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02
06
2020

Tausende in gleichfarbigen T-Shirts, kostenfrei ausgegeben - Foto: Klaus Weidt

Der Run, bei dem Haile barfuß rannte. Nirgendwo in Afrika laufen mehr als in Addis Abeba. Klaus Weidt berichtet

By GRR 0

Im Vorjahr zählte der Great Ethiopian Run 45 000 Teilnehmer/-innen. Nun könnte er auch 2020 vakant werden.

Unglaublich, aber wahr. 45 000 mailte mir Ayele Ermias zu. Frauen, Männer, Kinder, Familien auf den autofreien Straßen des sonst so quirligen Addis Abeba.  Im Vorjahr. „Wirklich?“ fragte ich nach. „Really!“ antwortete der Renndirektor des Great Ethiopian Run und bestätigte diese Zahl.

Damit unterstrich der Great Ethiopian Run einmal mehr, dass er Afrikas „Größter“ ist. Haile Gebrselassie, der diesen einst ins Leben rief, war wieder dabei und gab den Startschuss. Traditionell.

Haile war auch an der Startlinie, als ich zum letzten Mal Äthiopien besuchte. Nach herzlicher Begrüßung auf äthiopische Art – Schulter an Schulter – reihte ich mich ein. In Tausende, die sich schon seit einer Stunde um einen guten Platz drängten. Mit Kind und Kegel, oftmals bunt gekleidet, viele mit großen Fotos von ihrem Idol Haile. Findige Händler hatten den Haile-Kopf auf Fotopapier in originaler Größe kopiert und verkauften ihn zu guten Preisen. Es hatte sich herumgesprochen, dass ihr Hero mitmachen würde.

Unterwegs auf Stelzen – Foto: Klaus Weidt

Vor dem eigentlichen Startschuss wurden Rollis und Behinderte auf eine kürzere Strecke geschickt und wie Helden empfangen. Dann liefen und walkten damals 40 000 in Blöcken. Ein Volksfest, ein Laufkarneval, mit Gesang und Tänzen unterwegs. Und Haile? Hier gab es die nächste Überraschung, von der ich zwangsläufig erst hinterher erfuhr.

Der zweimalige 10-km-Olympiasieger lief die gesamten 10 Kilometer durch Addias Abeba – barfuß!

Er wollte mit dieser Aktion, die zugleich sein Abschied vom Wettkampfgeschehen sein sollte, an jenen Mann erinnern, der als erster Afrikaner einen olympischen Marathon gewann. Dieser Äthiopier namens Abebe Bikila rannte am 10. September 1960 in Rom zum Entsetzen aller Zuschauer ohne Schuhe und sicherte sich die Goldmedaille.

Und so zog Haile (Nomen ist übrigens Nomen: „Energie“) seine Adidas-Laufschuhe aus und rannte nach dem Startschuss, den er selbst abfeuerte, allen hinterher. Unter 30 Minuten schaffte er es doch noch. Im Ziel genoss er sichtlich die Huldigungen. „Haile ho!“ hieß der Schlachtruf der Massen.

Renndirektor Ermias Ayele, der mir von den inzwischen 45 000 Teilnehmern im Vorjahr berichtete, hat längst mit Haile Gebrselassie einen Plan fürs ganze äthiopische Laufjahr entwickelt. Für Frauen, Kinder, Familien. Dazu ein Hawassa-Halbmarathon dort, wo Haile ein Hotel gebaut hat, und schließlich den Great Ethiopien Run, der „Running Carneval“ im ostafrikanischen Land.

Die Initiatoren wollen aber mehr als nur Laufen. Sie möchten manches verändern. So standen bei den „Children Races“ einmal mehr die Mädchen im Mittelpunkt, der Situation in Zentralafrika geschuldet. Man engagierte sich einerseits, um sie zum Sport zu bewegen, anderseits aber auch, um sie zu schützen. „I’m a girl children. Do not make me a child mother!“ (Ich bin ein Mädchen. Macht mich nicht zu einer Kinder-Mutter“). Jeder erhielt ein T-Shirt mit diesem Slogan.

In diesem Jahr, so Ermias Ayele, ist die Auswirkung der Corona-Krise in Äthiopien auch zu spüren. „In den letzten Tagen war die Ausbreitung des Virus alarmierend. Der Ausnahmezustand musste ausgerufen werden, so dass viele Dinge betroffen waren.“ Zwei ihrer Vorhaben wurden bereits abgesagt. So die Kinderläufe (Europe Day Children Races), die seit zehn Jahren in jedem Mai veranstaltet wurden. So die traditionellen „Corporate Relay Races“ zur Förderung der Verkehrssicherheit. Den Hawassa-„Halben“ im Februar und die 5 km der Frauen im März konnten gerade noch organisiert werden. „Alle anderen Veranstaltungen wurden abgesagt.“

                                                          Haile barfuss im Ziel – Foto:  Veranstalter

Einen virtuellen Run über 5 Kilometer hat nun das Team um Ermias Ayele erstmals ins äthiopische Lauf-Leben gerufen. Mit Unterstützung von Sponsoren, so einer Bank. Jeder kann jetzt innerhalb einer Juni-Woche mit einem eigenen Lauf über diese Distanz dabei sein. Jeder „Finisher“ erhält danach eine Medaille und ein elektronisches Zertifikat, unterschrieben von Haile Gebrselassie. „Da wir momentan keine Massenveranstaltungen durchführen können“, so der Renndirektor, „gewöhnen wir uns eben an die neue Normalität eines virtuellen Laufs. Die Resonanz in der Öffentlichkeit ist sehr gut.“

Ob der Great Ethiopian Run 2020 stattfindet, wollte ich wissen. Die Auskunft aus Addias Abeba: Bisher ist darüber noch keine Entscheidung gefallen. Wo möglich muss er verschoben werden. „Wir werden Anfang August die endgültige Entscheidung treffen.“

 Klaus Weidt

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Anmerkung: Von der Erstauflage „Der Wunderläufer Haile Gebrselassie“, geschrieben von Klaus Weidt, ist noch ein kleiner Bestand vorhanden.

 

 

author: GRR