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07
2019

Internationale Olympische Wettkämpfe am 26. Juli 1908 [in Berlin!]: Über die 100m siegt Willy Kohlmey vom BSC (Startnr. 56) in 11,0s vor dem Studentenweltmeister May aus den USA (Startnr. 19) und errang damit den ersten europäischen Erfolg über die bisher dominierenden US-Amerikaner. - Foto: Forum für Sportgeschichte (Berlin)

Der Willy-Kohlmey-Kreis, der „Freunde der Berliner Leichtathletik“, in Caputh/Brandenburg am Sonntag, dem 30. Juni 2019 – Horst Milde berichtet

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Der Willy-Kohlmey Kreis, der „Freunde der Berliner Leichtathletik“ wurde 1954 von Hans Senftleben, dem Sprinter vom SCC, zur Traditionspflege der Berliner Leichtathletik, gegründet.

Während das „Berliner Läufertreffen“ sich vereinsübergreifend speziell um die Berliner Läufer-Community kümmert und erst zehn Jahr jung ist, hat der „Willy Kohlmey-Kreis“ schon 65 Jahre „auf dem Buckel“ und kümmert sich auch neben den Läufern, um die Werfer, Springer und natürlich auch um die Kampfrichter/-innen, ohne die kein Wettkampf möglich wäre

Hans Senftleben, als Gründer. führte die Vereinigung von 1954 bis zum seinem Tod 1998, danach übernahm Christoph Kopp die Führung der Traditionsvereinigung, die sich mehrfach im Jahre an den verschiedensten Orten trifft und auch oft Referenten zu Vorträgen einlädt, Besuch des ISTAF In- und Outdoor, sowie der Deutschen Meisterschaften sind Pflichttermine im Jahresturnus.

Christoph Kopp – der Leiter des Willy-Kohlmey-Kreises – Foto: Horst Milde

Das Ehepaar Margret und  Günter Schulz helfen Christoph Kopp  und sind die Organisatoren „vor Ort“. So trafen sich am Sonntag, dem 30. Juni 2019, dem wohl heißesten Tag des Jahres in Berlin, die Teilnehmer, entweder am Rathaus Spandau oder am Bahnhof Charlottenburg, dann ging es gemeinsam nach Potsdam und von dort mit dem Bus nach Caputh an den Schwielowsee. Caputh hat seine Bekanntheit durch Albert Einstein, dem deutschen Physik Nobelpreisträger, der dort ein Grundstück hatte. Auch die Autofähre ist ein beliebtes Ausflugsziel in Caputh.

Margret und Günter Schulz – Foto: Horst Milde

Trotz der Hitze waren es neunzehn Teilnehmer/-innen, die mal wieder zusammen kommen wollten, so die Geschwister Wilhelm (Langstrecklerinnen), Hammerwerfer Lothar Matuschewski, Renate und Heiner Marin (Kampfrichter), Irena und Christoph Kopp, Martina Behrendt und Gerd Steins (Sportmuseum Berlin), Margret und Günter Schulz (Sprinter), Horst und Sabine Milde (Mittelstreckler), Marianne und Robby Kruse (Sprinter und Trainer)  und auch Kampfrichter/-innen des BLV wie Jürgen Picker, sowie Edelgard und Jürgen Müller.

Zunächst nach einem Spaziergang zum „Italiener Portofino“, an der bekannten Autofähre von Caputh, hier gab es ein leckeres Mittagessen, danach ging es weiter mit einem Dampfer zum Potsdamer Hafen, dort wurde das Treffen mit einem Umtrunk beendet. Trotz der Hitze – man genoß ja die anliegenden Gewässer – , war das für die Beteiligten wieder ein gelungenes Treffen mit den alten „Kämpen“ der Berliner Leichtathletik.

Das nächste Treffen des „WillyKohlmey-Kreises“ ist natürlich schon festgelegt.

Willy Kohlmey (SC Marcomannia, dann BSC) war Sprinter (*19.7.1881 +9.9.1953), später wurde er Sportwart beim BSC, dann beim „Verband Berliner Athletik“ und schließlich auch bei  „Deutsche Sport-Behörde für Leichtathletik“ (DSBfA) und zusätzlich war er ein zuverlässiger Starter, der jahrzehntelang von keiner bedeutenden deutschen Leichtathletikveranstaltung wegzudenken war.

Willy Kohlmeys Sprinterleben.

