Medaille aus dem Briefkasten, - Foto: Thomas Fricke
Der Nikolaus – ein Schutzpatron für einen virtuellen Wettkampf? Von Dr. Erdmute Nieke
Ein Rückblick auf den virtuellen 4. Nikolauslauf vom 5. bis 24. Dezember 2020 am Schlachtensee in Berlin
Der heilige Nikolaus (geb. 270/280, gest. 326/365) soll als Bischof von Myra in Kleinasien den Töchtern eines armen Witwers heimlich in der Nacht Goldklumpen in die Schuhe gelegt haben. So sagt es die Legende und deshalb putzen wir heute am 6. Dezember – am Todestag des heiligen Nikolaus – die (Lauf)-schuhe und hoffen auch gute Gaben in unseren Schuhen zu finden.
Diese Woche hatte ich eine gute schöne goldene Gabe in unserem Briefkasten. Zwischen den üblichen Rechnungen und der Zeitung fand ich einen Brief, darauf meine Anschrift handschriftlich geschrieben, ohne Absender und etwas dicker als ein normaler Brief. Ich befühle den Brief und habe eine Ahnung! Ist es die Medaille vom Nikolauslauf?
Und wirklich! Sie ist es! Eine goldene Medaille am roten Band, in einem Schneeflockenmuster steht „4. BERLINER NIKOLAUSLAUF 2020“.
Noch eine Medaille! In diesem verrückten Jahr 2020, das so fast ohne Wettkämpfe und ohne Medaillen auskommen musste.
Angefangen hatte die Geschichte im Frühherbst. Eine Ausschreibung kam per Mail von „Die Laufpartner e.V.“ mit der Einladung am 5. Dezember 2020 einen richtigen Wettkampf um den Schlachtensee zu laufen. Ein Pausengespräch mit einer lieben Kollegin, die in der Nähe des Schlachtensees wohnt, gab den Anstoß mich anzumelden. Denn ihre Worte waren: „Ich feuere Dich an, wenn Du da läufst!“
Und dann? Es kam der zweite Lockdown ab November. Ein weiteres Gespräch mit meiner Kollegin – inzwischen unter der Maske, die wir nun immer tragen müssen – folgte und ich berichtete ihr, dass der Lauf abgesagt sei und frau ihn virtuell, jedoch nur um den Schlachtensee laufen kann. Darauf sagte sie: „Mach das, ich feuere Dich auch an, wenn Du da allein rennst, gerade dann!“
O.k. gesagt, getan!
Ich melde mich für zwei Runden um den Schlachtensee – den Viertel-Marathon an, Halb- oder Achtel- wäre auch möglich gewesen. Ich habe Zeit bis zum Heiligen Abend die Strecke zu laufen. Nach der Anmeldung erhalte ich einen Link zu einer App, die ich mir aufs Handy laden soll. Alles ist vorbereitet.
Zwei Tage vor Heilig Abend – Ferien – treffen wir uns am Startpunkt auf Wiese gegenüber der Fischerhütte am Schlachtensee. Eine Art Verkehrsschild ist auf der Wiese angebracht, darauf steht „Start und Ziel“. Welches Glück, nach einer verregneten Nacht scheint die Sonne und es ist mit zehn Grad richtig warm geworden. Eigentlich kein Nikolaus- oder Weihnachtswetter! Meine Kollegin hat auch noch ihre erwachsene Tochter als Verstärkung mitgebracht. Die Tochter läuft auch, sie will eine Runde rennen.
Ich bin sehr froh, dass meine Kollegin da ist, denn ich bekomme die App allein nicht in Gang, doch mit ihrer Hilfe funktioniert es dann doch! Dann startet ein Wettkampf der etwas anderen Art, meine Kollegin spaziert eine Runde um den See, ich renne zwei. Bevor ich los renne, sagt sie noch, dass ich mich beeilen soll, damit sie nicht zu lange werten muss!
Glücklich nach elf Kilometern – Foto: privat
Die Strecke um den Schlachtensee gehört nicht zu meinem Lieblingsstrecken. Es sind viele Spaziergänger unterwegs, die es mit Abstand zu überholen gilt. Dazu viele Läufer*innen, nur die wenigsten grüßen. Sonst kenne ich das anders in Berlin. Der Weg ist ziemlich schlammig nach dem Regen, aber der Blick über den See ist offen, die Sonne scheint und ich bin viel zu warm angezogen.
Ich sehe einen Schwimmer im Wasser und Komorane, die in der Sonne ihre Flügel trocknen. Zweimal sehe ich meine Kollegin am anderen Ufer gehen. UND: Sie kommt vor mir ins Ziel! Ich habe den Wettkampf der anderen Art verloren! Aber ich bin meine schnellsten elf Kilometer in diesem Jahr gelaufen! Meine Garmin-App zeichnet mich sofort dafür aus. Dazu werde ich von meiner Kollegin auf ein alkoholfreies Zielbier am Ausschank der Fischerhütte eingeladen. Das zischt nach meinen schnellen Kilometern! Und tatsächlich sitzen noch kurz in der Sonne auf einem Baumstamm am Wasser – ganz klar mit reichlich Abstand.
Wieder zu Hause, schaue ich auf die Homepage des Veranstalters und es hat wirklich alles geklappt mit der Laufapp. Ich werde auf Platz 28 gelistet. Insgesamt haben bis Heilig Abend 328 Läufer*innen den vituellen Nikolauslauf um den Schlachtensee mitgemacht.
Der Nikolaus würde sich wundern, wenn er heute leben würde. Unsere Wege werden gleich mit zweifacher Laufapp aufgezeichnet, heute hätte der arme Witwer also sofort herausbekommen, wer der Wohltäter war, der die Goldklumpen in die Schuhe seiner Töchter gepackt hat. Wir erlaufen unser Goldklumpen heute selbst, aber vielleicht sollte der Nikolaus nun auch noch der Schutzheilige für die virtuellen Läufer*innen werden? Vielleicht kann der Nikolaus auch heute noch kleine Wunder wirken?
Wünsche hätte ich da schon! Eigentlich nur EINEN Wunsch…!
Jedenfalls ein großes Dankeschön an Euch „Die Laufpartner e.V.“ für diese andere Organisation eines Wettkampfes. Ob ich nächste Woche meiner Kollegin erzähle, dass ihr Ostern den Berliner Osterlauf auf die gleiche virtuelle Weise anbietet?
Mutter und Tochter – Foto: Erdmute Nieke
Ob wir wieder gemeinsam Zeit finden zwischen dem 20. März und dem 5. April 2021? Wiederholen wir den Wettkampfes der anderen Art „Spazierengehen gegen Laufen“?
Dr. Erdmute Nieke