Start der Sägerserie der LG Nord - Foto: JoAnna Zybon
Der Berg der Champions oder The last run in the year – Von JoAnna Zybon
Glück gehabt: nur zwei Tage vor dem Teil-Lockdown endete am 31. Oktober der dritte und letzte Lauf der „Sägerserie“ des SC Tegeler Forst. Alle drei Läufe der Serie wurden reell ausgetragen.
„Die härteste Cross-Lauf-Serie in Berlin und Brandenburg seit Erfindung der Kettensäge“ – so die selbst gewählte Etikette – war somit eine der wenigen echten Laufveranstaltungen des Berliner Herbstes.
Oder, genauer gesagt, des Berliner Frühlings, Sommers, Herbstes und vermutlich auch Winters, denn bis auf Weiteres herrscht in der Laufszene gezwungenermaßen tote Hose.
Da seitdem keine weitere Laufveranstaltung in Berlin mehr stattfinden durfte, war dieser Cross-Lauf der letzte Wettkampf des Jahres – quasi eine Art „Silvesterlauf“.
239 Finisher, so viele wie noch nie, beendeten den dritten Teil der Sägerserie. 106 von ihnen hatten alle drei Läufe der Serie absolviert und kamen in die Cup-Endwertung.
Start mit Debbie und Rabea Schöneborn (in rot) – Foto: JoAnna Zybon
In einem gewöhnlichen Herbst zieht die berüchtigte 3,75 Kilometer lange Säger-Runde, die für Berliner Verhältnisse unerwartet bergig ist, deutlich weniger Cross-Fans an.
Die höchste Erhebung der Runde wird von den Organisatoren als „Berg der Champions“ bezeichnet, weil sich dort die Spreu vom Weizen trennt: Entweder man stapft hoch – gemach, gemach – oder man stellt sich dem Berg und bezwingt ihn im Spurt. Da sich der typische Sägerserie-Teilnehmer unter sehr leistungsorientierten Volksläufern rekrutiert überwiegt das Zweite.
Die Anzahl der Runden hängt vom gewählten Level ab: Silber (eine Runde beim ersten Lauf, zwei Runden beim zweiten Lauf, drei Runden beim dritten Lauf gleich 11,25 Kilometer), Gold (zwei Runden beim ersten Lauf, dann drei, dann vier gleich 15 Kilometer) oder Diamant (drei Runden beim ersten Lauf, dann vier, dann fünf gleich 18,75 Kilometer). Kinder oder Funläufer absolvieren „nur“ ein Ründlein.
Viele Wettbewerbe bedeuten viele Sieger: Die Diamantwertung des dritten Laufs gewannen Maja Seidel und Fabian Clarkson, beide vom SCC Berlin; die Goldwertung Rabea Schöneborn von der LG Nord und Robin Schilff vom SCC Berlin; die Silberwertung Josina Papenfuß vom SCC Berlin und Aaron Bienenfeld vom SSC Hanau-Rodenbach.
In den vorderen Plätzen der Ergebnislisten der anderen beiden Läufe sowie des Cups finden sich noch weitere prominente Namen: Carmen Schultze-Berndt und Thilo Brill von der LG Nord waren die besten „silbernen“ Cup-Läufer. Caterina Granz, ebenfalls LG Nord, gewann den zweiten Einzellauf: zwei Runden in 26:46 Minuten, das sind 3:34 Minuten pro Kilometer.
Rabea Schöneborn lief zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Deborah, die nur eine Sekunde und einen Platz hinter ihr landete; sie bewältigten die Hermsdorfer Berge in einem Durchschnittstempo von 3:38 beziehungsweise 3:39 Minuten pro Kilometer.
Rabea Schöneborn mit ihrer Zwillingsschwester Deborah – Foto: JoAnna Zybon
„Für Rabea und mich war es ein sehr guter Trainingslauf durch die Berge hoch und runter, wir haben es sehr genossen“, sagte Debbie hinterher. „In der letzten Zeit waren Laufveranstaltungen rar gesät. Die Sägerserie hatte ein gutes Hygienekonzept, das sehr verantwortungsbewusst umgesetzt worden war.“
Das Hygienekonzept beinhaltete Wellenstarts mit Masken, die später abgenommen werden durften, Formulare für Kontaktnachverfolgung, obligatorische Abstandsregelungen und eine Einschränkung der gewohnten Services, wobei die Organisatoren auf ein Streichkonzert verzichteten und sehr engagiert versuchten so viel wie möglich kreativ zu retten, zum Beispiel eine Pandemie-konforme Ausgabe von Erinnerungsmedaillen.
Nun, mehr als einen Monat später, sind diese Sägerserie-2020-Medaillen kostbare Erinnerungsstücke, denn es gibt weit und breit keine Möglichkeit mehr sich läuferisch zu beweisen, jedenfalls für Breitensportler. Das Verbot von kleinen Laufveranstaltungen leuchtet nicht jedem ein. Bei 300 Startern, die mit Abständen und Masken in vielen kleinen Wellen an frischer Luft in einem Stadion loslaufen … wie soll man sich da anstecken?
Leider steht diese Frage nicht zur Diskussion, obwohl der Laufsport als kardiovaskuläre Aktivität systemrelevant ist und Läufer nun einmal Ziele brauchen.
„Wir wissen nicht wie wir durchs nächste Jahr kommen sollen“ erklärt Paul Murcha, hauptamtlicher Organisator der Sägerserie, der sich mehr Unterstützungsmöglichkeiten von der Politik wünscht. Selbstverständlich unterstützt sein Verein die Petition „Rettet unsere Läufe“.
Besser sieht es in der Welt des Spitzensports aus. Am morgigen Nikolaustag startet in Valencia ein hochkarätig besetzter Elite-Marathon – mit Deborah und Rabea Schöneborn. Den sehr sympathischen und stets geerdeten Zwillingen ist die Teilnahme zu gönnen. Und ja, auch das Olympiaticket! Sie haben gute Chancen die Olympia-Norm von 2:39,30 Stunden zu knacken. Deborah erreichte 2019 bei ihrem Debüt 2:31:18 Stunden. Für Rabea wird es eine Premiere sein.
Beide Schwestern haben sich dieses Jahr auf den kürzeren Strecken verbessert. Der kleine Cross-Lauf der Sägerserie gehörte zu ihrer Marathon-Vorbereitung … und wenigstens für Debbie und Rabea sollte er nicht der letzte Lauf des Jahres werden.
JoAnna Zybon
Foto: JoAnna Zybon
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