Von Heinz Cavalier* aus „25. Jahre DER WILLY-KOHLMEY-KREIS“ 1954 – 1979 – „Freunde der Berliner Leichtathletik“  (diesen Beitrag sollte man lesen, er geht weit zurück in die Anfangszeit der deutschen Leichtathletik) 

Es begann in einer Zeit, in der die Leichtathletik noch an ihren Kinderkrankheiten litt.

Als Willy Kohlmey anno 1900 in den von Carl Diem und Eugen Wagener gegründeten Sportverein Marcomannia eintrat, war sein Trainingsplatz der Kinderspielplatz neben dem Hippodrom auf der Charlottenburger Seite des Tiergartens.

Wie es dort zuging, hat Diem später aus der Erinnerung erzählt: „Wir legten unsere Straßenanzüge über die Bank,  sie wurden von den Kindermädchen, die unseren Übungen wohlwollend zuschauten, bewacht, und dann liefen wir, den Buddelgruben ausweichend, um die lockere Sandfläche herum.“

Sportplätze gab es noch nicht. Wettkampfstätten der frühen Leichtathleten waren Exerzierplätze und Kasernenhöfe, Wiesen, Radrennbahnen, Tennisplätze, die Straße.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband, der sich damals Deutsche Sportbehörde für Athletik nannte, war erst zwei Jahre alt, der Berliner Verband noch nicht gegründet.

Die Leichtathletik schleppte noch ihre Kinderkrankheiten mit sich herum. Nach einem Berliner Junioren-Straßenlauf über die Deutsche Meile wurde in einem Bericht beklagt, „daß die DSB keine Kostümzensur ausübe“, denn es seien einige „Rennkostüme“ zu sehen gewesen. „die in bezug auf Farbenpracht nichts zu wünschen übrig ließen, wohl aber geeignet waren, bei unbeteiligten Personen Zweifel an der Ernsthaftigkeit unseres Sports zu erwecken.“

Solche Rennkostüme lehnten sich an den Dress der Jockeys an. Noch 1904 kündigte der BallspieI-Club Mittweida für eines seiner Sportfeste eine heitere Steeple-Chase an. Sie ähnelte vielleicht jenem Leipziger Hindernislauf, der den Teilnehmern aufgab, die Schuhe erst nach dem Startschuß anzuziehen und an bestimmter Stelle den Lauf zu unterbrechen, um eine Tasse Kaffee zu trinken.

Solche lustigen Einlagen waren dazu bestimmt, Zuschauer anzulocken. Da die Leichtathletik zu wenige hatte, rechnete sie bei ihren Veranstaltungen mit Verlusten. In dem Protokoll einer Sitzung. in dem der Etat für das erste Frankfurter Palmengarten-Sportfest beraten wurde, ist kurz und bündig notiert: „Deficit ca. 500 Mark. Durch Zeichnungen aufzubringen.“

Bei solcher betrüblichen, nur durch den Idealismus der Mitglieder erleichterten Sachlage waren die veranstaltenden Vereine auf verhältnismäßig hohe Meldegebühren angewiesen. Sie betrug für einen Einzelwettbewerb 1,00 bis 2,00 Mark, für Staffeln 4 bis 6 Mark. Aber der 800-m-Läufer. der sich um den „Großen Preis von Hamburg“ bewerben wollte. mußte dafür 6 Mark bezahlen, und die 5mal 100-m-Staffel, die an dem Rennen um den ,.Ehren-Wanderpreis der Königl. Haupt— und Residenzstadt Hannover“ teilnahm, hatte gar eine Meldegebühr von 10 Mark zu entrichten.

Das Vergnügen, dabei zu sein, erhöhte sich in jedem einzelnen Fall noch um 30 Pfennige, die die Veranstalter an die Deutsche Sportbehörde für Athletik abzuführen hatten, die sich vor ihrer Umorganisation im Jahre 1908 damit recht und schlecht finanzierte.

Wie es damals üblich war, nahmen viele Leichtathleten bei jedem Sportfest an mehreren Wettbewerben teil. Die Meldegelder summierten sich, die Leichtathletik war teuer. Ein paar Preisvergleiche machen das deutlich. Als sich Willy Kohlmey zu einem der stärksten europäischen Sprinter entwickelte, wurde die ‚Berliner Morgenpost“ im Wochenabonnement bei sechsmaligem Erscheinen durch ihre Boten für sage und schreibe 10 Pfennige ins Haus gebracht.

