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30
04
2020

LAUFZEIT Nr. 1 vom 3. Mai 1990 - Foto: Archiv Klaus Weidt

Den letzten Anstoß gab Horst Milde – 30 Jahre LAUFZEIT

By GRR 0

Vor 30 Jahren wurde mit der LAUFZEIT ein „deutsch-deutsches“ Läuferjournal ins Leben gerufen, dass zuerst mit dem BERLIN-MARATHON und dem Rennsteiglauf kooperierte. Erfolgreich, wie sich bald herausstellte.

Mit dem Begründer Klaus Weidt unterhielt sich Christel Schemel

Wie kamst du auf die Idee, gerade 1990 ein Läuferjournal herauszugeben?

Die Idee hatte ich schon längere Zeit. In der DDR gab es keine Zeitschrift dieser Art. Doch die Laufbewegung hatte sich auch hier seit Mitte der 70er Jahren mächtig entwickelt. Alle meine Anträge, sowohl an die oberste Sportführung als auch ans Presseamt, waren vergebens. Es gäbe doch das Fachorgan „Leichtathletik“ und außerdem – kein Papier.

Und da war die Wende ein günstiger Zeitpunkt, es noch einmal zu versuchen?

Genau. Jetzt, so sagte ich mir, sollte es doch gelingen. Bei einer nachträglichen Geburtstagsrunde am 2. Januar 1990 hatte ich noch drei weitere lauffreudige Journalisten am Tisch, die sofort mitmachen wollten. Ich entwickelte ein Konzept und stellte das mit Wolfgang Weising, Journalist und befreundeter Mitstreiter, auf einer Zusammenkunft der wichtigsten DDR-Laufveranstalter vor. Die waren begeistert. Aber mehr als „Macht das mal!“  und anerkennende Worte kam von diesen auch nicht. Mir wurde klar, dass man trotz der vorhandenen Laufbegeisterung in der DDR noch mehr Rückhalt benötigte, um hier auf eigene Faust so etwas völlig Neues, eine Laufzeitschrift, herauszugeben.

Und da meldete sich der BERLIN-MARATHON?

Ja, ich werde nicht vergessen, wie noch Mitte Januar 1990 das Telefon bei mir bimmelte und sich eine leicht heisere Stimme meldete: „Hier ist Milde aus Tempelhof. Sie kennen mich vielleicht?“ Der BERLIN-MARATHON-Vater hatte von unserem Vorhaben gehört und wollte mehr Details wissen. Ich holte tief Luft und dachte sofort, etwas Besseres kann doch gar nicht passieren. Wir vereinbarten einen Treff in seiner Bäckerei.

Wann kam denn der Milde-Treff zustande?

Ein Monat später. Bei starkem Kaffee und zu süßem Milde-Kuchen. Zuvor hatte ich bereits kühn an den damaligen Presse- und Informationsdienst der DDR-Regierung einen Antrag auf Herausgabe einer „Laufzeitung“ gestellt und den überraschenderweise am 16. Februar 1990 unter der Registriernummer 1728 genehmigt bekommen. Horst Milde sah sich meine Konzeption an und wurde sofort konkret: „Also, wenn das was wird, habt ihr unsere ganze Unterstützung, da machen wir einen Vertrag über Zusammenarbeit.“ Ein paar Tage später informierte er schon im Berlin-marathon-Pressedienst über das neue „deutsch-deutsche Laufmagazin“, wie er es nannte.

Horst Milde (lks.) und Klaus Weidt – Foto: Sabine Milde

Das neue Laufmagazin wurde LAUFZEIT genannt. Warum?

Es steckt so ein bisschen Philosophie darin. Zeit zum Laufen ist eigentlich immer. Wenn man will. Und wir wollten auch Menschen bewegen, die sich bisher kaum bewegt haben. Daher unsere laufende Schnecke, so eine Art Logo. Eigentlich dachte ich an den Titel „Laufzeitung“, doch wohl zu laut, denn „Spiridon“ ließ wissen, dass es bereits eine Beilage in seinem Journal gibt, die so heißt…

Soviel ich weiß, sollte die LAUFZEIT auch einem neuen „Läuferbund“ unter die Arme greifen. Im Mai 1990 gab es eine solche Gründungsversammlung…

Das ist richtig, und der Doppelolympiasieger Waldemar Cierpinski wurde zum Präsidenten gewählt. Doch hat das gewählte Gremium weder gearbeitet noch sich übriges bis heute offiziell aufgelöst. Der Deutsche Leichtathletik-Verband der Bundesrepublik stellte sich vehement gegen einen Läuferbund.  Doch das berührte uns nicht weiter.

Somit war der BERLIN-MARATHON der wichtigste Partner?

Ja, auf jeden Fall. Horst Milde riet uns auch, eine Laufzeit Verlags GmbH zu gründen und selbständig zu agieren. Das geschah dann am 10. April 1990, also noch zu DDR-Zeiten. Mit Partnern wie dem BERLIN-MARATHON und dem Rennsteiglauf im Rücken sahen wir der ersten Ausgabe recht optimistisch entgegen.

Der Rennsteiglauf wurde somit in die Entstehung der LAUFZEIT einbezogen?

