr soll zum „Dekadenprojekt“ werden – mit der schwierigen Aufgabe, nun auch noch dem historisch kontaminierten Olympiajahr 36, hundert Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin, den Anstrich eines vertretbaren Datums zu geben.
Aus dem so wichtigen Projekt zur Selbstvergewisserung einer Region mit überschuldeten Gemeinden in nachindustrieller Transformation wird ein Politikum. Eine Woche nach der Backpfeife von IOC-Präsident Thomas Bach, kommenden Mittwoch, stellen Sport und Staat in Berlin ihr nationales Konzept für Großveranstaltungen vor – auch für Olympia. Es dient dem Zweck, nicht dem Sport zu überlassen, mit welchem Kandidaten, welchen Mitteln, mit welchem Ziel Deutschland sich bewirbt. „Gemeinsam. Mehr. Wirkung.“ lautet ein Kernpunkt der Strategie.
Die Akquise von Events soll sich an deren gesellschaftlichem Nutzen messen lassen. Zugleich liefert Laschet Bürgern mit seiner IOC-Kritik Argumente zur Ablehnung. Schon der Olympiabewerbung Hamburgs, auch deshalb dürfte sie beim Volksentscheid durchgefallen sein, fehlte der Rückhalt in der Regierung, auch der finanzielle.
Zudem wird Berlin erwägen, ins Olympia-Rennen zu gehen. Doch in Regierung, Verwaltung und Parlament gilt Olympia nicht als Freudenfest.
Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 1. März 2021
Michael Reinsch Korrespondent für Sport in Berlin.