Man fuhr mit dem Sechser-Omnibus für 5 Pfennige die Friedrichstraße herunter und für 10 Pfennige mit der Straßenbahn von Charlottenburg nach Berlin. Wer sich, durch ein Inserat im „Rasensport“ dazu aufgefordert, die „herabgesetzten Preise“ der ‚Goldenen 10“ in der Mauerstraße 61 zunutze machte, bekam einen Anzug schon für 12 und eine Hose für 2 Mark.

Willy Kohlmey, seit 1901 Mitglied des Berliner Sport-Clubs, war also dabei, als sich die Leichtathletik großhungerte. Er war viel unterwegs, startete in Berlin, Hamburg, Magdeburg, Hannover und in noch mancher anderen Stadt.

In Stettin lief er 1904 mit 11,0 Sekunden Clubrekord‚ und ein Jahr später feierte er bei den „Großen internationalen Olympischen Spielen“ des Frankfurter Verbandes für Turnsport auf der 100-m-Grasbahn des Palmengartens seinen ersten internationalen Triumph, als er die böhmischen und ungarischen Meister Kohout und von Bertalan in 11,6 Sekunden schlug.

Für die Läufer der längeren Strecken und für die Staffeln stand im Frankfurter Palmengarten eine 401,20 m lange Rundbahn aus hartgewalztem Sand zur Verfügung. Auf ihr trug Willy Kohlmey seinen Namen als Mitglied der 4mal 100- und 10mal 100-m Staffeln des BSC in den Jahren 1907 und 1908 viermal in die deutsche Rekordliste ein. Die Staffeln wurden damals noch mit stehenden Wechseln gelaufen.

Dies ist zur Wertung der folgenden Rekordzeiten zu wissen wichtig:
25. 8. 1907. – 4mal 100m: 1. BSC (Kohlmey, Bruno Wagener, Eicke, Laux) 46, 4. – 10mal 100 m: 1. BSC mit Kohlmey als Schlußmann 1.59.2.

30.8. 1908. —4mal 100 m: 1. BSC (Eicke, Kohlmey, B. Wagener, Levy, gen. Lerow) 45,8. – 10mal 100 m: 1. BSC mit Kohlmey als Schlußmann 1:57,4.

Der bedeutendste Erfolg, den Willy Kohlmey errang. trägt das Datum des 26. Juli 1908.
Eben waren die Olympischen Spiele in London, bei denen Kohlmey wie alle übrigen deutschen Sprinter eine ziemlich mäßige Rolle gespielt hatte,  zu Ende gegangen, als in Berlin der BSC zu einem „Internationalen“ auf dem Schebera-Sportplatz am Gesundbrunnen mit der ersten hiesigen Aschenbahn einlud, an deren Bau laut Carl Diem einige BSC-Mitglieder fleißig mitgeholfen hatten.

Mit Kohlmey war der amerikanische Studentenweltweltmeister May zu diesem Sportfest gekommen. Er hatte den olympischen Endlauf nur verpaßt, weil in seinem Zwischenlauf der spätere Olympiasieger Reginald Walker sein Gegner gewesen war; nur die Ersten der vier Zwischenläufe waren zum Entscheidungslauf zugelassen. May hatte in Berlin die zweite, Kohlmey die vierte Bahn gelost.

Was niemand erwartet hatte, ereignete sich: Ein Bild zeigt den noch mit dem letzten Schritt energisch-kraftvoll auf das Ziel zustürmenden Deutschen knapp vor dem Amerikaner.

11,0 Sekunden war Kohlmeys Siegeszeit. Wie sie in damaliger Sicht einzuschätzen war, ergibt der Vergleich mit den Ergebnissen des Londoner Endlaufs, der vier Tage vorher stattgefunden hatte.

Reginald Walker hatte den Olympischen Rekord mit 10,8 Sekunden egalisiert, der Zweite und der Dritte, der Amerikaner Rector und der Kanadier Kerr, waren, wie Kohlmey jetzt in Berlin, mit 11 ‚0 gestoppt worden.

So ergibt sich, daß Willy Kohlmey in seinen besten Tagen das Format der internationalen Elite erreichte. Er ist mehrfach 11,0 gelaufen, einmal sogar 10,8.

Aber er ist niemals Deutscher Meister gewesen. Von 1903 bis 1909 hat er an den Meisterschaften teilgenommen, dreimal war er Zweiter, einmal Dritter.