Das war uns besonders wichtig. Die erste Ausgabe sollte im Mai erscheinen und u.a. beim Rennsteiglauf in Schmiedefeld vorgestellt werden. Dort gingen tausende Läufer zwischen Ostsee und Fichtelberg an den Start, die, so hofften wir, ein Läuferorgan mit Begeisterung kaufen und Abonnements abschließen würden. Und so war es auch. Die Nummer 1 ging weg wie warme Semmeln, mit den abgeschlossenen Abos war ich aber nach der Premiere nicht ganz zufrieden. Ich rechnete mit mehr als 1000, doch waren es „nur“ 991. Horst Milde schüttelte da lediglich den Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, dass ein Fachorgan je so einen erfolgreichen Start gehabt hätte. Ergänzen muss ich, dass die Berliner, auch die Westberliner, dank der Werbung von Milde und des BERLIN-MARATHON, das neue Läuferorgan sofort gut annahmen.

Leserreise nach Ägypten – Foto: Archiv Klaus Weidt

Kannst du dich an das Datum erinnern, als die erste Ausgabe ausgedruckt war?

Ganz genau. Es war der 2. Mai 1990. Wir hatten uns zu einem kleinen Fest verabredet, damals im Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Berlin-Friedrichshain. Horst Milde war natürlich dabei, auch Christoph Kopp und Jens-Peter Ketels vom SC Charlottenburg, meine Frau, die sehr viel für die Werbung getan hatte, und Mitstreiter Wolfgang Weising. Letzterer war beauftragt worden, die neue Ausgabe aus der Druckerei zu holen und jedem eine in die Hand zu drücken. Als er eintraf, hatte er die in seiner Wohnung, wohl vor Aufregung, liegen gelassen. Also musste er noch einmal zurück. Wir nahmen das gelassen hin und freuten uns schließlich über unser neues Journal und beim Bowling über die gelungene LAUFZEIT-Premiere.

Wie verlief denn die erste Zeit mit der LAUFZEIT?

Meine Frau und ich waren fast an jedem Wochenende unterwegs, um das neue Journal den Läufern bekannt zu machen. Zugleich wollten wir Partner unter den Lauforganisatoren für eine Zusammenarbeit gewinnen. Das bereitete uns viel Freude, auch wenn es anstrengend war. In meinen Unterlagen habe ich nachrechnen können, dass wir z.B. in den ersten zwei Jahren bei 94 Läufen präsent waren. Vom Hannover-Marathon bis zum Leipzig-Marathon, vom Sachsenwaldlauf in Schwarzenbek bis zum Sachsenlauf in Coswig, vom Celler Wasa-Lauf bis zum Schweriner Fünf-Seen-Lauf, vom Rennsteiglauf bis zum Berlin-Marathon. Nach Sylt führten uns die ersten Leserreisen. Die deutsche Laufsportpalette ist ja so vielseitig und farbig! Aber es hatte sich gelohnt – die Abonnentenzahlen stiegen.

Wolfgang Weising wurde nach dir Mitte 1997 Chefredakteur…

Wie du weißt, hatte ich 1994 auch eine REISEZEIT als GmbH gegründet – die Läufer wollten ja in alle Welt. Da musste ich mich entscheiden, zwei Unternehmungen waren zu umfangreich, mit Wolfgang Weising stand ein erfahrener Journalist und aktiver Läufer in den Startlöchern. Dank der REISEZEIT, deren Geschäftsführerin du dann später wurdest, konnten wir zahlreiche Leserreisen in die ganze Welt unternehmen – von Grönland bis Neuseeland, von Alaska bis Kapstadt, von China bis Feuerland. Das waren auch Erfolgsgeschichten. Unbedingt erwähnen möchte ich, dass die LAUFZEIT weltweit interessante Laufveranstaltungen ins Leben rief: so 1994 den Ägypten-Marathon und den Aphrodite-Halbmarathon auf Zypern. Dann mit Hilfe von REISEZEIT Premierenläufe in Tunesien, San Marino, in China und 2010 den ersten Mongolia-Marathon in Ulan Bator, der sich inzwischen zu den teilnehmerstärksten Asien-Läufen entwickelt hat.

Mongolia-Marathon: Er wurde von Reisezeit und Laufzeit 2010 in Ulan Bator ins Leben gerufen – Foto: Archiv Klaus Weidt

Inzwischen hat der Fachverlag Meyer & Meyer die LAUFZEIT übernommen. Mit Engagement des langjährigen Geschäftsführers, Hans-Jürgen Meyer erst als LAUFZEIT & CONDITION, dann nach Auflösung der Interessengemeinschaft der Läufer (IGL) 2020 wieder als LAUFZEIT, zweimonatlich. Wie siehst du den weiteren Verlauf?

Ich wünsche der LAUFZEIT eine weitere gute Zeit und drücke ihr die Daumen. Ihr muss es aber gelingen, bisherige treue Anhänger und Partner zu erhalten und dazu mit einer frischen optischen und inhaltlichen Konzeption auch neue Leser gewinnen.

Anmerkung: Christel Schemel, die die Fragen stellte, wurde 2006 Geschäftsführerin der Reisezeit Tourismus GmbH und organsiert mit Klaus Weidt immer noch eine alljährliche „Lauf-Weltreise“. 2021 führt diese im August über Toronto (Niagarafälle), quer durch Kanada (Edmonton-Marathon!), Vancouver, Hawaii nach Tokio.

 Christel Schemel

Die laufende Schnecke von LAUFZEIT – Zeichnung: Frank-Norbert Beyer – Foto: Archiv Klaus Weidt

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