Der BMW BERLIN-MARATHON - Foto: Horst Milde
Der Marathon-Laufsport steht im „Regen“ – „es ist mit dem schlimmsten zu rechnen“!
Der sprichwörtliche lange Atem der Marathonläufer ist auch jetzt gefragt: Er gilt aber nicht bezogen auf die Fitness sondern vielmehr die Geduld der Ausdauer-Athleten.
Die Corona-Pandemie hat so gut wie alle bedeutenden internationalen Laufveranstaltungen gestoppt, darunter auch die Marathon-Klassiker von Berlin, Boston, Chicago und New York.
Der Hamburg-Marathon steht offenbar kurz vor einer Absage, und in Frankfurt deutet auch alles auf einen Ausfall hin.
Hunderttausende von Freizeitläufern können nicht mehr an den Start gehen, den Elite-Athleten fehlen Wettkämpfe und Einkünfte, und die Veranstalter bangen um ihre Zukunft. Die alleine in Deutschland millionenschwere Branche City-Marathonlauf steht auf der Kippe.
Solange das Verbot für Großveranstaltungen gilt und es für Veranstalter trotz Vorlage von aufwendigen Hygiene-Konzepten so gut wie keine politische Unterstützung gibt – und auch die Unterstützung des Fachverbandes fehlt – , ist mit dem schlimmsten zu rechnen. „Noch hat niemand das Handtuch geworfen. Aber eine zweite Absage 2021 wird so gut wie keiner verkraften, dann gibt es eine Pleitewelle“, sagt Horst Milde, der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der deutschen Straßenlaufveranstalter, German Road Races (GRR), und Gründer des BERLIN-MARATHON.
Im April hat GRR beim Innenministerium einen Rettungsfonds für den deutschen Straßenlaufsport beantragt. „Bisher ist noch nichts entschieden“, sagt Horst Milde. Der Laufsport hat, wie viele andere Sportarten auch, keine ausreichende Lobby, obwohl ihn Millionen von Menschen betreiben.
International hegen ein paar Veranstalter bedeutender Rennen noch Hoffnungen: Amsterdam, Istanbul, Paris oder auch London gehören dazu, wobei es in der britischen Metropole am 4. Oktober eher nach einem hochklassigen, reinen Elitelauf aussieht als nach einem Massenrennen.
Währenddessen gab es jedoch schon die ersten Absagen von Rennen, die Anfang 2021 stattfinden sollten. Vor diesem Hintergrund wäre es ein wichtiges Signal, wenn Veranstalter mit entsprechenden Schutz-Konzepten ihre Rennen starten könnten.
Hamburg als auch München haben mit großem Aufwand derartige Konzepte vorgelegt. In Hamburg verlangte die Stadt dann jedoch, dass der Veranstalter nicht nur für die Teilnehmer sondern auch für etwaige Zuschaueransammlungen die Verantwortung übernimmt. Dies ist bei einer Streckenlänge von 42,195 Kilometern von keinem Veranstalter zu leisten. In München, wo das Rennen am 11. Oktober in einen 30-km-Lauf umgewandelt wurde, ist noch nichts entschieden.
„Die Hamburger Veranstalter haben ein sehr gutes Konzept für die Teilnehmer erarbeitet“, sagt Christoph Kopp, der unter anderem für die Rennen in Frankfurt und Hannover das Elitefeld zusammenstellt und zudem etliche deutsche Topläufer als Manager betreut. „Die Stadt müsste jetzt ein Interesse zeigen, Verantwortung übernehmen und mit Zuschauer-Regeln sowie punktuellen Kontrollen die Rahmenbedingungen schaffen, damit etwas stattfinden kann.“
„Wenn es so weitergeht, ist bei den leistungssportlichen Läufern ein Rückfall in den Semi-Amateurstatus zu befürchten, was sich dann natürlich in der Leistung bemerkbar machen wird“, sagt Christoph Kopp, zu dessen Athleten unter anderen die Topläufer Hendrik Pfeiffer, Amanal Petros und Alina Reh gehören.
„Ausrüsterverträge federn zurzeit sicherlich noch etwas ab, aber sie dürften auch reduziert werden, denn sie sind leistungsabhängig. Und für Bonus-Zahlungen sind entsprechende Leistungen nötig, was ohne Wettkämpfe natürlich unmöglich ist“, erklärt der Berliner Manager, dessen eigenes Unternehmen zurzeit praktisch keine Einnahmen hat bei weiter laufenden Kosten. „Wir engagieren uns jetzt ehrenamtlich, um den Athleten zu helfen“, sagt Christoph Kopp, der zu den Organisatoren des Berliner 5-km-Rennens zählte, das am vergangenen Sonntag stattfand „Die Enttäuschung ist riesig bei allen, aber ich glaube, die Leistungssportler sind noch nicht so demotiviert, dass sie alles in die Ecke schmeißen.“
Ähnlich sieht es auch Jos Hermens, der holländische Manager, der unter anderen Marathon-Superstar Eliud Kipchoge (Kenia) betreut. „In Afrika ist es ein Drama“, sagt der frühere Weltklasseläufer. Die besten Läufer der Welt sind aufgrund entsprechender Werbeverträge noch nicht gefährdet. Aber schon bei Läufern, die Weltklasse-Marathonzeiten von 2:05 beziehungsweise 2:21 bei den Frauen erreichen, wird es schwierig. „Sie sind abhängig von Preisgeldern und Prämien“, erklärt Jos Hermens, der aber auch sagt, dass die Kenianer oder Äthiopier nicht so schnell aufgeben werden: „Sie sind in gewisser Hinsicht flexibler als wir – sie akzeptieren die Situation, sie haben in ihrem Leben gelernt mit schwierigen Bedingungen fertig zu werden, so dass sie nicht so schnell aufgeben. Sie sagen: so ist das Leben.“
Zudem gibt es in Afrika große Solidarität. So versorgt zum Beispiel Eliud Kipchoge Athleten und deren Familien in seiner Umgebung mit Essen.
Jos Hermens gehört auch zum Organisations-Team des Amsterdam-Marathons, der für den 18. Oktober geplant ist.
„Wir versuchen alles, denn es ist wichtig für den gesamten Laufsport, dass Läufe wie Hamburg oder Amsterdam stattfinden können. Schließlich brauchen die Menschen auch wieder Sport und Bewegung, denn viele saßen sehr lange zu Hause.“
Beitrag in der Süddeutschen Zeitung:
„Marathon in der Krise: Läufer brauchen einen langen Atem“