Woran lag es? „Zu tadeln“, so heißt es im ,.Athletik-Jahrbuch für 1906“, „ist seine Nervosität und Ängstlichkeit am Start, die ihn schon um manchen Sieg gebracht hat und natürlich seine Startkunst beeinträchtigt.“

Gelobt wird dagegen sein „äußerst ergiebiger Schritt“ und sein energischer Lauf.

Aus gutem Grund konzentrierte sich Willy Kohlmey auf die 100 m; der doppelt so lange Sprint war in seinen Läuferjahren kein Meisterschaftswettbewerb. Daß aber seine läuterische Energie und sein starker Siegeswille auch im 200-m-Lauf begeistern konnten, zeigte er 1909, am Ende seiner Laufbahn, als er in Hannover in einer 1600-m-Staffel (200, 400, 800, 200 m) auf der letzten Strecke eingesetzt wurde und Sieg oder Niederlage des BSC von ihm abhing.

Die Gegner seines Clubs waren Eintracht Hannover, Eintracht Braunschweig, St. Georg Hamburg und der Kieler FC. Als der letzte Wechsel nahe war. hatte der BSC einen knappen Vorsprung. Doch der Wechsel Frithjoff – Kohlmey klappte nicht, die Braunschweiger nutzten die Chance, Runge übernahm die Führung, gefolgt von Kohlmey und Spieß (Hannover).

Noch eingangs der Zielgeraden war die Lage unverändert, das Rennen nicht entschieden. Dann aber spielte Willy Kohlmey sein ganzes Können aus.

Kurz und gut: Als er über die Ziellinie lief, war Spieß zwei Meter hinter ihm zurück, Runge noch etwas mehr. Dieser Erfolg auf ungewohnter Strecke war eine bemerkenswerte Leistung, denn seine Gegner hatten einen ausgezeichneten Ruf. Albert Spieß, 19 Jahre alt, war Norddeutscher 400-m-Meister und hatte folgende Bestzeiten: 11,2, 23,2, 50,8. Johannes Runge war nun schon 31 Jahre alt. Er war als Inhaber der deutschen Rekorde über 400, 800 und 1500 Meter Vorgänger Hanns Brauns und wie dieser in mehreren anderen Ieichtathletischen Übungen,  so auch in den Sprints, gelegentlich siegreich.

Wie dort in Hannover, so hatte Willy Kohlmey zwischen 1902 und 1909 in schönem Gemeinschaftssinn und kämpferischem Schneid teil an ungezählten Staffelsiegen seines Clubs. Natürlich war sein 11-Sekunden-Sieg über May die Krönung seines Sprinterlebens, doch für die Leistungsentwicklung der deutschen Leichtathletik und für das schnell wachsende Ansehen, dessen sich der BSC erfreute, waren die vier Staffelrekorde von 1907 und 1908, an denen Willy Kohlmey beteiligt war, von nicht geringerer Bedeutung.

Der Club dankte ihm dafür durch die Verleihung des Goldenen Adlers.

Heinz Cavalier*

Heinz Cavalier (* 3. September 1901 in Berlin; † 3. Januar 1982 in West-Berlin) war ein deutscher Journalist.

Cavalier war von 1924 bis 1929 Schriftleiter bei der Zeitschrift „Der Leichtathlet“. Von 1930 bis 1944 dann deren Hauptschriftleiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Cavalier von 1950 bis 1972 Chefredakteur der Zeitschrift „Leichtathletik“ sowie von 1956 bis 1970 DLV-Pressewart. Ferner begleitete er von 1956 bis 1960 die Funktion eines Beisitzers im DLV-Präsidium.

Von 1986 bis 2001 wurde vom DLV der Heinz-Cavalier-Preis als Journalistenpreis verliehen. Seit 2002 heißt er DLV-Medienpreis. Quelle: Wikipedia

Horst Milde

Martina Behrendt und Gerd Steins – Foto: Horst Milde

Irena Kopp – Foto: Horst Milde

Renate und Heiner Marin  – Foto: Horst Milde

Der Kohlmey-Kreis beim Italiener in Caputh -Foto: Horst Milde

Die Autofähre in Caputh – Foto: Horst Milde

Mit dem Dampfer nach Potsdam – Foto: Horst Milde

Lothar Matuschewski mit (v.lks.) Margret Schulz, Ina Latta und Edelgard Müller (r. außen) – Foto: Horst Milde

Letzte Stärkung in Potsdam – Im Vordergrund (r.): Marianne Kruse – (lks:) Robby Kruse – Foto: Sabine Milde

author: GRR